02.05.2012

Ver­tre­ter von Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen haben eine Dele­ga­ti­on des nie­der­säch­si­schen Land­tags in den Koso­vo beglei­tet und sich dort über die Lebens­be­din­gun­gen von abge­scho­be­nen Roma und ande­ren Min­der­hei­ten­an­ge­hö­ri­gen informiert.

“Den Abge­scho­be­nen fehlt es oft am Aller­nö­tigs­ten, in vie­len Fäl­len sind noch nicht mal zeit­na­he Unter­brin­gung und Ernäh­rung gesi­chert”, so der Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Dr. Ste­phan Dünn­wald, der die Dele­ga­ti­on für den Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen und PRO ASYL beglei­te­te. “Die Hilfs­pro­gram­me für Abge­scho­be­ne exis­tie­ren teils nur auf dem Papier, auch decken sie, wie das deut­sche URA 2 Pro­jekt, nur die ers­ten Mona­te ab.” PRO ASYL und der Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen for­dern daher den sofor­ti­gen Stopp aller Abschie­bun­gen in den Kosovo.

Durch die Abschie­bun­gen wer­den die Betrof­fe­nen aus ihrem bis­he­ri­gen Lebens­um­feld her­aus­ge­ris­se­nen und ste­hen im Koso­vo in den meis­ten Fäl­len vor dem Nichts. Der Schock der Abschie­bung lässt vor allem Fami­li­en in Angst und Apa­thie erstar­ren. Seit dem Abschluss des Rück­nah­me­über­ein­kom­mens mit dem Koso­vo im Jahr 2010 wur­den über 1000 Men­schen aus Deutsch­land in den Koso­vo abgeschoben.

Ken­an Emi­ni vom Roma Cen­ter Göt­tin­gen e.V. und der Kam­pa­gne „alle blei­ben!“, der die Dele­ga­ti­on zur Ver­tre­tung der Inter­es­sen der Roma beglei­te­te, erklärt: „Das Koso­vo ist als armes und im Auf­bau befind­li­ches Land nicht in der Lage, die vie­len Roma aus ande­ren EU-Staa­ten auf­zu­neh­men“. Auch die Bevöl­ke­rung sei kaum bereit, Roma als gleich­wer­ti­ge Mit­bür­ger zu akzep­tie­ren. „Die koso­va­ri­sche Regie­rung küm­mert sich nicht um die­se Men­schen. Sie nimmt sie nur zurück, um von der EU eine Visa­li­be­ra­li­sie­rung zu erhalten.“

Die Pro­gram­me, die den Abge­scho­be­nen die Reinte­gra­ti­on ermög­li­chen sol­len, schei­tern an büro­kra­ti­schen Hür­den. Im Antrags­ver­fah­ren für die Reinte­gra­ti­ons­hil­fen gehen regel­mä­ßig Anträ­ge ver­lo­ren. Selbst bei Bewil­li­gung von Anträ­gen kommt es noch zu oft mona­te­lan­gen Ver­zö­ge­run­gen, bis die Hil­fe tat­säch­lich erfolgt. „Man muss wis­sen, dass es bei die­sen Anträ­gen um Lebens­mit­tel, Brenn­holz und Miet­kos­ten geht“, so Dünn­wald. „Die struk­tu­rel­len Defi­zi­te des Reinte­gra­ti­ons­pro­gramms sind daher unmit­tel­bar existenzgefährdend“.

Die Recher­chen von Dünn­wald zei­gen, dass zahl­rei­che Abge­scho­be­ne Sym­pto­me post­trau­ma­ti­scher Belas­tungs­stö­run­gen auf­wei­sen. Von Pro­gram­men zur Ver­bes­se­rung der psy­chi­schen Situa­ti­on von Trau­ma­ti­sier­ten sind Rück­keh­rer aus Deutsch­land aus­ge­schlos­sen. Hin­zu kommt, dass eine erfolg­rei­che Trau­ma­be­ar­bei­tung einer gesi­cher­ten Exis­tenz und der Abwe­sen­heit angst­ver­ur­sa­chen­der Umstän­de bedarf – das ist nicht gege­ben. Ange­hö­ri­ge der soge­nann­ten RAE-Min­der­hei­ten unter­lie­gen wei­ter­hin deut­li­cher Dis­kri­mi­nie­rung. Die Sicher­heits­wahr­neh­mung der Betrof­fe­nen ist geprägt von Berich­ten tät­li­cher Angrif­fe durch die alba­ni­sche Bevöl­ke­rungs­mehr­heit und durch die Poli­zei. Ein gro­ßer Teil der Abge­scho­be­nen flieht des­halb in Nach­bar­län­der oder zurück in den Westen.

Auch die vor rund vier Mona­ten aus Nie­der­sach­sen abge­scho­be­ne Fami­lie Meta will nicht blei­ben. Sie sit­zen in einer Miet­woh­nung in Gja­ko­va, die noch zwei Mona­te vom deut­schen Rück­kehr­pro­jekt URA 2 bezahlt wird: „Wir wol­len weg von hier“, ist der ver­zwei­fel­te Kom­men­tar zu ihrer Situa­ti­on im Kosovo. 

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