19.01.2011

Wie einem Bericht der tages­zei­tung von heu­te zu ent­neh­men ist, hat der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter de Mai­ziè­re ab sofort alle Über­stel­lun­gen von Asyl­su­chen­den nach Grie­chen­land gestoppt und ange­kün­digt, die Zustän­dig­keit für die Asyl­ver­fah­ren zu über­neh­men. Es geht um Fäl­le, in denen nach der EU-Zustän­dig­keits­ver­ord­nung „Dub­lin II“ eigent­lich Grie­chen­land für das Asyl­ver­fah­ren zustän­dig gewe­sen wäre. Aller­dings kön­nen EU-Staa­ten jedes Asyl­ver­fah­ren aus huma­ni­tä­ren Grün­den an sich zie­hen. Von die­ser Mög­lich­keit hat das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um nun Gebrauch gemacht. Damit kön­nen Asyl­su­chen­de, die über Grie­chen­land nach Deutsch­land kom­men, hier ihr Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen. Dies gilt für ein Jahr.

PRO ASYL begrüßt den Stopp der Dub­lin-Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land als längst über­fäl­li­gen Schritt. „Für die Betrof­fe­nen stellt es eine gro­ße Erleich­te­rung dar, nun Gewiss­heit über ihren Ver­bleib in Deutsch­land zu haben. Dies ändert nichts dar­an, dass das EU-Ver­tei­lungs­sys­tem an der Wur­zel krank ist“, sag­te Marei Pel­zer, rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin von PRO ASYL. Es schiebt die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz den EU-Staa­ten an den Außen­gren­zen zu – ohne hin­rei­chen­de Wür­di­gung der indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se der Flücht­lin­ge und ohne Rück­sicht auf die Lage in den betref­fen­den Staa­ten. PRO ASYL for­dert eine ande­re Wei­chen­stel­lung bei der Ver­tei­lung von Asyl­su­chen­den in der EU. Das Dub­lin II-Sys­tem muss grund­le­gend revi­diert werden.

Mit der nun getrof­fe­nen Rege­lung ver­mei­det das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um ein Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, das den Betrof­fe­nen mög­li­cher­wei­se mehr Rechts­schutz ver­schafft hät­te. In der münd­li­chen Ver­hand­lung im Okto­ber hat­te das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt deut­lich gemacht, dass es die beschö­ni­gen­de Sicht­wei­se des Innen­mi­nis­ters de Mai­ziè­re auf die Ver­hält­nis­se in Grie­chen­land nicht teilt.

PRO ASYL kri­ti­siert, dass die Lauf­zeit der Rege­lung mit einem Jahr zu kurz bemes­sen ist. Es ist nicht davon aus­zu­ge­hen, dass sich die Lage in Grie­chen­land in einem Jahr der­ar­tig ver­bes­sert haben wird, dass dann Flücht­lin­ge dort­hin über­stellt wer­den könn­ten. Seit Jah­ren doku­men­tiert  PRO ASYL die unhalt­ba­ren Zustän­de für Flücht­lin­ge in Grie­chen­land. Es exis­tiert weder ein men­schen­wür­di­ges Auf­nah­me­sys­tem noch wer­den rechts­staat­li­che Mini­mal­stan­dards in den Asyl­ver­fah­ren eingehalten.

PRO ASYL bedau­ert es, dass die Grund­satz­fra­gen nun unge­klärt blei­ben. Sie müs­sen nun auf euro­päi­scher Ebe­ne ent­schie­den wer­den. Am kom­men­den Frei­tag wird der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te in Straß­burg eben­falls zu dro­hen­den Über­stel­lun­gen von Asyl­su­chen­den nach Grie­chen­land im Rah­men des EU-Zustän­dig­keits­sys­tems Dub­lin II ent­schei­den. Außer­dem haben meh­re­re euro­päi­sche Gerich­te das obers­te Gericht der EU – den EuGH in Luxem­burg – ange­ru­fen und um Klä­rung der strit­ti­gen Fra­gen gebeten.

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 Straß­bur­ger Urteil zum Dub­lin-Sys­tem (24.01.11)

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