04.05.2009

Kri­ti­sche Exper­ten­stim­men in der Bun­des­tags­an­hö­rung zum Asylbewerberleistungsgesetz

„Das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz in sei­ner jet­zi­gen Form ver­stößt nicht nur gegen das Grund­ge­setz, son­dern auch gegen gel­ten­des Euro­pa- und Völ­ker­recht.“ So ein­deu­tig for­mu­liert dies die Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft der frei­en Wohl­fahrts­pfle­ge e.V. in einer Stel­lung­nah­me in der heu­ti­gen Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­rung des Bun­des­tags­aus­schus­ses für Arbeit und Sozia­les. Ent­ge­gen der Geset­zes­be­grün­dung han­de­le es sich bei vie­len Men­schen, die Leis­tun­gen nach dem Gesetz bezö­gen, nicht um sol­che mit einem ledig­lich vor­über­ge­hen­den, kur­zen und abseh­ba­ren Auf­ent­halt. So habe das Bun­des­so­zi­al­ge­richt im Novem­ber 2008 über den Fall einer Koso­va­rin mit ihrer Toch­ter ent­schei­den müs­sen, die 1992 ein­ge­reist war und seit­dem nur Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz erhal­ten hatte.

Beson­ders hef­tig kri­ti­siert die Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft der Frei­en Wohl­fahrts­pfle­ge die Redu­zie­rung der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung auf Akut­er­kran­kun­gen und Schmerz­zu­stän­de. Die Wohl­fahrts­ver­bän­de unter­stüt­zen den Antrag der Grü­nen mit dem Ziel der Abschaf­fung des Gesetzes.

Skan­da­lö­se Zustän­de bei der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz schil­der­te auch die Sach­ver­stän­di­ge Andrea Ver­ga­ra Marin vom Dia­ko­ni­schen Werk Pots­dam. Pro­ble­ma­tisch erschei­ne vor allem, dass von Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten beur­teilt wer­de, ob eine Behand­lung erfor­der­lich sei oder nicht. Debat­ten über die Kos­ten­über­nah­me und die not­wen­di­gen Behand­lun­gen führ­ten in der Pra­xis häu­fig zur Ver­schlech­te­rung des Gesund­heits­zu­stan­des. Die Sach­ver­stän­di­ge stell­te auch aus­führ­lich den dis­kri­mi­nie­ren­den Cha­rak­ter der Sach­leis­tungs­ver­sor­gung dar.

Georg Clas­sen vom Flücht­lings­rat Ber­lin wies dar­auf hin, dass mit dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz durch den Gesetz­ge­ber eine Not­la­ge künst­lich erzeugt wer­de. Dies sol­le der Abschre­ckung ande­rer Flücht­lin­ge die­nen. Die Aus­gren­zung mache die Betrof­fe­nen auf Dau­er psy­chisch und phy­sisch krank.

Weit ent­fernt von der Pra­xis ist dage­gen die Bun­des­ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de, die gegen alle Fak­ten behaup­tet, dass im Bereich der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung „die not­wen­di­gen Behand­lun­gen immer über­nom­men wor­den sind, sodass auch hier eine umfas­sen­de sach­ge­rech­te Ver­sor­gung gewähr­leis­tet ist.“

In kna­cki­ger Kür­ze äußer­te sich das Kom­mis­sa­ri­at der Deut­schen Bischö­fe. Man habe bereits wie­der­holt dar­ge­legt, dass das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz kei­ne Exis­tenz­be­rech­ti­gung habe. Die Vor­stel­lung, es gehe nur um die Rege­lung eines kurz­fris­ti­gen Auf­ent­hal­tes, stim­me nicht mit den Rea­li­tä­ten über­ein. Flücht­lin­ge, die heu­te noch nach Deutsch­land gelang­ten, hiel­ten sich z.T. vie­le Jah­re in Deutsch­land auf und sei­en auf Inte­gra­ti­ons­an­ge­bo­te ange­wie­sen. Damit sei die Geschäfts­grund­la­ge für das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz auch in die­ser Hin­sicht entfallen.

PRO ASYL hat das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz immer als dis­kri­mi­nie­ren­des Son­der­ge­setz abgelehnt.

gez. Bernd Mesovic

Refe­rent

Hin­weis: Die Zusam­men­stel­lung der Stel­lung­nah­men der Sach­ver­stän­di­gen zur öffent­li­chen Anhö­rung des Bun­des­tags­aus­schus­ses für Arbeit und Sozia­les zum Antrag auf Abschaf­fung des Asyl­bLG fin­den Sie unter www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/16(11)1350.pdf.

 BVerfG: Kri­ti­sche Fra­gen von der Rich­ter­bank (21.06.12)

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