04.06.2014
Image
Flüchtlinge machen auf den Tod von Muslim H. aufmerksam. „Wie Muslim starb, ist unklar. Aber es ist klar, dass er unter den Händen von Gefängnisaufsehern starb“, so die Flüchtlinge unter ihrem Bild auf <a href="//freedomnotfrontex.noblogs.org/%E2%80%9C">freedomnotfrontex.noblogs.org</a> . Der Slogan „Das war Mord“ lehnt sich an die Debatte um den Tod von Oury Jalloh an. Die Polizei hatte immer wieder versucht, die Aussage „Das war Mord“ zu <a href="http://nonazisdessau.blogsport.de/2012/01/11/kundgebung-gegen-polizeigewalt-keine-kriminalisierung-des-gedenkens-an-ouri-jalloh"></a>kriminalisieren.

Muslim H. aus dem Kosovo sollte Anfang April mit einer Lufthansa-Maschine aus Deutschland nach Ungarn abgeschoben werden. Er wehrte sich gegen die Abschiebung, indem er eine Stewardess in seine Gewalt brachte. Muslim H. wurde anschließend in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert. Dort starb er nun, als ihn acht Beamte überwältigten.

Nach Anga­ben der Poli­zei ran­da­lier­te Mus­lim H. in der Haft­an­stalt. Nach­dem er sich selbst ver­letzt hat­te, leis­te­te er den ein­grei­fen­den Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten erheb­li­chen Wider­stand und ver­letz­te einen der Beam­ten sowie einen Sani­tä­ter. In der Pres­se­mit­tei­lung der Poli­zei heißt es, „der reni­ten­te Häft­ling konn­te schließ­lich zu Boden gebracht und fixiert wer­den, wobei er wei­ter­hin Wider­stand leis­te­te. Im Zuge der Aus­ein­an­der­set­zung stell­ten die Beam­ten den nach ers­ten Anga­ben plötz­lich ein­tre­ten­den Atem- bzw. Herz­still­stand des Gefan­ge­nen fest.“ Der Mann habe zwar vom sofort ver­stän­dig­ten Not­arzt reani­miert wer­den kön­nen, ver­starb jedoch im Lau­fe des Tages in einem Krankenhaus.

Lage­be­ding­ter Erstickungstod?

Haben sich die Beam­ten  zu acht auf Mus­lim H. gewor­fen, ihm beim Fixie­ren die Luft zum Atmen genom­men, und als er sich in Panik wehr­te, noch stär­ker hin­ge­langt? Wel­che Hal­te- und gege­be­nen­falls Fes­se­lungs­tech­ni­ken wur­den ange­wandt? Wird Wider­stand mit Gewalt gebro­chen, ist bei­lei­be nicht jedes Mit­tel zuläs­sig. Sein Tod weckt Erin­ne­run­gen an meh­re­re Fäl­le von Flücht­lin­gen, die im Zuge ihrer Abschie­bung durch Gewalt­an­wen­dung von Poli­zei­be­am­ten einem soge­nann­ten lage­be­ding­ten Ersti­ckungs­tod star­ben. Dabei wird dem Opfer durch mas­si­ve Fixie­rung des gan­zen Kör­pers die Atem­be­we­gung des Brust­korps ver­hin­dert – etwa wie im Fall Amir Age­e­bs vor fünf­zehn Jah­ren, der gefes­selt mit einem Helm auf dem Kopf bei sei­ner Abschie­bung in einer Luft­han­sa-Maschi­ne starb, als Poli­zei­be­am­te sei­nen Ober­kör­per nach unten drückten.

War Muslim.H in der JVA rich­tig untergebracht?

