PRO ASYL geht gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) und der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) gegen die überhöhten gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses vor.
Ziel ist es, die bisherige Praxis in diesem Bereich vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Zu diesem Zweck stellen die Organisationen ab heute ausführliche Schriftsatzmuster und finanzielle Unterstützung für entsprechende Verfahren zur Verfügung.
„Der Schutz von schwerkranken Geflüchteten vor Abschiebung muss gewährleistet werden. Genau deswegen unterstützen wir Betroffene vor Gericht. Solange die Regierung nicht handelt, ist es dringend geboten, dass die verfassungswidrigen Nachweispflichten zügig vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden“, sagt Peter von Auer, rechtspolitischer Referent bei PRO ASYL.
Viele Geflüchtete sind von Krieg und Verfolgung schwer traumatisiert und unterstehen damit einem besonderen Schutz. Ein Abschiebehindernis besteht insbesondere dann, wenn sich eine schwerwiegende psychische Erkrankung durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die große Koalition hat die Anforderungen an den Nachweis einer Erkrankung in den vergangenen Jahren derart verschärft, dass Betroffene diese praktisch nicht mehr erfüllen können. Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot muss im Asylverfahren durch eine sogenannte qualifizierte ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden (§§ 60 Abs. 7 S. 2; 60a Abs. 2c AufenthG). Gerade in Fällen psychisch erkrankter Geflüchteter scheitert dieser Nachweis an dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand, finanziellen Hürden und fehlenden Zugängen zur ärztlichen Begutachtung.
Geflüchtete müssen teure ärztliche Bescheinigung selbst bezahlen
Die Kosten für die ärztliche Bescheinigung müssen die Betroffenen selbst tragen, im Regelfall mehrere hundert Euro – in etwa die Summe, die Geflüchtete für ihr komplettes Leben monatlich zur Verfügung haben. Hinzu kommen Kosten für Dolmetscher*innen. Psychisch erkrankte Betroffene befinden sich zudem meist nicht in psychiatrischer, sondern in psychotherapeutischer Behandlung. Diese wird in der Regel über die psychosozialen Zentren für Geflüchtete organisiert und finanziert. Die Begutachtungen von Psychotherapeut*innen erfüllen nach bisheriger Praxis von Behörden und Gerichten nicht die gesetzlichen Anforderungen, weil sie nicht durch eine*n Arzt*in erfolgen.
„Diese Abwertung psychotherapeutischer Expertise ist sachlich nicht nachvollziehbar. Die behandelnden Psychotherapeut*innen kennen die Patient*innen durch die Gespräche sehr gut und sind daher am besten in der Lage, deren psychischen Gesundheitszustand zu beurteilen“, sagt Anna Bußmann-Welsch, Referentin für Rechtspolitik der BAfF.
Einschätzungen von Psychotherapeuten ernst nehmen
Der Ausschluss psychotherapeutischer Expertise hält auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Bei einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben dürfen keine überspannten Anforderungen an die Mitwirkungspflicht gestellt werden.
„Behörden und Gerichte haben in solchen Fällen eine verfassungsrechtliche Aufklärungspflicht. Sie müssen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine schwerwiegende Erkrankung nachgehen, ganz egal ob die Einschätzung von einer Ärztin oder einem Psychotherapeuten kommt. Alles andere ist mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Schutz von Leben und Gesundheit, nicht vereinbar“, sagt Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Peter von Auer, presse@proasyl.de
Telefon: 069 / 24 23 14 30
Janina Zillekens, presse@freiheitsrechte.org,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0157–92372643
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