17.01.2012
Image
Ist den Versprechungen eines Folterstaats zu trauen? Foto: flickr - hmboo

Nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs können „Nicht-Folter-Bescheinigungen“ von Folterstaaten keine Abschiebungen rechtfertigen.

Auf soge­nann­te „diplo­ma­ti­sche Zusi­che­run­gen“ ist kein Ver­lass. Das geht aus einem Urteil des Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hofs zum Fall Abu Qata­da her­vor. Der pro­mi­nen­te Isla­mist und Ter­ror­ver­däch­ti­ge, der in Groß­bri­tan­ni­en in Haft sitzt, darf nicht nach Jor­da­ni­en abge­scho­ben wer­den, urteil­te das Gericht. Denn auch wenn sich Groß­bri­tan­ni­en von Jor­da­ni­en eine diplo­ma­ti­sche Zusi­che­rung ein­ge­holt hat­te, dass Abu Qata­da nach der Abschie­bung nicht gefol­tert wer­de, dro­he ihm in Jor­da­ni­en ein Pro­zess, der auf durch Fol­ter abge­press­ten Aus­sa­gen beruhe.

Das Urteil gilt als Grund­satz­ur­teil zum The­ma „diplo­ma­ti­sche Zusi­che­run­gen“. Dabei las­sen sich Staa­ten vor einer Abschie­bung zusi­chern, dass Abge­scho­be­ne in ihrem Her­kunfts­land nicht gefol­tert wer­den. Dass sol­che „Nicht-Fol­ter-Beschei­ni­gun­gen“ nicht ver­läss­lich sind, hat sich schon mehr­fach gezeigt. So doku­men­tiert etwa Amnes­ty Inter­na­tio­nal Fäl­le, in denen sich sol­che „diplo­ma­ti­sche Zusi­che­run­gen“ als wir­kungs­los her­aus­ge­stellt haben.

Etwa den Fall von Sami Ben Khe­mais Essid, der 2008 von Ita­li­en nach Tune­si­en abge­scho­ben wur­de, obwohl dem Ter­ror­ver­däch­ti­gen dort Fol­ter droh­te. Um der Abschie­bung einen Anstrich der Lega­li­tät zu ver­lei­hen, ließ sich Ita­li­en zuvor von Tune­si­en zusi­chern, dass Sami Ben Khe­mais Essid nicht gefol­tert wer­de – doch die Sicher­heits­kräf­te des tune­si­schen Regimes unter Dik­ta­tor Ben Ali hiel­ten sich nicht an die­se Zusi­che­rung und fol­ter­ten Sami Ben Khe­mais Essid beim Verhör.

Auch Deutsch­land hat bereits ver­sucht, mit Hil­fe von „diplo­ma­ti­schen Zusi­che­run­gen“ Abschie­bun­gen nach Tune­si­en und in die Tür­kei zu ermög­li­chen. Das Urteil des EGMR schiebt sol­chen Zusi­che­run­gen nun einen Rie­gel vor. Das ist gut so: Diplo­ma­ti­sche Zusi­che­run­gen kön­nen und dür­fen kein Mit­tel sein, um Abschie­bun­gen in Staa­ten zu recht­fer­ti­gen, in denen Fol­ter in Gefäng­nis­sen auf der Tages­ord­nung ist.

Men­schen in Staa­ten abzu­schie­ben, in denen den Betrof­fe­nen Fol­ter und unmensch­li­che oder ernied­ri­gen­de Behand­lung dro­hen, ist nach der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­bo­ten. Das gilt auch für Terrorverdächtige. 

 Straß­bur­ger Men­schen­rechts­ge­richts­hof rügt Asyl­schnell­ver­fah­ren (20.02.12)