29.03.2023

PRO ASYL und Hes­si­scher Flücht­lings­rat for­dern sofor­ti­ge Zurück­ho­lung der Frau nach Deutsch­land zu ihrem hier leben­den Bru­der.

Am Flug­ha­fen Frank­furt kam es in der ver­gan­ge­nen Woche, nur kurz nach­dem ein ira­ni­scher Asyl­su­chen­der im Schnell­ver­fah­ren abge­lehnt und trotz des bestehen­den bun­des­wei­ten Abschie­bungs­stopps in den Iran abge­scho­ben wur­de, zu einer wei­te­ren skan­da­lö­sen Abschie­bung. Dies­mal betraf es eine afgha­ni­sche Antrag­stel­le­rin, die mit einem ira­ni­schen Pass ein­rei­sen woll­te. In der Anhö­rung berich­te­te sie wahr­heits­ge­mäß nur über ihre Flucht­grün­de aus Afgha­ni­stan, da sie sich nur kurz im Iran auf­ge­hal­ten hat­te. Dar­auf­hin wur­de sie auf­grund des vor­ge­leg­ten ira­ni­schen Pas­ses vom Bun­des­amt im Rah­men des Flug­ha­fen­ver­fah­rens für unglaub­wür­dig erklärt, als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt und umge­hend wie­der in den Iran zurück­ge­wie­sen. Von dort wur­de sie von den ira­ni­schen Behör­den umge­hend nach Afgha­ni­stan abgeschoben.

Beson­ders absurd: Anfangs wur­de sie von der Bun­des­po­li­zei und auch dem Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge unter ihren rich­ti­gen, afgha­ni­schen Per­so­na­li­en, geführt. Erst nach­dem die Bun­des­po­li­zei den ira­ni­schen Pass, mit dem sie ein­rei­sen woll­te, für „echt“ und nur das in dem Pass befind­li­che Visum für falsch erklärt hat­te, wur­de ihr die ira­ni­sche Iden­ti­tät des Pas­ses zuge­wie­sen und sie fort­an als Ira­ne­rin behan­delt. Weder eine Bestä­ti­gung des afgha­ni­schen Gene­ral­kon­su­lats in Bonn über ihre rich­ti­ge Iden­ti­tät noch eine Eides­statt­li­che Erklä­rung ihres in Deutsch­land leben­den Bru­ders konn­ten die Behör­den umstim­men – der rea­le Mensch wur­de auf ein simp­les Anhäng­sel eines Pas­ses redu­ziert. Ihr Bru­der, deut­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger, ver­such­te ver­zwei­felt, die Behör­den von die­sem Han­deln abzu­brin­gen, doch vergeblich.

„Wie kann es sein, dass Deutsch­land offi­zi­ell weder nach Afgha­ni­stan noch in den Iran abschiebt und jetzt aber eine afgha­ni­sche Frau von Deutsch­land aus über den Iran nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben wur­de? Das ist ein Total­ver­sa­gen des Bun­des­am­tes und des zustän­di­gen Ver­wal­tungs­ge­rich­tes mit dra­ma­ti­scher Kon­se­quenz, für das auch das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um die Ver­ant­wor­tung trägt“, empör­te sich Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL. „Als unver­hei­ra­te­te Frau ist sie nun erneut der Will­kür der Tali­ban aus­ge­lie­fert – und Deutsch­land ist dafür ver­ant­wort­lich. Wir appel­lie­ren an Innen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser, die­se kras­se Fehl­ent­schei­dung ihres Minis­te­ri­ums rück­gän­gig zu machen und die Frau umge­hend nach Deutsch­land zurückzuholen.“

Das Flug­ha­fen­ver­fah­ren ist ein Son­der­ver­fah­ren, wel­ches nur bei Per­so­nen ange­wandt wird, die an einem Flug­ha­fen ohne gül­ti­ge Ein­rei­se­pa­pie­re ankom­men und dort um Asyl nach­su­chen. Dabei wer­den die Asyl­an­trä­ge in einem Schnell­ver­fah­ren geprüft. Wenn das Bun­des­amt sie inner­halb von zwei Tagen als offen­sicht­lich unbe­grün­det ablehnt, wird den betrof­fe­nen Per­so­nen die Ein­rei­se ver­wei­gert, ansons­ten wer­den sie in eine Auf­nah­me­ein­rich­tung wei­ter­ge­lei­tet. Im Jahr 2022 wur­den an deut­schen Flug­hä­fen ins­ge­samt 347 sol­cher Son­der­ver­fah­ren durch­ge­führt, davon wur­de in 120 Fäl­len der Antrag inner­halb von 2 Tagen abgelehnt.

Erneut zei­gen sich die ekla­tan­ten Män­gel im deut­schen Flug­ha­fen­ver­fah­ren. Es ist ein spe­zi­el­les Ver­fah­ren, nur dar­auf aus­ge­rich­tet, Men­schen als offen­sicht­lich unbe­grün­det abzu­leh­nen. Es wer­den Ein­rich­tun­gen und Per­so­nal vor­ge­hal­ten, es ent­ste­hen Kos­ten in Mil­lio­nen­hö­he, und das nur, damit im letz­ten Jahr 120 Men­schen der Zugang zum regu­lä­ren Asyl­ver­fah­ren ver­wehrt wer­den konn­te – bei 217.774 Asyl­an­trä­gen bun­des­weit. Und dann kommt es auch noch zu sol­chen kras­sen Fehl­ent­schei­dun­gen. Die­ses Ver­fah­ren gehört ersatz­los abge­schafft. In einem ers­ten Schritt muss das Bun­des­amt ange­wie­sen wer­den, bis auf wei­te­res kei­ne „offen­sicht­lich unbegründet“-Ablehnungen mehr im Schnell­ver­fah­ren zu erlas­sen und die Schutz­su­chen­den ein­rei­sen zu las­sen, damit ihre Asyl­an­trä­ge im Inland sorg­fäl­tig geprüft wer­den kön­nen“, for­der­te Tim­mo Sche­ren­berg, Geschäfts­füh­rer des Hes­si­schen Flücht­lings­ra­tes abschlie­ßend in Frankfurt.

 

Kon­takt:

PRO ASYL

Wieb­ke Judith

0157–88984135

wj@proasyl.de

 

Hes­si­scher Flüchtlingsrat

Tim­mo Scherenberg:

0179 8293173

hfr@fr-hessen.de

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