Auch im Jahr 2024 hat PRO ASYL wieder tausende Menschen beraten und juristisch unterstützt. In Bleiberechtsfragen, bei der Familienzusammenführung oder bei humanitärer Aufnahme. Drei Fälle aus unserer alltäglichen Arbeit.
Weihnachten 2024: Schutz schenken
»Hier habe ich endlich wieder ein richtiges Leben«
Syrien, 2021: Seit über einem Jahrzehnt herrscht ein gnadenloser Bürgerkrieg. Der Jugendliche Yamen kennt kaum etwas anderes als Hoffnungslosigkeit und Gewalt: »Du hast immer Angst. Jeden Tag stirbt einer deiner Freunde, einer deiner Familie«. Yamen droht der baldige Einzug zum Militär. Doch er will nicht töten und sucht nach einem Fluchtweg. Plötzlich gibt es Visa und Flüge nach Belarus. Yamen ergreift die Chance, um auf diesem Weg zu seinem älteren Bruder Alaa nach Deutschland zu gelangen.
Belarussisch-polnische Grenze: Yamen irrt beim Versuch, EU-Gebiet zu erreichen, durch dicht bewaldetes Grenzgebiet. Dabei gerät er in die Hände polnischer Polizisten, die ihn verprügeln, sein Geld stehlen und zurück nach Belarus schleppen. Der verletzte Jugendliche benötigt drei Tage, um sich aus den Wäldern zu retten. Nach einem weiteren vergeblichen Versuch über die Grenze zu gelangen, landet er in einem belarussischen Flüchtlingslager. Später wird der völlig entmutigte Yamen in ein Wohnheim in Minsk verlegt. Die Gefahr, dass er als Kriegsdienstflüchtiger nach Syrien abgeschoben wird, ist groß. Sein Bruder in Deutschland sucht dringend nach Hilfe für ihn. PRO ASYL erfährt von dem Fall.
Ab diesem Moment steht PRO ASYL Yamen zur Seite. Schließlich gelingt es: Er darf von Belarus nach Deutschland ausreisen. Mittlerweile hat Yamen seine Schulausbildung abgeschlossen und Deutsch gelernt. Gegenwärtig macht er eine Ausbildung als Fahrzeugbauer. Er sagt: »Jetzt bin ich glücklich. Vielleicht wäre ich ohne PRO ASYL immer noch in Belarus oder zurück in Syrien«.
»Ich wollte schon immer Ärztin werden«
Kabul, Afghanistan, 15. August 2021: Nach dem Fall der Hauptstadt ist die Machtergreifung der Taliban nicht mehr aufzuhalten. Die 23-jährige Frauenrechtsaktivistin Malala* befindet sich in größter Gefahr und hält sich östlich von Kabul versteckt. Schon oft wurde sie von den Taliban massiv bedroht, weil sie sich für die Schulbildung von Mädchen und gegen Kinderehen eingesetzt hatte. Nun ist die junge Medizinstudentin ohne Hoffnung: »Wir fürchteten jeden Tag den Tod«.
Deutschland, im Spätsommer 2021: PRO ASYL erreichen aus Afghanistan täglich Hilferufe von Menschen, die um ihr Leben fürchten. Insbesondere Frauen, die für Menschenrechte aktiv waren, müssen jetzt dringend evakuiert werden. Der Einsatz für die gefährdeten Frauen ist extrem schwierig. Endlich, im Juni 2022 gelingt es uns in einer gemeinsamen Aktion, 34 Frauenrechtlerinnen mit einem humanitären Visum aus Afghanistan zu retten.
»Ich bin sehr glücklich über mein neues Leben. Ich mache gerade mein Sprachzertifikat und habe einen tollen Job als Dolmetscherin gefunden«
Malala ist eine von ihnen. Sie erinnert sich: »Wir kontaktierten PRO ASYL und mit ihrer Hilfe bekamen wir humanitäre Visa … PRO ASYL war unsere einzige Hoffnung, den Taliban zu entkommen.«
Heute, über zwei Jahre nach ihrer Evakuierung, hat Malala viele Pläne: »Ich bin sehr glücklich über mein neues Leben. Ich mache gerade mein Sprachzertifikat und habe einen tollen Job als Dolmetscherin gefunden … In Zukunft will ich in Deutschland mein Medizinstudium abschließen und Ärztin sein – das war schon immer mein Traum.«
»Ich versuche, meine Träume und meine Ziele zu erreichen«
Ägäisches Meer, 28. Oktober 2015: Vor der griechischen Insel Lesbos kentert ein Flüchtlingsboot. Über 80 Menschen ertrinken, darunter viele Frauen und Kinder. Die 13-jährige Reswana befindet sich mit ihrer Familie an Bord. Alle ihre Angehörigen sterben. Nur Reswana überlebt. Das traumatisierte Mädchen findet erste Hilfe im Camp PIKPA, das von der Menschenrechtlerin Efi Latsoudi, Partnerin von PRO ASYL, gegründet wurde. Später wird Reswana bei einer Gastfamilie aufgenommen, wo sie bis zur Weiterreise zu Verwandten, die in Schweden leben, bleiben kann.
Schweden, 2018: Reswana ist nun 16 Jahre alt. Sie lernt Schwedisch und findet zum ersten Mal wieder Mut und Zuversicht: »Ich fühlte, dass das Leben weitergeht«. Doch die schwedischen Behörden durchkreuzen all ihre Hoffnungen: Sie trennen Reswana von ihren einzigen verbliebenen Verwandten und schieben sie Anfang 2020 nach Griechenland ab.
Die junge Frau gibt nicht auf. Ihre frühere Gastfamilie nimmt sie erneut bei sich auf und Reswana macht sich auf die Suche nach den Gräbern ihrer Angehörigen. Mithilfe von RSA, der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, findet sie nach einem langwierigen DNA-Verfahren die Grabstätten. Die Gräber besuchen zu können, bedeutet Reswana viel: »Ich bin froh, dass ich zumindest das habe«. PRO ASYL / RSA begleitet Reswana weiter auf ihrem Weg. Zurzeit ist sie als engagierte Mitarbeiterin bei RSA für schutzsuchende Menschen im Einsatz und absolviert eine Ausbildung zur Maskenbildnerin.
PRO ASYL gibt es schon seit 38 Jahren als unabhängige Stimme für Flüchtlinge und Menschenrechte. Wir unterstützen Geflüchtete im Asylverfahren. Wir recherchieren mit unseren Partnerorganisationen in ganz Europa Menschenrechtsverletzungen. Und wir kämpfen für eine offene Gesellschaft. Über alle, die uns dabei mit einer Spende oder Mitgliedschaft zur Seite stehen, freuen wir uns sehr.