30.11.2021

PRO ASYL geht gemein­sam mit der Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te e.V. (GFF) und der Bun­des­wei­ten Arbeits­ge­mein­schaft der Psy­cho­so­zia­len Zen­tren für Flücht­lin­ge und Fol­ter­op­fer e.V. (BAfF) gegen die über­höh­ten gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen an den Nach­weis eines krank­heits­be­ding­ten Abschie­bungs­hin­der­nis­ses vor. 

Ziel ist es, die bis­he­ri­ge Pra­xis in die­sem Bereich vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über­prü­fen zu las­sen. Zu die­sem Zweck stel­len die Orga­ni­sa­tio­nen ab heu­te aus­führ­li­che Schrift­satz­mus­ter und finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für ent­spre­chen­de Ver­fah­ren zur Ver­fü­gung.

„Der Schutz von schwer­kran­ken Geflüch­te­ten vor Abschie­bung muss gewähr­leis­tet wer­den. Genau des­we­gen unter­stüt­zen wir Betrof­fe­ne vor Gericht. Solan­ge die Regie­rung nicht han­delt, ist es drin­gend gebo­ten, dass die ver­fas­sungs­wid­ri­gen Nach­weis­pflich­ten zügig vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über­prüft wer­den“, sagt Peter von Auer, rechts­po­li­ti­scher Refe­rent bei PRO ASYL.

Vie­le Geflüch­te­te sind von Krieg und Ver­fol­gung schwer trau­ma­ti­siert und unter­ste­hen damit einem beson­de­ren Schutz. Ein Abschie­be­hin­der­nis besteht ins­be­son­de­re dann, wenn sich eine schwer­wie­gen­de psy­chi­sche Erkran­kung durch eine Abschie­bung wesent­lich ver­schlech­tern wür­de. Die Rea­li­tät sieht jedoch anders aus. Die gro­ße Koali­ti­on hat die Anfor­de­run­gen an den Nach­weis einer Erkran­kung in den ver­gan­ge­nen Jah­ren der­art ver­schärft, dass Betrof­fe­ne die­se prak­tisch nicht mehr erfül­len kön­nen. Ein krank­heits­be­ding­tes Abschie­bungs­ver­bot muss im Asyl­ver­fah­ren durch eine soge­nann­te qua­li­fi­zier­te ärzt­li­che Beschei­ni­gung nach­ge­wie­sen wer­den (§§ 60 Abs. 7 S. 2; 60a Abs. 2c Auf­enthG). Gera­de in Fäl­len psy­chisch erkrank­ter Geflüch­te­ter schei­tert die­ser Nach­weis an dem damit ver­bun­de­nen büro­kra­ti­schen Auf­wand, finan­zi­el­len Hür­den und feh­len­den Zugän­gen zur ärzt­li­chen Begut­ach­tung.

Geflüch­te­te müs­sen teu­re ärzt­li­che Beschei­ni­gung selbst bezah­len


Die Kos­ten für die ärzt­li­che Beschei­ni­gung müs­sen die Betrof­fe­nen selbst tra­gen, im Regel­fall meh­re­re hun­dert Euro – in etwa die Sum­me, die Geflüch­te­te für ihr kom­plet­tes Leben monat­lich zur Ver­fü­gung haben. Hin­zu kom­men Kos­ten für Dolmetscher*innen. Psy­chisch erkrank­te Betrof­fe­ne befin­den sich zudem meist nicht in psych­ia­tri­scher, son­dern in psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Behand­lung. Die­se wird in der Regel über die psy­cho­so­zia­len Zen­tren für Geflüch­te­te orga­ni­siert und finan­ziert. Die Begut­ach­tun­gen von Psychotherapeut*innen erfül­len nach bis­he­ri­ger Pra­xis von Behör­den und Gerich­ten nicht die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen, weil sie nicht durch eine*n Arzt*in erfol­gen.

„Die­se Abwer­tung psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Exper­ti­se ist sach­lich nicht nach­voll­zieh­bar. Die behan­deln­den Psychotherapeut*innen ken­nen die Patient*innen durch die Gesprä­che sehr gut und sind daher am bes­ten in der Lage, deren psy­chi­schen Gesund­heits­zu­stand zu beur­tei­len“, sagt Anna Buß­mann-Welsch, Refe­ren­tin für Rechts­po­li­tik der BAfF.

Ein­schät­zun­gen von Psy­cho­the­ra­peu­ten ernst neh­men


Der Aus­schluss psy­cho­the­ra­peu­ti­scher Exper­ti­se hält auch einer ver­fas­sungs­recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand. Bei einer erheb­li­chen Gefahr für Leib und Leben dür­fen kei­ne über­spann­ten Anfor­de­run­gen an die Mit­wir­kungs­pflicht gestellt wer­den.

„Behör­den und Gerich­te haben in sol­chen Fäl­len eine ver­fas­sungs­recht­li­che Auf­klä­rungs­pflicht. Sie müs­sen tat­säch­li­chen Anhalts­punk­ten für eine schwer­wie­gen­de Erkran­kung nach­ge­hen, ganz egal ob die Ein­schät­zung von einer Ärz­tin oder einem Psy­cho­the­ra­peu­ten kommt. Alles ande­re ist mit dem Grund­ge­setz, ins­be­son­de­re dem Schutz von Leben und Gesund­heit, nicht ver­ein­bar“, sagt Sarah Lin­coln, Juris­tin bei der GFF.

Bei Rück­fra­gen wen­den Sie sich bit­te an:
 
Peter von Auer, presse@proasyl.de 
Tele­fon: 069 / 24 23 14 30

Jani­na Zil­le­kens, presse@freiheitsrechte.org,
Tel. 030/549 08 10 55 oder 0157–92372643

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