09.08.2022

PRO ASYL ver­öf­fent­licht und unter­stützt den Appell eva­ku­ier­ter Frau­en aus Afgha­ni­stan und for­dert die Bun­des­re­gie­rung auf, end­lich mehr für die Auf­nah­me gefähr­de­ter Men­schen aus Afgha­ni­stan zu tun. Das Orts­kräf­te­ver­fah­ren muss refor­miert und die Auf­nah­me über Huma­ni­tä­re Visa muss, auch nach­dem ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm in Kraft tritt, fort­ge­führt werden. 

Die meis­ten von ihnen haben es geschafft: 31 Frau­en der Grup­pe „United Voice of Women for Peace“, die durch das ehe­ma­li­ge afgha­ni­sche Frie­dens­mi­nis­te­ri­um ins Leben geru­fen wur­de, sind in Deutsch­land oder auf dem Weg dort­hin. Die ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im afgha­ni­schen Frie­dens­mi­nis­te­ri­um, Dr. Ale­ma, wur­de kurz nach der Macht­er­grei­fung durch die Tali­ban aus Afgha­ni­stan nach Deutsch­land eva­ku­iert. Zusam­men mit PRO ASYL gelang es ihr für 31 Frau­en der Grup­pe ein huma­ni­tä­res Visum nach § 22 Absatz 2 Auf­ent­halts­ge­setz zu erlan­gen. Für drei wei­te­re Mit­glie­der der Grup­pe sind eben­falls Visum­an­trä­ge ein­ge­reicht, die noch in Bear­bei­tung beim Aus­wär­ti­gen Amt (AA) sind. Ins­ge­samt hat­ten sich 34 Frau­en der Grup­pe an Dr. Ale­ma und PRO ASYL gewandt, mit der Bit­te um Unter­stüt­zung bei der Flucht aus Afghanistan.

Auf Ein­la­dung von PRO ASYL tra­fen sich am 4. August ein Groß­teil der Grup­pe in Frank­furt. Schnell wur­de deut­lich, dass trotz der Erleich­te­rung über die eige­ne Sicher­heit die Sor­ge um die Zurück­ge­blie­be­nen andauert:

„Wir wur­den aus der Höl­le geret­tet. Jetzt sind wir in Deutsch­land und in Frei­heit. Aber die grau­sa­men Taten der Tali­ban gegen­über Tau­sen­den wei­te­ren Frau­en und Män­nern, die Ähn­li­ches erlei­den wie wir, gehen uns nicht aus dem Kopf. Auch ein Jahr nach der Macht­über­nah­me der Tali­ban war­ten Zehn­tau­sen­de immer noch auf eine Auf­nah­me­zu­sa­ge und ihre Eva­ku­ie­rung. Der Pro­zess, bis eine Per­son end­lich aus Afgha­ni­stan aus­rei­sen darf, dau­ert viel zu lange.“

Daher haben die Akti­vis­tin­nen einen ein­dring­li­chen Appell an die deut­sche Bun­des­re­gie­rung und an die Welt­ge­mein­schaft for­mu­liert. Unter ande­rem for­dern sie darin,

  • dass die Auf­nah­me über huma­ni­tä­re Visa nach § 22 Absatz 2 Auf­ent­halts­ge­setz auch neben einem künf­ti­gen Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm fort­ge­führt wird,
  • dass für das Orts­kräf­te­ver­fah­ren der Begriff „Orts­kraft“ auf alle ent­lohn­ten und ehren­amt­li­chen Tätig­kei­ten für deut­sche Insti­tu­tio­nen, Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men sowie Sub­un­ter­neh­men aus­ge­wei­tet wird,
  • ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm,
  • eine Beschleu­ni­gung des Fami­li­en­nach­zugs und eine Anpas­sung des Begriffs Fami­lie auf die Lebens­rea­li­tät in Afghanistan.

PRO ASYL schließt sich den For­de­run­gen voll­um­fäng­lich an und befürch­tet zugleich, dass das AA und das BMI pla­nen, die Ertei­lung von huma­ni­tä­ren Visa künf­tig wie­der äußerst restrik­tiv zu hand­ha­ben und auf weni­ge hand­ver­le­se­ne Fäl­le zu beschrän­ken. In der Zwi­schen­bi­lanz sechs Mona­te „Akti­ons­plan Afgha­ni­stan“ des AA heißt es: „Das im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bar­te Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm für Afgha­ni­stan befin­det sich aber noch immer im Auf­bau. Der Bun­des­tag hat hier­für Mit­tel zur Ver­fü­gung gestellt. Aktu­ell lau­fen die Abstim­mun­gen zwi­schen BMI und Aus­wär­ti­gen Amt. Bis zu des­sen Ver­wirk­li­chung wur­de für beson­ders drin­gen­de Fäl­le ein ver­ein­fach­tes Ver­fah­ren für huma­ni­tä­re Visa ver­ein­bart.“ [Her­vor­he­bung durch PRO ASYL]

Das heißt, Menschenrechtsverteidiger*innen in Afgha­ni­stan, die akut gefähr­det sind und es nicht ins Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm schaf­fen, haben künf­tig das Nach­se­hen. Für die Bear­bei­tung von huma­ni­tä­ren Visa nach §22 Abs. 2 Auf­enthG ist das AA zustän­dig, für den kom­pli­zier­ten Aus­wahl- und Umset­zungs­pro­zess eines Bun­des­auf­nah­me­pro­gram­mes nach §23 Auf­enthG das BMI. Im Koali­ti­ons­ver­trag hat die Ampel, die Ertei­lung von huma­ni­tä­ren Visa ver­spro­chen. Dies ist nicht gekop­pelt an ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm über des­sen Umfang seit Mona­ten gestrit­ten wird und das abseh­bar viel zu eng gestrickt ist. „Wir for­dern, dass die Ampel zu den Ver­spre­chen steht und nicht mit fau­len Aus­re­den und Sprach­trick­se­rei­en die Ertei­lung von huma­ni­tä­ren Visa ein­stellt“, warnt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. „Wer akut in Gefahr ist, muss sofort geret­tet wer­den. Des­halb müs­sen huma­ni­tä­re Visa kon­ti­nu­ier­lich auch wei­ter­hin erteilt wer­den. Minis­te­rin Baer­bock muss als ers­ten Schritt dafür sor­gen, dass in ihrem Haus die hoch­gra­dig gefähr­de­ten Fäl­le bear­bei­tet wer­den und dann an das BMI wei­ter­ge­lei­tet werden.“

Hin­ter­grund

Die Grup­pe „United Voice of Women for Peace“ wur­de im Jahr 2019 durch das Frie­dens­mi­nis­te­ri­um der dama­li­gen afgha­ni­schen Regie­rung ins Leben geru­fen, um das für den Frie­dens­pro­zess zustän­di­ge Ver­hand­lungs­team der afgha­ni­schen Regie­rung zu bera­ten und mit Kon­zep­ten zur Frie­dens­stra­te­gie zu unter­stüt­zen. Die Grup­pe umfass­te vie­le Frau­en in der Haupt­stadt Kabul und in allen 34 Pro­vin­zen Afgha­ni­stans, die sich als Frau­en- und Men­schen­recht­le­rin­nen mutig für das ein­setz­ten, was die Tali­ban ver­ach­ten und bekämp­fen: glei­che Rech­te für Frau­en und Män­ner, eine demo­kra­ti­sche Ver­fas­sung, Frie­den und Frei­heit. Bereits zum Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag am 8. März 2022 hat­ten sie sich mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL mit dem Appell „Holt uns hier raus!“ an die deut­sche Bun­des­re­gie­rung gewandt.

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