24.01.2012

Die Asyl­an­trag­stel­ler­zah­len sind erneut gestie­gen, von 41.332 Fäl­len im Jahr 2010 auf 45.741 im Jahr 2011 (+11%). End­lich reagiert das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge und stockt die Zahl der Asy­l­ent­schei­der um 35 auf, wie Bun­des­amts­prä­si­dent Schmidt ankün­dig­te. Ob sich die rela­tiv lan­ge durch­schnitt­li­che Ver­fah­rens­dau­er (2010: über sie­ben Mona­te) damit redu­zie­ren lässt, ist unklar, da die Aus­bil­dung und Ein­ar­bei­tung der Ent­schei­der kei­ne Sache von eini­gen Wochen ist.

PRO ASYL kri­ti­siert in die­sem Zusam­men­hang die Absicht des Bun­des­am­tes, die zusätz­li­chen Mit­ar­bei­ter aus dem Bereich der Bun­des­wehr­ver­wal­tung zu rekru­tie­ren. Die Ent­schei­dung über Asyl­an­trä­ge ist eine hoch­spe­zia­li­sier­te Tätig­keit, die nicht nur Rechts- und Län­der­kennt­nis­se vor­aus­setzt, son­dern auch inter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz sowie die Fähig­keit zu sen­si­bler Kom­mu­ni­ka­ti­on und Empathie.

Die Logik die­ser Per­so­nal­be­schaf­fungs­maß­nah­me ist schlicht: Wo Bun­des­wehr­stand­or­te und –Per­so­nal abge­baut wer­den, drän­gen sich dem Dienst­herr Bund die Ver­sor­gungs­fäl­le auf. Aus dem Mili­tär­nach­lass hat man sich bei der Unter­brin­gung und Ver­sor­gung von Flücht­lin­gen schon häu­fi­ger bedient. So wur­den Asyl­su­chen­de in den neun­zi­ger Jah­ren in auf­ge­ge­be­nen Objek­ten der DDR-Grenz­trup­pen und der NVA unter­ge­bracht – abschre­ckend, weil abge­le­gen. Auch unter den Ent­schei­dern waren Ex-Sol­da­ten bereits in der Ver­gan­gen­heit gut vertreten.

Auch die Sta­tis­tik des Jah­res 2011 legt wie­der nahe, dass zwi­schen Zugangs­zah­len und Aner­ken­nungs­quo­ten ein Zusam­men­hang besteht, den es eigent­lich nicht geben dürf­te. Die Schutz­quo­te (Sum­me aller posi­ti­ven Ent­schei­dun­gen) lag im Jahr 2011 bei 22,3 Pro­zent und fiel damit gegen­über dem Vor­jahr (2010: 21,6%) nur gering­fü­gig höher aus. 2009 lag die Zahl der Antrag­stel­ler bei nur 27.649 – die Schutz­quo­te betrug damals noch 33 Prozent.

Ange­sichts der Tat­sche, dass sich die Situa­ti­on in vie­len Kriegs- und Kri­sen­staa­ten, die auf der Lis­te der Haupt­her­kunfts­län­der ste­hen, im letz­ten Jahr noch­mals ver­schärft hat, bedür­fen die­se Zah­len eine Erklä­rung von Sei­ten des Bun­des­amts – einer poli­ti­schen, nicht einer statistischen.

Die meis­ten Asyl­ge­su­che kamen im Jahr 2011 aus dem wei­ter von Unsi­cher­heit gepräg­ten Afgha­ni­stan und dem Irak. Man braucht kei­ne pro­gnos­ti­schen Fähig­kei­ten, um einen wei­te­ren Anstieg vor­aus­zu­se­hen, Aus dem Iran flie­hen mit Schei­tern der Demo­kra­tie­be­we­gung kon­ti­nu­ier­lich Men­schen, wäh­rend sich die Zahl der syri­schen Antrag­stel­ler vor dem Hin­ter­grund des aktu­el­len Regime­ter­rors gar ver­dop­pelt hat.

Dass sich Ser­bi­en unter den Haupt­her­kunfts­staa­ten fin­det, ist Fol­ge der extre­men Armut, der fort­dau­ern­den Aus­gren­zung und der ras­sis­ti­schen Ver­fol­gung, unter der ins­be­son­de­re Roma dort lei­den. Wenn Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Fried­rich in die­sem Zusam­men­hang ver­spricht, Asyl­su­chen­de aus Ser­bi­en zügig abzu­leh­nen, um die „Belas­tung der öffent­li­chen Haus­hal­te mög­lichst zu mini­mie­ren“, ohne dabei zu erwäh­nen, dass Roma in vie­len ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten rechts­extre­me Angrif­fe fürch­ten müs­sen und durch extre­me Aus­gren­zung am Ran­de der Müll­hal­den zu leben gezwun­gen sind, setzt er der ras­sis­ti­schen Stim­mungs­ma­che gegen die am stärks­ten dis­kri­mi­nier­te Min­der­heit Euro­pas nichts ent­ge­gen – im Gegenteil.

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