29.11.2022

Vor der am Mitt­woch begin­nen­den Kon­fe­renz der deut­schen Innenminister*innen (IMK) kri­ti­siert PRO ASYL die Ten­den­zen, unter­schied­li­che Flücht­lings­grup­pen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len. Eine Unter­schei­dung in „gute Flüchtlinge“ aus der Ukrai­ne und „schlech­te Flüchtlinge“ aus ande­ren Län­dern igno­riert die Lei­den vie­ler Schutz­su­chen­der und för­dert Ängs­te, Res­sen­ti­ments und Alar­mis­mus in der Gesell­schaft. Auch an den euro­päi­schen Außen­gren­zen müs­sen demo­kra­ti­sche und huma­ni­tä­re Wer­te ver­tei­digt und siche­re Flucht­we­ge geschaf­fen werden. 

„Men­schen müs­sen unge­ach­tet ihrer Nationalität, Her­kunft oder Reli­gi­on gleich behan­delt wer­den. Wir war­nen ent­schie­den davor, Stim­mung gegen Geflüch­te­te zu machen und so Vor­be­hal­te und Ras­sis­mus zu stär­ken. Wer von ‚ille­ga­ler Migra­ti­on‘ spricht oder sich wei­gert, nicht-ukrai­ni­sche Geflüchtete auf­zu­neh­men, gefährdet auch den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. Vor 30 Jah­ren muss­ten wir erle­ben, wie ras­sis­ti­sche Het­ze und eine alar­mis­ti­sche Dis­kus­si­on über das Recht auf Asyl zu zahl­lo­sen Brandanschlägen führte“, sagt Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL.

PRO ASYL appel­liert drin­gend an die Bundesländer, gera­de jetzt die Wer­te der deut­schen Ver­fas­sung zu ver­tei­di­gen und for­dert Ministerpräsident*innen und Kom­mu­nen auf, sich nicht gegen die Auf­nah­me von nicht-ukrai­ni­schen Schutz­su­chen­den zu stel­len. Auch Lan­des- und Bundespolitiker*innen müs­sen ihrer Ver­ant­wor­tung gerecht wer­den, rechts­staat­li­che Prin­zi­pi­en ein­hal­ten und deut­lich gegen Het­ze gegen Schutz­su­chen­de pro­tes­tie­ren, statt sie zu befeuern.

Gefähr­de­te in Afgha­ni­stan nicht vergessen

Doch Baden-Würt­tem­bergs Migra­ti­ons­mi­nis­te­rin Mari­on Gent­ges zum Bei­spiel will ihr Bun­des­land nicht am kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm für gefähr­de­te Afghan*innen betei­li­gen mit der Begrün­dung, es sei­en bereits Hun­der­tau­sen­de von Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne auf­ge­nom­men wor­den. PRO ASYL erwar­tet von den Bun­des­län­dern das Gegen­teil sol­cher Aus­sa­gen: Die Bun­des­län­der müs­sen zusätz­lich zum Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm eige­ne Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me star­ten. Dabei geht es beson­ders um Frau­en, Män­ner und Kin­der, die bereits Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge in Deutsch­land haben, aber die hohen Vor­aus­set­zun­gen für den Fami­li­en­nach­zug nicht erfül­len: Zum Bei­spiel gera­de voll­jäh­rig gewor­de­ne Kin­der, eine allein­ste­hen­de erwach­se­ne Schwes­ter oder alte Eltern, die wegen ihrer fami­liä­ren Kon­tak­te in „den Wes­ten“ hoch­gra­dig gefähr­det sind.

„Auch das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm für gefähr­de­te Afghan*innen selbst hat vie­le Män­gel. Ein gra­vie­ren­der Feh­ler ist, dass Men­schen, die in Nach­bar­län­der geflo­hen sind, sich nicht für das Pro­gramm bewer­ben dür­fen, obwohl sie auch dort noch in Gefahr sind. Das Pro­gramm muss für sie geöff­net wer­den. Zudem ist das gan­ze Ver­fah­ren intrans­pa­rent und zu kom­pli­ziert“, sagt Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL.

