27.04.2023

PRO ASYL warnt vor Aus­he­be­lung des Zugangs zum Recht auf Asyl und Auf­wei­chung der EMRK.

Die Zahl der nach Deutsch­land Geflüch­te­ten ist ver­gleichs­wei­se hoch und schon wird wie­der eine Asyl­de­bat­te los­ge­tre­ten, die den Geflüch­te­ten das Recht auf Schutz abspricht. CDU/CSU rufen nach Grenz­schlie­ßun­gen, Stopp von Auf­nah­men und nach mehr Abschie­bun­gen. Mor­gen, vor­aus­sicht­lich um 10:20 Uhr, soll der Antrag der CDU /CSU mit dem irre­füh­ren­den Titel „Für Huma­ni­tät und Ord­nung“ (BT-Druck­sa­che 20/6540) im Bun­des­tag bera­ten werden.

Der flücht­lings­po­li­ti­sche Spre­cher von PRO ASYL, Tareq Alaows, appel­liert an die CDU/CSU, sich den Her­aus­for­de­run­gen der Flucht vor Krieg und Ver­fol­gung zu stel­len, anstatt mit „aktio­nis­ti­schen Vor­schlä­gen, die nur unter Preis­ga­be von Rechts­staat­lich­keit umzu­set­zen sind, Stim­mung zu machen.“ Die Vor­schlä­ge der CDU/C­SU-Frak­ti­on im Bun­des­tag „zie­len auf die Aus­he­be­lung des Rechts auf Asyl und die Auf­wei­chung der EMRK ab, die auch Abschie­bun­gen ins Elend inner­halb der EU ver­bie­tet,“ warnt Alaows.

Der PRO ASYL Fak­ten­check zeigt: Die meis­ten Asyl­su­chen­den bekom­men Schutz und das ver­meint­li­che Abschie­bungs­de­fi­zit ist kom­ple­xer als die Schlag­zei­len sug­ge­rie­ren. Ja, es kom­men aktu­ell vie­le schutz­su­chen­de Men­schen nach Deutsch­land. Nein, das ist kein Grund zur Panik. Es ist ins­be­son­de­re kein Grund, um Grenz­schlie­ßun­gen, Abschot­tung und »kon­se­quen­te Rück­füh­run­gen« zu for­dern, wie die Uni­on um Fried­rich Merz es aktu­ell tut – denn so wird Men­schen auf der Flucht der Weg in die Sicher­heit ver­sperrt. Im letz­ten Jahr hat Deutsch­land 1,2 Mil­lio­nen geflüch­te­te Men­schen auf­ge­nom­men. Rund eine Mil­li­on flo­hen vor den rus­si­schen Bom­ben aus der Ukrai­ne. 200.000 Men­schen stell­ten einen Asyl­an­trag – die Hälf­te von ihnen kam aus Syri­en und Afgha­ni­stan, wo die Regime bekann­ter­ma­ßen schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ver­üben. In den ers­ten drei Mona­ten 2023 haben rund 81.000 Men­schen erst­ma­lig Asyl in Deutsch­land beantragt.

Das sei schon mal vor­an­ge­stellt: Die meis­ten aktu­ell nach Deutsch­land flie­hen­den Men­schen haben ein Recht auf Schutz, die Schutz­quo­te liegt auf dem Rekord­hoch von 70 %. Trotz­dem wird unter dem Deck­man­tel angeb­lich »irre­gu­lä­rer Migra­ti­on« eine Debat­te los­ge­tre­ten, wie der Zugang zum Recht auf Asyl ver­sperrt wer­den kann. Auch das angeb­li­che Voll­zugs­de­fi­zit bei Abschie­bun­gen hat poli­tisch ein­mal mehr Hoch­kon­junk­tur. Anlass genug, um einen genau­en Blick auf die Zah­len und die Begrif­fe der aktu­el­len Debat­te zu werfen.

Hoher Schutz­be­darf zeigt sich in den Schutzquoten

Die Hälf­te der Asyl­su­chen­den in Deutsch­land kommt allein aus den bei­den Staa­ten Syri­en und Afgha­ni­stan. In den Top 10 der Asyl-Her­kunfts­län­der sind mit der Tür­kei, dem Irak, dem Iran, oder Soma­lia und Eri­trea wei­te­re Län­der zu fin­den, in denen bewaff­ne­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen statt­fin­den oder auto­ri­tä­re Regimes herr­schen. Dem­zu­fol­ge lag die Schutz­quo­te trotz wei­ter­hin restrik­ti­ver Ent­schei­dungs­pra­xis beim BAMF im ver­gan­ge­nen Jahr bei 72 %, im lau­fen­den Jahr ist sie mit 71 % nahe­zu unver­än­dert. Fast drei von vier Asyl­su­chen­den erhal­ten also Schutz vom BAMF. Dar­in nicht ein­ge­rech­net sind die vie­len Tau­send Men­schen, die vom BAMF abge­lehnt und erst spä­ter von den Gerich­ten als schutz­be­rech­tigt aner­kannt wer­den. Mehr als ein Drit­tel der von Gerich­ten inhalt­lich über­prüf­ten BAMF-Beschei­de erwies sich 2022 als falsch und wur­de aufgehoben.

Was „Ein­däm­mung ille­ga­ler Migra­ti­on“ genannt wird, bedeu­tet also viel mehr, Schutz­be­dürf­ti­gen den Schutz zu ver­wei­gern. Wenn die Vor­schlä­ge umge­setzt wer­den, heißt das, dass Men­schen, die vor Ver­fol­gung, schwer­wie­gen­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen oder Krie­gen flie­hen, in den meis­ten Fäl­len den Zugang zum Asyl­ver­fah­ren und zum benö­tig­ten Schutz ver­wei­gert wird. Statt über die Schutz­be­dürf­tig­keit der Men­schen zu spre­chen, wird über den Schutz der Gren­zen dis­ku­tiert. Die Kriegs­flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne haben das Glück, kein Visum für die Ein­rei­se zu benö­ti­gen, sonst wären auch sie mög­li­cher­wei­se Teil der Debat­te um die Ein­däm­mung der „ille­ga­len Migration“.

Die „ille­ga­len Ein­rei­sen“ wer­den viel zitiert, aber es ist nicht so ein­fach, wie sug­ge­riert wird: Zwar ist die Ein­rei­se von Men­schen aus Syri­en oder Afgha­ni­stan nicht legal, wenn sie kein Visum haben. Aller­dings gibt es kein Visum für Schutz­su­chen­de. Die Men­schen haben also gar kei­ne ande­re Wahl, als in der Regel nicht legal ein­zu­rei­sen, wenn sie in Deutsch­land Schutz suchen möch­ten. Aus die­sem Grund stellt die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on die „ille­ga­le Ein­rei­se“ unter Straf­frei­heit, da ansons­ten die meis­ten Men­schen ihr völ­ker­recht­lich ver­brief­tes Recht auf Asyl gar nicht wahr­neh­men könnten.

Hin­ter der For­de­rung, „ille­ga­le Migra­ti­on“ zu ver­hin­dern, steckt also oft der Plan, Men­schen auf der Flucht grund­sätz­lich zu stop­pen. In der Pra­xis bedeu­tet dies an vie­len Außen­gren­zen der EU bru­ta­le und ille­ga­le Push­backs, die das Leben der Men­schen gefähr­den. Es ist absurd: Wenn die Men­schen erst ein­mal hier sind, bekom­men sie auch den ihnen zuste­hen­den Schutz. Aber der Weg zum Schutz wird ihnen mög­lichst schwer gemacht.

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