10.01.2021

Immer mehr Gerich­te hal­ten Abschie­bun­gen für unzu­mut­bar und ertei­len Abschiebungsstopps 

Der Lock­down in Deutsch­land wur­de ver­län­gert, auch in Afgha­ni­stan brei­tet sich die Pan­de­mie aus. Der­weil wüten die Kämp­fe im Land wei­ter. Die Bun­des­re­gie­rung plant davon unbe­rührt den nächs­ten Sam­mel­ab­schie­be­char­ter nach Kabul, dies­mal laut Flücht­lings­rat Bay­ern für den 12. Janu­ar, vor­aus­sicht­lich vom Flug­ha­fen Düs­sel­dorf aus. »Dass inmit­ten der Pan­de­mie und kata­stro­pha­ler Sicher­heits­la­ge wei­ter Abschie­bun­gen for­ciert wer­den, ist ein Skan­dal und für die Betrof­fe­nen lebens­ge­fähr­lich«, kri­ti­siert Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL und for­dert ein Ende der Abschiebungen.

Immer mehr Gerich­te hal­ten Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan für unzu­mut­bar und ver­hän­gen noch im Eil­ver­fah­ren Abschie­bungs­stopps für Betrof­fe­ne. Doch nicht alle kön­nen sich vor Gericht gegen eine dro­hen­de Abschie­bung in das Kriegs­land weh­ren: Oft ent­schei­det der Zufall, ob Betrof­fe­ne einen Rechts­bei­stand oder Unterstützer*innen haben. Längst wer­den auch Men­schen abge­scho­ben, die weder Straf­tä­ter, Gefähr­der noch soge­nann­te Iden­ti­täts­täu­scher sind, ent­ge­gen der Ansa­ge der Bun­des­län­der, nur die­se Grup­pen abschie­ben zu wollen.

In zwei Fäl­len ver­hin­der­ten Ver­wal­tungs­ge­rich­te in Baden-Würt­tem­berg noch in letz­ter Minu­te die Abschie­bung nach Afgha­ni­stan am 16. Dezem­ber 2020. Im Fall von Far­had K. (Name geän­dert) erteil­te das Ver­wal­tungs­ge­richt (VG) Stutt­gart ange­sichts aktu­el­ler pan­de­mie­be­ding­ter Ver­schlech­te­run­gen der Lebens­ver­hält­nis­se in Afgha­ni­stan einen Abschie­bungs­stopp. Unter­stützt wur­de der Betrof­fe­ne unter ande­rem vom Flücht­lings­rat Baden-Würt­tem­berg, der Ein­zel­fall­be­ra­tung und dem Rechts­hil­fe­fonds von PRO ASYL. In einem zwei­ten Fall ver­häng­te das VG Sig­ma­rin­gen einen wei­te­ren Abschie­bungs­stopp. Ähn­lich wie bei Far­had K. waren die ver­schlech­ter­te Situa­ti­on auf­grund des Coro­na-Virus in Afgha­ni­stan und der Weg­fall eines unter­stüt­zen­den fami­liä­ren Netz­werks ausschlaggebend.

Mit Urteil vom 15.12.2020 bestä­tig­te laut Anwalt der VGH Baden-Würt­tem­berg die posi­ti­ven Ent­schei­dun­gen der Ver­wal­tungs­ge­rich­te und ent­zog der Ent­schei­dungs­pra­xis des BAMF die recht­li­che Grund­la­ge. (Das Urteil und die Pres­se­er­klä­rung des VGH Baden-Würt­tem­berg lie­gen noch nicht schrift­lich vor.)

Bereits am 24.11.2020 traf das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Bre­men eben­so die Ent­schei­dung, Abschie­bungs­ver­bo­te zu gewäh­ren (OVG Bre­men, U. v. 24.11.2020 – 1 LB 351/20‑, juris). Wei­te­re ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung in ande­ren Bun­des­län­dern könn­te fol­gen. Die­se Ent­schei­dun­gen ebnen den Weg für Wie­der­auf­grei­fens­an­trä­ge (sie­he hier­zu »Iso­lier­ter Wie­der­auf­grei­fens­an­trag« ab S.71)  von afgha­ni­schen Antrag­stel­lern, die zuvor eine Ableh­nung erhal­ten haben. Ange­sichts die­ser Recht­spre­chung müs­sen die Län­der ein­len­ken und Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan grund­sätz­lich einstellen.

PRO ASYL hat immer wie­der vor der sich ver­schlech­tern­den Situa­ti­on in Afgha­ni­stan gewarnt. Trotz Pan­de­mie und Sicher­heits­la­ge im Land star­te­te am 16. Dezem­ber 2020 der ers­te Sam­mel­char­ter nach Kabul seit März 2020.

Alle Presse­mitteilungen