Es braucht siche­re Fluchtwege

Doch Äuße­run­gen wie die von Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser zu Unter­schei­dun­gen von Flücht­lings­grup­pen und angeb­li­cher ille­ga­ler Ein­rei­se sowie von CDU-Chef Fried­rich Merz zum angeb­li­chen Pull­fak­tor des der­zeit dis­ku­tier­ten Chan­cen­auf­ent­halts­rechts hin­ge­gen schü­ren Ängs­te und Alar­mis­mus und beför­dern einen Rechts­ruck in der Gesellschaft.

Die Poli­tik der Abschot­tung an den Außen­gren­zen Euro­pas ist geschei­tert: Sie brach­te kei­ne gere­gel­te Ein­rei­se, dafür aber extre­mes Leid bis hin zu Tau­sen­den von Toten. Die EU muss lega­le Flucht­we­ge schaf­fen, um das Leid und das Ster­ben von Hun­der­tau­sen­den Flücht­lin­gen zu been­den. Dafür müs­sen sich sowohl die deut­schen Innenminister*innen als auch die Bun­des­re­gie­rung ein­set­zen. Nur so kann die euro­päi­sche Gemein­schaft ihre demo­kra­ti­schen und huma­ni­tä­ren Wer­te bewah­ren und ihrer trans­na­tio­na­len Ver­ant­wor­tung gerecht werden.

Siche­re Flucht­we­ge füh­ren auch dazu, dass die Euro­päi­sche Uni­on nicht unter Druck gesetzt wer­den kann, wenn zum Bei­spiel der bela­rus­si­sche Dik­ta­tor Lukaschen­ko mit Visa­er­leich­te­run­gen eine neue Flucht­rou­te nach Euro­pa ermög­licht. „Wer sich nicht instru­men­ta­li­sie­ren oder unter Druck set­zen las­sen möch­te, rich­tet siche­re Flucht­we­ge ein und schafft Mau­ern, wie sie zum Bei­spiel gera­de in Polen gebaut wur­den, ab, die nur zu mehr Leid und Todes­fäl­len füh­ren“, sagt Alaows.

Die­se und wei­te­re For­de­run­gen, hat PRO ASYL an die IMK-Kon­fe­renz gesandt und hier ver­öf­fent­licht: https://www.proasyl.de/material/fluechtlingspolitische-anliegen-zur-tagung-der-innenministerkonferenz-im-november-2022/
Der dar­in gefor­der­te Abschie­be­stopp in den Iran wur­de bereits  ges­tern im Vor­feld der IMK beschlos­sen, PRO ASYL begrüßt dies. Eben­so müs­sen end­lich Abschie­bun­gen von Geflüch­te­ten aus­ge­setzt wer­den, die vom geplan­ten Chan­cen­auf­ent­halts­recht pro­fi­tie­ren werden.

Hin­weis:

Das Pro­test­bünd­nis IMK 2022 lädt zur Pres­se­kon­fe­renz ein für Mitt­woch, 30. Novem­ber, 10 bis 12 Uhr im Café Bel­le­vue di Mona­co, Mül­lerstra­ße 6, in München.

Es spre­chen:

  • Hossam Abdul­ha­lim, Jugend­li­che ohne Gren­zen, zu Blei­be­recht und Chan­cen-Auf­ent­halts­recht für Geflüchtete
  • Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher PRO ASYL, zur zuneh­men­den Ent­rech­tung Geflüch­te­ter an den deut­schen Gren­zen und den EU-Außengrenzen
  • N. zu Poli­zei­ge­walt und Racial Profiling
  • N. zur Gefähr­dung Schutz­su­chen­der in Anker­zen­tren und Sammellagern
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