09.12.2022

Zum Inter­na­tio­na­len Tag der Men­schen­rech­te am 10. Dezem­ber mahnt PRO ASYL, die gefähr­de­ten Men­schen in Afgha­ni­stan nicht zu ver­ges­sen. Ent­ge­gen der Ver­spre­chen der deut­schen Bun­des­re­gie­rung har­ren wei­ter­hin Tau­sen­de Men­schen in Afgha­ni­stan aus, die wegen ihres Enga­ge­ments für west­li­che Wer­te stark gefähr­det sind. Die Tali­ban stür­zen das Land unter­des­sen in mit­tel­al­ter­li­che Verhältnisse.

Wäh­rend die Welt in die Ukrai­ne und in den Iran schaut, ver­düs­tert sich das Leben in Afgha­ni­stan zuse­hends. Die Tali­ban las­sen ihre Mas­ke der angeb­li­chen Mäßi­gung fal­len und offen­ba­ren ihr wah­res Gesicht. Die Lis­te der Grau­sam­kei­ten ist lang: Nach den jüngs­ten Anwei­sun­gen dür­fen Frau­en nicht län­ger einen Park besu­chen, teil­wei­se ist ihnen selbst der Kauf einer SIM-Kar­te ver­bo­ten. In nahe­zu allen Lebens­be­rei­chen wur­den Frau­en ihrer Grund­rech­te beraubt.

Men­schen wer­den aus­ge­peitscht, eine ers­te öffent­li­che Hin­rich­tung ist bekannt gewor­den. Stei­ni­gun­gen und Ampu­ta­ti­on von Glied­ma­ßen gel­ten mitt­ler­wei­le als zuläs­si­ge Bestra­fung. Kün­dig­ten die Tali­ban zu Beginn der Macht­über­nah­me noch eine gemä­ßig­te Poli­tik an, ist es mitt­ler­wei­le ihr offen erklär­tes Ziel, die Scha­ria in har­ter Aus­le­gungs­form umzu­set­zen.

Bun­des­re­gie­rung muss mehr leis­ten als Lip­pen­be­kennt­nis­se

„Vie­le west­li­che Regie­run­gen ver­ur­tei­len die jüngs­ten mar­tia­li­schen Prak­ti­ken der Tali­ban. Aber es darf nicht bei Lip­pen­be­kennt­nis­sen blei­ben. Die deut­sche Bun­des­re­gie­rung muss alles tun, damit  Men­schen, die wegen ihres Enga­ge­ments für west­li­che Wer­te stark gefähr­det sind, auf­ge­nom­men wer­den“, sagt Dr. Ale­ma, Afgha­ni­stan-Refe­ren­tin bei PRO ASYL. PRO ASYL erin­nert dar­an, dass erst durch das Han­deln der west­li­chen Staa­ten Men­schen in Afgha­ni­stan in Gefahr gebracht wur­den. Wer als „ver­west­licht“ gilt, muss aus Afgha­ni­stan eva­ku­iert und auf­ge­nom­men wer­den.


Mit ihrem Akti­ons­plan Afgha­ni­stan hat­te die deut­sche Bun­des­re­gie­rung vor einem Jahr ange­kün­digt, büro­kra­ti­sche Hür­den abbau­en und die Aus­rei­se­mög­lich­kei­ten für ehe­ma­li­ge Orts­kräf­te und beson­ders Schutz­be­dürf­ti­ge aus­bau­en und beschleu­ni­gen zu wol­len. Im Akti­ons­plan heißt es: „Vie­le Men­schen leben in täg­li­cher Angst. Das gilt beson­ders für die­je­ni­gen, die mit uns für eine bes­se­re Zukunft Afgha­ni­stans gear­bei­tet, dar­an geglaubt und sie gelebt haben. Am schwers­ten ist die Lage für die beson­ders gefähr­de­ten Mäd­chen und Frau­en. Gegen­über die­sen Men­schen haben wir eine Ver­ant­wor­tung, und wir wer­den sie nicht im Stich las­sen.“ Beson­ders gro­ße Hoff­nun­gen haben vie­le Afghan*innen auf das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm gesetzt, das sich letzt­lich als Mini-Auf­nah­me­pro­gramm ent­pupp­te.

PRO ASYL for­dert deut­li­che Ver­bes­se­run­gen

Damit afgha­ni­sche Menschenrechtsverteidiger*innen, Medi­en- und Kul­tur­schaf­fen­de, Frauenrechtlerin*innen, afgha­ni­sche Orts­kräf­te und wei­te­re höchst gefähr­de­te Men­schen end­lich auf­ge­nom­men wer­den, for­dert 
PRO ASYL:

  • Das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm darf sich nicht nur aus­schließ­lich auf „afgha­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge in Afgha­ni­stan“ bezie­hen, son­dern soll­te auch Afghan*innen, die mitt­ler­wei­le in Dritt­staa­ten wie Iran und Paki­stan flie­hen muss­ten, ein­schlie­ßen.
  • Der Weg zum Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm muss für Afghan*innen trans­pa­rent gemacht wer­den. Der­zeit kön­nen sie sich nicht selbst bewer­ben, son­dern müs­sen dies über eine Orga­ni­sa­tio­nen in Deutsch­land tun, die Anträ­ge in Zusam­men­ar­beit mit einer staat­lich finan­zier­ten Koor­di­nie­rungs­stel­le ent­ge­gen­nimmt. Name und Kon­takt­da­ten die­ser mel­de­be­rech­tig­ten Stel­len sind aller­dings immer noch nicht bekannt.
  • Die Prü­fung und Auf­nah­me über das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramms muss beschleu­nigt wer­den. Der­zeit wer­den nur Alt­fäl­le abge­ar­bei­tet, die Mel­dung neu­er Fäl­le scheint noch nicht zu funktionieren.
  • Die Prü­fung von beson­ders drin­gen­den Ein­zel­fäl­len durch Ertei­lung von huma­ni­tä­ren Visa (Para­graf 22 Satz 2 Auf­ent­halts­ge­setz) muss fort­ge­führt wer­den. Der­zeit wer­den die­se nur schlep­pend erteilt. Bei dem im Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm vor­ge­se­he­nen IT-Scoring­sys­tem, wer­den die Schutz­ge­su­che mit einem digi­ta­len Punk­te­sys­tem und mit Algo­rith­men bewer­tet. Es besteht die Gefahr, dass ernst­haft gefähr­de­te Men­schen, die zum Bei­spiel nicht die nöti­gen IT-Kennt­nis­se mit­brin­gen, durch das Ras­ter fallen.
  • Das Orts­kräf­te­ver­fah­ren muss so refor­miert wer­den, dass alle Bedroh­ten, die für Deutsch­land gear­bei­tet haben, Schutz fin­den. Der Begriff der Orts­kraft muss auf alle ent­lohn­ten und ehren­amt­li­chen Tätig­kei­ten für deut­sche Insti­tu­tio­nen, Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men sowie Sub­un­ter­neh­men aus­ge­wei­tet werden.
  • Zudem muss der Fami­li­en­nach­zug beschleu­nigt und der Fami­li­en­be­griff an die tat­säch­li­che Lebens­rea­li­tät afgha­ni­scher Fami­li­en ange­passt werden.
  • Auf büro­kra­ti­sche Visa­ver­fah­ren soll­te ver­zich­tet wer­den und statt­des­sen die Mög­lich­keit der Visa on Arri­val (Visums­aus­stel­lung bei Ankunft) ein­ge­führt werden.
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