11.05.2020

Flücht­lings­la­ger in Deutsch­land und Grie­chen­land in Zei­ten der Covid-19-Pan­de­mie: Was getan wer­den muss

Die Lan­des­flücht­lings­rä­te, PRO ASYL und die See­brü­cken-Bewe­gung  leg­ten heu­te in einer Pres­se­kon­fe­renz dar, dass es gera­de jetzt gilt, nie­man­den zurück­zu­las­sen und Lager zu schlie­ßen – ob in Moria oder Halberstadt.

Wäh­rend Men­schen welt­weit mit den Maß­nah­men durch die Covid-19-Pan­de­mie zu kämp­fen haben, sind beson­ders jene, die erzwun­ge­ner­ma­ßen in Camp­struk­tu­ren unter­ge­bracht sind, enor­men Gefah­ren aus­ge­setzt. Schutz­su­chen­de leben teils zu tau­sen­den in Lagern, in denen Infek­ti­ons­schutz und per­sön­li­che Bedarfs­de­ckung zwangs­läu­fig nicht mög­lich sind. Mit Blick auf die Elend­sla­ger in Moria auf Les­vos oder wei­te­ren Inseln, auf das Leid der Men­schen in den Fol­ter­la­gern Liby­ens, dem Schick­sal der Men­schen auf der Bal­kan­rou­te und auch in Mas­sen­un­ter­künf­ten in Deutsch­land lässt sich fest­stel­len: Schutz­su­chen­de wer­den dem Virus schutz­los aus­ge­setzt oder mit frei­heits­ent­zie­hen­den Maß­nah­men belegt. 

„Wir beob­ach­ten der­zeit eine bewuss­te Gefähr­dung der Gesund­heit, näm­lich dass eine Durch­seu­chung in Kauf genom­men wird,“ so Helen Deff­ner vom Flücht­lings­rat Sach­sen-Anhalt. Zu Hun­der­ten wer­den Geflüch­te­te auf engs­tem Raum unter­ge­bracht und dadurch zwangs­läu­fig dem gefähr­li­chen Virus aus­ge­setzt. „Das Coro­na-Virus macht noch ein­mal deut­lich: Es ist längst an der Zeit, dass die Lan­des­re­gie­run­gen Kon­zep­te für die Unter­brin­gung von Geflüch­te­ten in Woh­nun­gen erar­bei­ten und aus­bau­en und nicht wei­ter auf Mas­sen­un­ter­brin­gung set­zen. Es bedarf jetzt eines Rich­tungs­wech­sels: Abkehr von Sam­mel­un­ter­künf­ten hin zu Wohnungen!“

Den erho­be­nen For­de­run­gen bezüg­lich einer Auf­lö­sung der Lager wird auch nach Wochen nicht nachgekommen.

PRO ASYL-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt wirft den Regie­run­gen vor „alle War­nun­gen in den Wind geschla­gen zu haben, als noch aus­rei­chend Zeit war, Maß­nah­men gegen die Aus­brei­tung der Coro­na­pan­de­mie zu ergrei­fen.“ PRO ASYL hat bereits am 19. März ein umfas­sen­des Kon­zept vor­ge­legt. Die Bun­des­re­gie­rung und die Län­der­re­gie­run­gen haben über­wie­gend die Augen und Ohren geschlos­sen und mit Ali­bi­hand­lun­gen reagiert.

