20.10.2021

Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Horst See­ho­fer hat in der heu­ti­gen Bun­des­pres­se­kon­fe­renz sein flücht­lings­po­li­ti­sches Ver­mächt­nis noch ein­mal dar­ge­legt. Offen­kun­dig wur­den erneut sei­ne blin­den Fle­cken bei der Fra­ge der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an den EU-Außen­gren­zen. See­ho­fer redet viel von Euro­pa, Huma­ni­tät und Rechts­staat­lich­keit, jedoch schweigt er zu der ekla­tan­ten Ver­let­zung des Asyl­rechts, der Men­schen­wür­de und des Zurück­wei­sungs­ver­bo­tes an den Außengrenzen.

„Horst See­ho­fer hat das The­ma ver­fehlt“, sagt Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL, zu den Äuße­run­gen des Innen­mi­nis­ters in der heu­ti­gen Bun­des­pres­se­kon­fe­renz. „Anstatt die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an den Gren­zen anzu­pran­gern, bezeich­net der Innen­mi­nis­ter Geflüch­te­te als ‚hybri­de Bedro­hung‘ und spricht von Unter­stüt­zung Polens bei der ‚Abwehr‘ . Genau die­se Abwehr setzt die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on und die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­ko­nen­ti­on außer Kraft.“

Zur Lage an der deutsch-pol­ni­schen Gren­ze sagt Kopp: „Schutz­su­chen­de, die an deut­schen Gren­zen ankom­men, haben nach gel­ten­dem euro­päi­schem und deut­schem Recht den Anspruch auf fai­re Asyl­ver­fah­ren.“ In den ver­gan­ge­nen Wochen ist deut­lich gewor­den, dass die der­zei­ti­ge pol­ni­sche Regie­rung inter­na­tio­na­les und euro­päi­sches Recht miss­ach­tet. „Asyl­su­chen­de, die Deutsch­land errei­chen, dür­fen nicht in die­se Unge­wiss­heit abge­scho­ben wer­den. Sie müs­sen schnell Zugang zu Asyl in Deutsch­land erhal­ten“, for­dert Kopp.

Dra­ma­ti­sche Lage an der EU-Außengrenze

Völ­lig aus dem Blick gerät, dass es sich bei denen, die zurück­ge­wie­sen wer­den, auch um Men­schen han­delt, die aus Kriegs­ge­bie­ten wie Afgha­ni­stan oder Syri­en flie­hen. „Ein zyni­scher Dik­ta­tor Lukaschen­ko ver­sucht, auf dem Rücken von Schutz­su­chen­den die Euro­päi­sche Uni­on zu erpres­sen“, erklärt Kopp. Auf der ande­ren Sei­te ste­he Polen, das gemein­sam mit den bal­ti­schen Staa­ten die Flücht­lings­rech­te aus­he­belt. Die EU muss das umge­hend sank­tio­nie­ren, for­dert PRO ASYL. „Der Schlüs­sel zur Lösung des Pro­blems liegt nicht in Mos­kau, wie See­ho­fer meint, son­dern in Brüs­sel: Die EU und ihre Mit­glie­der müs­sen end­lich den Flücht­lings­schutz gemein­sam orga­ni­sie­ren und für eine huma­ne Auf­nah­me sor­gen.“ Es ist zynisch, dass die EU-Län­der mit der Auf­he­bung von Rechts­staat­lich­keit und dem Aus­he­beln der Men­schen­rech­te auf Lukaschen­ko reagie­ren, der zeit­gleich für Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen sank­tio­niert wird.

Sekun­där­mi­gra­ti­on: In Grie­chen­land aner­kann­te Flüchtlinge

Immer mehr Geflüch­te­te, die in Grie­chen­land aner­kannt sind, kom­men auf­grund kata­stro­pha­ler Bedin­gun­gen dort nach Deutsch­land und bit­ten hier um Schutz. Das betrifft rund 34.000 Men­schen. See­ho­fer stellt dies als ärger­li­ches Pro­blem dar, das beho­ben wer­den müs­se, anstatt Gerichts­ur­tei­le zu respek­tie­ren: Meh­re­re deut­sche Gerich­te, dar­un­ter zwei Ober­ver­wal­tungs­ge­rich­te, haben ent­schie­den, dass der­zeit nie­mand nach Grie­chen­land zurück­ge­schickt wer­den darf. Auch Gel­der zur men­schen­wür­di­gen Unter­brin­gung, die Deutsch­land nun nach Grie­chen­land über­wei­sen will, wer­den dar­an nichts ändern. „Deutsch­land kann sich aus dem Men­schen­rechts­schutz nicht frei­kau­fen“, sagt Kopp. „Doch der Innen­mi­nis­ter ver­fällt wie­der in sei­ne alten Zurück­wei­sungs­fan­ta­sien. Die waren schon 2015/2016 rechtswidrig.“

Beun­ru­hi­gend ist nach Ansicht der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on, dass Deutsch­land die Ver­ant­wor­tung auf ande­re Län­der und die EU abzu­schie­ben ver­sucht. „Eine Schlie­ßung der Gren­ze ist von nie­man­dem beab­sich­tigt“, sagt See­ho­fer, wäh­rend an den euro­päi­schen Außen­gren­zen zur glei­chen Zeit Zäu­ne, Mau­ern und Sta­chel­draht hoch­ge­zo­gen wer­den und 12 EU-Staa­ten kürz­lich wei­te­re „phy­si­sche Bar­rie­ren“ for­der­ten. „Im 70. Jahr des Bestehens der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on wird die­se in der Pra­xis von Euro­pa zuneh­mend miss­ach­tet“, kri­ti­siert Kopp.

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