Mit einem gemeinsamen Positionspapier fordert ein Bündnis bestehend aus Amnesty International, AWO, Caritas, Diakonie, Deutscher Anwaltsverein, Deutsches Rotes Kreuz, Neue Richtervereinigung, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und PRO ASYL eine grundlegende Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik.
Die Organisationen werfen der EU Völkerrechtsverletzungen vor, wenn Schutzsuchende durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex auf dem offenen Meer zurückgedrängt werden. Deutschland stelle dafür Hubschrauber zur Verfügung und leiste damit Beihilfe zum völkerrechtswidrigen Verhalten. „Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch auf Hoher See“, betont Rechtsanwalt Reinhard Marx, „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass es den Vertragsstaaten nicht erlaubt ist, die Konventionen im eigenen Hoheitsgebiet oder außerhalb des eigenen Territoriums zu verletzen. Aufgegriffenen Asylsuchenden muss ein wirksamer Zugang zu einem Asylverfahren in der EU gewährt werden.“
Die Organisationen fordern eine faire Teilung der Verantwortung bei der Verteilung von Flüchtlingen in den Mitgliedstaaten. In der Dublin II-Verordnung ist festgelegt, dass der Staat, über den Schutzsuchende die EU erreichen, für die Behandlung des Asylsuchenden zuständig ist. Dadurch werden insbesondere die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der EU wie Griechenland oder Malta mit einem hohen Zugang konfrontiert. Weil diese Staaten mit der Verantwortung allein gelassen werden, greifen sie zu einer rigiden Grenzpolitik und drastischen Abschottungsmaßnahmen. Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL: „Tausende von Toten an den EU-Außengrenzen, dramatische Defizite in der Qualität der Asylverfahren und in der Unterbringung von Asylbewerbern und die Inhaftierung von Schutzsuchenden sind ein Skandal – und mittelbare Folge des Dublin II-Systems.“
Amnesty International und PRO ASYL wenden sich gegen die im derzeit auf EU-Ebene verhandelten „Stockholmer Programm“ vorgesehene Ausweitung der europäischen Abschottungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge in Transit- und Herkunftsstaaten und die Zusammenarbeit mit diesen Staaten unter Missachtung der Menschenrechte. „Die EU darf den „Türsteherjob“ beim Zugang zur Festung Europa nicht auf Transitstaaten verlagern“ sagte Wiebke Hennig, Flüchtlingsreferentin von Amnesty International. „Staaten wie Libyen oder Mauretanien sind kein Schutz-Raum für Flüchtlinge, sondern weisen ihrerseits eine hochproblematische Menschenrechtsbilanz auf.“ Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn die EU Transitländer dabei unterstützt, ein funktionierendes Schutzsystem zu errichten. Die fortbestehenden gravierenden Schutzdefizite in Drittländern dürfen jedoch nicht verschleiert und die Unterschiede in den nationalen Schutzkapazitäten und der Bedarf nach mehr Solidarität im internationalen Flüchtlingsschutz müssen anerkannt und berücksichtigt werden.
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