Dies gilt eben­so für Mas­sen­la­ger an den euro­päi­schen Außen­gren­zen. Die Euro­päi­sche Uni­on und ihre Mit­glieds­staa­ten igno­rier­ten lan­ge vor Aus­bruch der Pan­de­mie unzäh­li­ge Appel­le zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen nach huma­ni­tä­rem Schutz und Auf­nah­me, doch die Coro­na-Kri­se ver­deut­licht die Dring­lich­keit der Eva­ku­ie­rung auf kata­stro­pha­le Wei­se. Das Lager Moria auf Les­vos ist ein ein­zi­ger Alb­traum: Ende Janu­ar 2020 kommt im Inne­ren des Hot­spots auf 200 Men­schen eine Dusche und eine Toi­let­te. Außer­halb des Hot­spots sind es bis zu 500 Men­schen pro Dusche. Bei Essens­aus­ga­ben müs­sen Men­schen Stun­den in lan­gen War­te­schlan­gen ver­har­ren. Die Situa­ti­on hat sich kaum ver­bes­sert. Simp­le Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men wie regel­mä­ßi­ges Hän­de­wa­schen kön­nen nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Risi­ko­grup­pen, etwa älte­re Men­schen und Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen, kön­nen sich zum Schutz nicht selbst isolieren.

„Es ist uner­träg­lich, dass Fami­li­en getrennt sind, wäh­rend Län­der und Bund sich gegen­sei­tig die Ver­ant­wor­tung zuschie­ben. Wir for­dern des­halb gemein­sam ad-hoc-Maß­nah­men zur Auf­nah­me durch die Bun­des­län­der,“ so Tareq Alaows, Seebrücke.

Auch auf dem Fest­land ist die Situa­ti­on ange­spannt. Dies doku­men­tier­te die PRO ASYL-Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Refu­gee Sup­port Aege­an (RSA) z.B. beim Geflüch­te­ten­la­ger Mala­ka­sa. Das Lager wur­de Anfang April unter Qua­ran­tä­ne gestellt. Vie­le Schutz­su­chen­de leben hier in Pro­vi­so­ri­en und tei­len sich die sani­tä­ren Anla­gen. Abstand­hal­ten? Kaum mög­lich. Sie füh­len sich wie „eine Maus in der Fal­le“ und fürch­ten die Ansteckung.

Lan­des­flücht­lings­rä­te, PRO ASYL und die See­brü­cken-Initia­ti­ven fordern:

1.) Die Lager in Deutsch­land müs­sen auf­ge­löst wer­den! Die Lan­des­re­gie­run­gen müs­sen jetzt schnell han­deln und die lang­fris­ti­ge und zukünf­ti­ge Unter­brin­gung in Woh­nun­gen gewähr­leis­ten. Sie dür­fen nicht wei­ter auf Mas­sen­un­ter­künf­te set­zen. Coro­na zeigt, der Rich­tungs­wech­sel hin zu einer men­schen­wür­di­gen Unter­brin­gung ist längst über­fäl­lig und mitt­ler­wei­le überlebensnotwendig.

2.) Die Lan­des­re­gie­run­gen müs­sen jetzt Struk­tu­ren für eine men­schen­wür­di­ge Auf­nah­me von Geflüch­te­ten aus Elend­sla­ger aus dem Aus­land schaf­fen! Es darf nicht mehr bei blo­ßen Wil­lens­be­kun­dun­gen blei­ben, son­dern auf­nah­me­wil­li­ge Städ­te und Kom­mu­nen (sog. „Siche­re Häfen“) müs­sen in die Ver­hand­lun­gen mit­ein­be­zo­gen und genutzt werden.

3.) Eine men­schen­wür­di­ge Auf­nah­me bedeu­tet: Apart­ments, Feri­en­woh­nun­gen, Hotels und wei­te­rer Leer­stand müs­sen genutzt wer­den, um das Anste­ckungs­ri­si­ko zu senken.

4.) Gesund­heits­kar­ten sind für alle aus­zu­stel­len. Das bedeu­tet, ins­be­son­de­re für Men­schen, die Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen bezie­hen und nicht kran­ken­ver­si­chert sind, für Men­schen ohne lega­len Auf­ent­halts­sta­tus sowie für erwerbs­lo­se EU-Bürger*innen. Auch sie müs­sen Zugang zum Gesund­heits­sys­tem haben.

5.) Alle Men­schen, die sich nach wie vor in Abschie­be­haft befin­den, sind zu ent­las­sen. In Deutsch­land befind­li­che Asylbewerber*innen müs­sen hier ihr Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen können.

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