PRO ASYL: Die Bundesländer müssen Haltung zeigen und sich gegen das Gesetzesvorhaben klar positionieren
PRO ASYL appelliert an den Bundesrat, das »Gesetz zur Einstufung von Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten« zu stoppen. Weder die Menschenrechtslage in diesen Staaten noch die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) lassen diese Einstufung zu.
Aus gutem Grund haben sich die Bundesländer bislang dagegen gesperrt, die Maghreb-Staaten als »sichere Herkunftsländer« einzustufen. Amnesty International und PRO ASYL hatten während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach auf die kritische Menschenrechtslage in den Maghreb-Ländern aufmerksam gemacht. ZEIT Online hatte am 30. Oktober interne Dokumente des BAMF veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Maghreb-Staaten keine sicheren Herkunftsstaaten sind. Den Versuch, mit begleitendem Wahlkampfgetöse ein menschenrechtswidriges und verfassungswidriges Gesetz wider jede Faktenlage durchzuboxen, kritisiert PRO ASYL scharf.
Laut BVerfGE muss die Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen. Es muss u.a. gewährleistet sein, dass im Herkunftsland keine Folter oder unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Das ist in den Maghreb-Staaten nicht der Fall.
Die ZEIT schreibt bei ihrer Auswertung: »Vergleicht man diese internen Einschätzungen des Bamf mit den Aussagen, die im Gesetz der Bundesregierung stehen, entsteht der Eindruck, die Regierung spiele die Gefährdung in Nordafrika bewusst herunter. So heißt es etwa im Gesetz über Marokko: »Politische Verfolgung findet nicht statt«, und über Algerien: »Der Grundrechtsschutz in der algerischen Verfassung ist hoch« In den internen Bamf-Leitlinien fällt die Einschätzung anders aus. Verfolgung seitens des Staates, so heißt es dort, könne in beiden Ländern nicht ausgeschlossen werden. Die Bamf-Experten urteilen auch grundlegend anders, wenn es um die Verfolgung von Frauen und Homosexuellen, um Menschenhandel und um Religionsfreiheit geht.«
Die Situation dort hat sich seitdem nicht verbessert, weiterhin kann bestimmten Personengruppen wie Homosexuellen oder kritischen Journalist*innen und Aktivist*innen politische Verfolgung und Folter drohen. Daher ist es notwendig, dass Asylanträge aus diesen Staaten weiterhin individuell und gründlich geprüft werden, anstatt die Länder pauschal für »sicher« zu erklären.
Die Situation von Frauen wird durch das BAMF deutlich kritischer gesehen, als die Bundesregierung dies in der Gesetzesbegründung angibt: »Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar«, arrangierte Ehen, auch mit Minderjährigen, seien nicht ungewöhnlich. Und: »Der marokkanische Staat ist (…) nicht in der Lage, den betroffenen Frauen angemessenen Schutz vor häuslicher oder familiärer Gewalt zu bieten«. Auch in Algerien sei die Vergewaltigung in der Ehe ein »alltägliches Problem«.
Ebenso wird eine Verfolgung von Homosexuellen nicht ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil, das BAMF geht für Tunesien sogar davon aus, dass Betroffenen Verfolgung durch die Behörden drohen kann. »Homosexuelle müssten durchaus Verfolgung und Strafen fürchten. Bei bekannt gewordener Homosexualität könne »schutzrelevante Verfolgung durch die Behörden drohen«, heißt es in den Bamf-Richtlinien.«