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Erstmals seit fast 20 Jahren: Bayerische Polizei räumt Kirchenasyl

Eine traumatisierte Frau aus Tschetschenien - alleinerziehende Mutter - und ihre vier Kinder wurden nach Polen abgeschoben. Dass die Ausländerbehörde den Befehl zur Räumung gab, ist ein Tabubruch.
Die letzte Räumung eines Kirchenasyls in Bayern hatte 1996 stattgefunden. Seither galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass Kirchenasyle von den Behörden geduldet werden – bis Dienstag, als im Auftrag der Ausländerbehörde mehrere Polizeibeamte in die Augsburger Pfarrei eindrangen, in der die Familie aus Tschetschenien – die 38-jährige Frau D. und ihre vier Kinder im Alter zwischen vier und 14 Jahren – Zuflucht gesucht hatte.
Die Familie war von Tschetschenien nach Polen geflüchtet. Dort waren Mutter und Kinder in einer Sozialwohnung in Bialystok untergebracht, wo sie extreme Diskriminierung und rassistische Übergriffe durch organisierte Neonazis erleben mussten. Als die Wohnung einer Nachbarin, die ebenfalls aus Tschetschenien stammte, von polnischen Neonazis in Brand gesetzt wurde, war die traumatisierte Frau D. Hals über Kopf mit ihren Kindern nach Deutschland weiter geflohen.
Da aufgrund der Dublin-Verordnung Polen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, war die Familie von der Abschiebung nach Polen bedroht. Kurz entschlossen hatte eine Augsburger Pfarrei Mutter und Kindern Kirchenasyl gewährt.
Flüchtlingsorganisationen in Bayern zeigten sich in einer gemeinsamen Presseerklärung schockiert über die Abschiebung und forderten, Kirchenasyle müssen unantastbar bleiben. Dieser Forderung schließt sich auch PRO ASYL an.
Das polnische Asylsystem ist mangelhaft. Flüchtlinge riskieren, inhaftiert zu werden. Beklagt werden auch die mangelhafte Gesundheitsversorgung und fehlende Therapieplätze für Traumatisierte. Zudem gibt es keinen hinreichenden effektiven Rechtsschutz im Asylverfahren. Der am Dienstag abgeschobenen Mutter und vier Kindern droht womöglich eine Kettenabschiebung nach Tschetschenien.
Aktuelle Zahlen: Kirchenasyle bundesweit (Webseite des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl in der Kirche)
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