07.03.2012

Deut­sche Asyl­ge­set­ze wider­spre­chen Euro­päi­schen Grund­rech­ten. Dies wird durch ein Rechts­gut­ach­ten von Dr. Rein­hard Marx (Frank­furt) bestä­tigt, das sich mit den Fol­gen eines Grund­satz­ur­teils des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) vom 21. Dezem­ber 2011 befasst und von Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen, Wohl­fahrts­ver­bän­den und Juris­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen in Auf­trag gege­ben wur­de. Gemein­sam for­dern die­se Ver­bän­de und Orga­ni­sa­tio­nen die Bun­des­re­gie­rung des­halb auf, die Asyl­ge­setz­ge­bung in Deutsch­land umge­hend zu ändern.

Das Gut­ach­ten kommt zu dem Ergeb­nis, dass der deut­sche Gesetz­ge­ber gewähr­leis­ten muss, dass Schutz­su­chen­den gegen ihre Abschie­bung in einen ande­ren EU-Mit­glied­staat effek­ti­ver Rechts­schutz gewährt wird. Ein blin­des Ver­trau­en, dass die Men­schen­rech­te von Asyl­su­chen­den in ande­ren Mit­glied­staa­ten beach­tet wer­den, steht nicht im Ein­klang mit EU-Recht.

Bis­lang hat die Bun­des­re­gie­rung die­sen Ver­bes­se­rungs­be­darf im Dub­lin-Ver­fah­ren zurück­ge­wie­sen. Der EuGH ver­pflich­tet die Mit­glied­staa­ten jedoch, sowohl die Auf­nah­me­be­din­gun­gen als auch das Asyl­ver­fah­ren im ande­ren Mit­glied­staat zu über­prü­fen, wenn vor­ge­tra­gen wird, dass dort „sys­te­mi­sche Män­gel“ vor­lie­gen. In einem sol­chen Fall hat die Abschie­bung zu unter­blei­ben; dies muss not­falls auch gericht­lich durch­setz­bar sein.

Für Deutsch­land führt das Urteil zu weit­rei­chen­dem gesetz­ge­be­ri­schen Ände­rungs­be­darf. Denn der­zeit wird es Asyl­su­chen­den per Gesetz ver­wehrt, sich gegen ihre dro­hen­de Abschie­bung in einem Eil­ver­fah­ren zur Wehr zu set­zen. In einem gemein­sa­men Schrei­ben haben sich die Orga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de, die das Gut­ach­ten in Auf­trag gege­ben haben, an Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Dr. Fried­rich und Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger gewandt und einen bes­se­ren Rechts­schutz für Asyl­su­chen­de gegen Abschie­bun­gen in ande­re EU-Staa­ten gefordert.

Der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on (EuGH) hat die recht­li­chen Grund­satz­fra­gen in dem genann­ten Urteil vom 21. Dezem­ber 2011 am Bei­spiel Grie­chen­lands ent­schie­den. Aus­zu­le­gen hat­te er dabei die soge­nann­te Dub­lin-II-Ver­ord­nung, die die Zustän­dig­keit der Mit­glied­staa­ten für Asyl­ver­fah­ren regelt. Das Urteil hat weit­rei­chen­de Fol­gen für die Pra­xis. Wenn vor­ge­tra­gen wird, dass zum Bei­spiel in Ita­li­en, Ungarn oder auf Mal­ta sys­te­mi­sche Män­gel vor­lie­gen, die zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Asyl­su­chen­den füh­ren, muss dem künf­tig nach­ge­gan­gen werden.

Das von Dr. Rein­hard Marx zu die­sem Grund­satz­ur­teil ver­fass­te Rechts­gut­ach­ten wur­de u.a. von Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Arbei­ter­wohl­fahrt Bun­des­ver­band e.V., Der Pari­tä­ti­sche Wohl­fahrts­ver­band, Deut­scher Anwalt­ver­ein, Deut­scher Cari­tas­ver­band e.V., Dia­ko­ni­sches Werk der EKD, Neue Richt­ver­ei­ni­gung und PRO ASYL in Auf­trag gegeben.

Gut­ach­ten zum EuGH-Urteil vom 21. Dezem­ber Kurz­fas­sung (PDF)

Gut­ach­ten zum EuGH-Urteil vom 21. Dezem­ber Lang­fas­sung (PDF)

 UNHCR belegt Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im unga­ri­schen Asyl­sys­tem (24.04.12)

 EuGH: Urteil zur EU-Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung Dub­lin II (21.12.11)

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