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Urteil des EGMR: Diplomatische Zusicherungen schützen nicht vor Folter
Nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs können „Nicht-Folter-Bescheinigungen“ von Folterstaaten keine Abschiebungen rechtfertigen.
Auf sogenannte „diplomatische Zusicherungen“ ist kein Verlass. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zum Fall Abu Qatada hervor. Der prominente Islamist und Terrorverdächtige, der in Großbritannien in Haft sitzt, darf nicht nach Jordanien abgeschoben werden, urteilte das Gericht. Denn auch wenn sich Großbritannien von Jordanien eine diplomatische Zusicherung eingeholt hatte, dass Abu Qatada nach der Abschiebung nicht gefoltert werde, drohe ihm in Jordanien ein Prozess, der auf durch Folter abgepressten Aussagen beruhe.
Das Urteil gilt als Grundsatzurteil zum Thema „diplomatische Zusicherungen“. Dabei lassen sich Staaten vor einer Abschiebung zusichern, dass Abgeschobene in ihrem Herkunftsland nicht gefoltert werden. Dass solche „Nicht-Folter-Bescheinigungen“ nicht verlässlich sind, hat sich schon mehrfach gezeigt. So dokumentiert etwa Amnesty International Fälle, in denen sich solche „diplomatische Zusicherungen“ als wirkungslos herausgestellt haben.
Etwa den Fall von Sami Ben Khemais Essid, der 2008 von Italien nach Tunesien abgeschoben wurde, obwohl dem Terrorverdächtigen dort Folter drohte. Um der Abschiebung einen Anstrich der Legalität zu verleihen, ließ sich Italien zuvor von Tunesien zusichern, dass Sami Ben Khemais Essid nicht gefoltert werde – doch die Sicherheitskräfte des tunesischen Regimes unter Diktator Ben Ali hielten sich nicht an diese Zusicherung und folterten Sami Ben Khemais Essid beim Verhör.
Auch Deutschland hat bereits versucht, mit Hilfe von „diplomatischen Zusicherungen“ Abschiebungen nach Tunesien und in die Türkei zu ermöglichen. Das Urteil des EGMR schiebt solchen Zusicherungen nun einen Riegel vor. Das ist gut so: Diplomatische Zusicherungen können und dürfen kein Mittel sein, um Abschiebungen in Staaten zu rechtfertigen, in denen Folter in Gefängnissen auf der Tagesordnung ist.
Menschen in Staaten abzuschieben, in denen den Betroffenen Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen, ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten. Das gilt auch für Terrorverdächtige.
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