Das Mus­lim H.s kör­per­li­che Vor­schä­den hat­te, ist nicht bekannt. Sein Anwalt Mar­tin Parin­ger beschrieb dem Münch­ner Mer­kur gegen­über sei­nen Man­dan­ten als kräf­ti­gen jun­gen Mann, der zu kei­nem Zeit­punkt über kör­per­li­che Pro­ble­me geklagt habe. Parin­gers Auf­fas­sung nach habe Mus­lim H. dage­gen psy­chi­sche Pro­ble­me gehabt. Der Anwalt habe die Staats­an­walt­schaft dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sein Man­dant in der JVA nicht rich­tig unter­ge­bracht sei. Mar­kus Hege­le, der Spre­cher der JVA Lands­hut, ver­wies der Süd­deut­schen Zei­tung gegen­über hin­ge­gen auf das „unauf­fäl­li­ge“ Ver­hal­ten des Man­nes wäh­rend der Haft­zeit. Eine psy­cho­lo­gi­sche Begut­ach­tung von Mus­lim H. war offen­bar geplant, stand jedoch aus.

Abschie­bung nach Ungarn – Für Mus­lim H. der Horror 

Mus­lim H. war offen­bar auf der Flucht aus dem Koso­vo in Ungarn gestran­det und hat­te mehr­mals ver­sucht, von dort aus wei­ter­zu­flie­hen. In Ungarn leben Flücht­lin­ge in der Regel unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen in Lagern, wer­den inhaf­tiert oder obdach­los auf die Stra­ße gesetzt. Auf der Flucht in Rich­tung Nie­der­lan­de wur­de Mus­lim H. Ost­fries­land ver­haf­tet und wegen ille­ga­ler Ein­rei­se in Pas­sau inhaf­tiert. Auf der Grund­la­ge der Dub­lin-Ver­ord­nung soll­te er im April von Deutsch­land aus wie­der nach Ungarn abge­scho­ben werden.

Staats­an­walt­schaft hat Ermitt­lun­gen aufgenommen

Die Staats­an­walt­schaft Lands­hut hat nun die Ermitt­lun­gen zur Klä­rung der Todes­um­stän­de von Mus­lim H. auf­ge­nom­men. Hier­zu sei eine Obduk­ti­on ange­ord­net wor­den, deren Ergeb­nis­se in weni­gen Wochen erwar­tet wer­den. „Eine ers­te vor­läu­fi­ge Beschau führ­te nicht zu kla­ren Erkennt­nis­sen hin­sicht­lich der Todes­ur­sa­che“, ver­brei­te­te die Poli­zei einst­wei­len. In der Süd­deut­schen Zei­tung heißt es, die Staats­an­walt­schaft hof­fe auch auf die Befra­gung aller Betei­lig­ten – bleibt zu befürch­ten, dass die betei­lig­ten Beam­ten ihre Aus­sa­gen „syn­chro­ni­sie­ren“. Der Pro­zess um den Tod von Oury Jal­loh, der 2005 in einer Des­sau­er Poli­zei­zel­le an Hän­den und Füßen gefes­selt ver­brann­te, hat gezeigt, zu wel­chen gra­vie­ren­den Ver­tu­schun­gen es bei ent­spre­chen­den Fäl­len im deut­schen Rechts­staat kom­men kann.

Schon jetzt ist es ein Skan­dal, dass in der Obhut deut­schen Voll­zugs­per­so­nals ein Mensch unter deren Hän­den stirbt. Von der Staats­an­walt­schaft muss umge­hend akri­bisch auf­ge­klärt wer­den, wie es pas­sie­ren konn­te, dass ein Mensch in den Räu­men einer Haft­an­stalt zu Tode kommt, wäh­rend er von acht Bediens­te­ten fixiert wird.

Wei­te­re Berichte:

Pres­se­er­klä­rung des Baye­ri­schen Flüchtlingsrats

Augs­bur­ger All­ge­mei­ne: „Gei­sel­neh­mer stirbt in Haft“

Süd­deut­sche Zei­tung: „Töd­li­cher Kampf gegen das Asylrecht“

Bild­zei­tung: „Flug­zeug-Ent­füh­rer stirbt in U‑Haft“

Die Welt: Luft­han­sa-Gei­sel­neh­mer offen­bar in U‑Haft-gestor­ben

ORF: Luft­han­sa-Gei­sel­neh­mer offen­bar in U‑Haft gestorben

Neu­es Deutsch­land: „Töd­li­ches Ende der euro­päi­schen Asylpraxis“