06.08.2014

Vor der grie­chi­schen Insel Farm­a­ko­ni­si star­ben in der Nacht zum 20. Janu­ar 2014 elf Frau­en und Kin­der. Ein mit 27 Flücht­lin­gen aus Afgha­ni­stan und Syri­en besetz­tes manö­vrier­un­fä­hi­ges Boot sank im Schlepp­tau der grie­chi­schen Küs­ten­wa­che. Die Über­le­ben­den wer­fen der grie­chi­schen Küs­ten­wa­che vor, sie sei­en bei stür­mi­scher See mit hoher Geschwin­dig­keit zurück in Rich­tung Tür­kei gezo­gen wor­den. Die Küs­ten­wa­che behaup­tet, sie hät­te das Boot mit lang­sa­mer Fahrt in Rich­tung Farm­a­ko­ni­si geschleppt. Die Flücht­lin­ge schil­dern eine Push-Back-Ope­ra­ti­on (ille­ga­le Zurück­schie­bung), die grie­chi­schen Behör­den behaup­ten, eine See­not­ret­tungs­maß­nah­me durch­ge­führt zu haben. 

Der grie­chi­sche Außen­mi­nis­ter Evan­ge­los Veni­zelos ver­sprach in einer Debat­te im Euro­pa­par­la­ment am 5. Febru­ar 2014  eine lücken­lo­se Auf­klä­rung der Todes­fäl­le von Farm­a­ko­ni­si. Die geschah nicht. Im Gegen­teil: Jetzt hat die für die Mari­ne zustän­di­ge Staats­an­walt­schaft beschlos­sen, den  Farm­a­ko­ni­si-Fall  zu den Akten zu legen. Damit wird es nicht zu einer Ankla­ge gegen die betei­lig­ten Beam­ten der Küs­ten­wa­che kom­men. Tenor der Staats­an­walt­schaft: Die Aus­sa­gen der 16 Über­le­ben­den sind unglaub­wür­dig. Push-Backs gibt es grund­sätz­lich nicht.

PRO ASYL hat die Fall­ak­ten ana­ly­siert. Das Ergeb­nis: Eine lücken­lo­se Auf­klä­rung hat nie statt­ge­fun­den, statt­des­sen gab es offen­kun­dig mas­si­ve Ver­tu­schun­gen von Sei­ten der grie­chi­schen Behör­den: Zeit­ab­läu­fe der Ope­ra­ti­on der Küs­ten­wa­che wur­den im Nach­hin­ein ver­än­dert. In den gesam­ten Ermitt­lungs­ak­ten tau­chen kei­ne rele­van­ten tech­ni­schen Auf­zei­chun­gen auf. Angeb­lich gibt es kei­ne GPS-Daten und Radar­auf­zeich­nun­gen, kei­ne Doku­men­ta­ti­on der Tele­fon- und Funk­kom­mu­ni­ka­ti­on und kei­ne Bild­auf­zeich­nun­gen. Ob See­not­re­geln beach­tet wur­den, wur­de gar nicht erst untersucht.

„Im Jahr 2014 ster­ben elf Frau­en und Kin­der an der hoch­ge­rüs­te­ten EU- Außen­gren­ze, angeb­lich ohne dass dies eine tech­ni­sche Spur hin­ter­lässt. Ver­let­zun­gen von ele­men­ta­ren See­not­re­geln wer­den gar nicht erst unter­sucht – ein him­mel­schrei­en­der Jus­tiz­skan­dal“ so Karl Kopp, Europa­re­fe­rent von PRO ASYL. „Die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens stellt eine Ver­höh­nung der Opfer und ihrer Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen dar. Wir for­dern eine lücken­lo­se Aufklärung“.

Ein grie­chi­sches Rechts­an­wäl­tin­nen­team berei­tet aktu­ell eine Kla­ge gegen Grie­chen­land vor dem Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hof in Straß­burg vor. PRO ASYL unter­stützt die Kla­ge aus sei­nem Rechts­hil­fe­fonds. Bereits seit dem 24. Janu­ar unter­stützt PRO ASYL die Über­le­ben­den recht­lich und huma­ni­tär indem das grie­chi­sche Anwäl­tin­nen­team finan­ziert wird und hat zahl­rei­che Gesprä­che mit ins­ge­samt 15 Zeu­gen geführt.

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