28.08.2025
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Foto: picture alliance / Nur Photo / Majdi Fathi

Die israelische Regierung führt ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in Gaza Krieg gegen die Hamas. Das UN-Hilfswerk ist längst nicht mehr in der Lage, Palästinenser*innen Hilfe und Schutz zu gewähren. Geflüchteten aus Gaza mit UNRWA-Registrierung ist stets die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, allen anderen mindestens subsidiärer Schutz.

Seit dem bru­ta­len Über­fall der Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Hamas auf israe­li­sche Zivilist*innen mit rund 1.200 Toten tobt in Gaza ein blu­ti­ger Krieg, in dem bis­lang etwa 60.000 Men­schen getö­tet wur­den – vor allem Zivilist*innen. Obwohl seit Aus­bruch des Krie­ges fast nie­mand mehr den Gaza­strei­fen ver­las­sen kann, befin­den sich Palästinenser*innen mit ehe­mals Wohn­sitz in Gaza auch in Deutsch­land – zum Bei­spiel sol­che, die sich vor Aus­bruch des Krie­ges bereits außer­halb Gazas befan­den. Weil eine Rück­kehr für sie lebens­ge­fähr­lich und prak­tisch der­zeit auch nicht mög­lich wäre, suchen eini­ge von ihnen hier Schutz. Laut der Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Frak­ti­on die Lin­ken vom 21. März 2025 haben seit Beginn 2024 bis ein­schließ­lich Febru­ar 2025 über 700 Palästinenser*innen aus Gaza und aus den paläs­ti­nen­si­schen Gebie­ten Asyl­an­trä­ge gestellt. Zwi­schen­zeit­lich dürf­ten wei­te­re Anträ­ge hin­zu­ge­kom­men sein.

Unzulässige Aussetzung der Bearbeitung der Asylanträge durch das BAMF

Statt die Asyl­an­trä­ge von Palästinenser*innen aus dem Gaza­strei­fen schnellst­mög­lich zu bear­bei­ten, hat das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) die­se seit dem 09. Janu­ar 2024 auf Eis gelegt. Es berief sich dabei auf § 24 Abs. 5 Asyl­ge­setz (AsylG), wonach Ent­schei­dun­gen auf­ge­scho­ben wer­den kön­nen, wenn eine – so wört­lich – »vor­über­ge­hend unge­wis­se Lage« besteht. Man­che war­ten schon seit über andert­halb Jah­ren auf ihre Anhö­rung und die Durch­füh­rung ihrer Asylverfahren.

Erst am 18. Juli 2025 gab das BAMF bekannt, dass es die Asyl­ver­fah­ren der Schutz­su­chen­den aus Gaza wie­der auf­nimmt. Es habe die Lage im Gaza­strei­fen kon­ti­nu­ier­lich beob­ach­tet und sei zu dem Ergeb­nis gekom­men, dass dort »nicht mehr von einer nur vor­über­ge­hend unge­wis­sen Lage aus­zu­ge­hen ist«. Grund sei­en die Dau­er und Aus­wei­tung der Kampf­hand­lun­gen auf das gesam­te Gebiet des Gaza­strei­fens sowie das Schei­tern meh­re­rer Ver­ein­ba­run­gen zu einer Waf­fen­ru­he (BT-Druck­sa­che 21/918, S.10).

Erst am 18. Juli 2025 gab das BAMF bekannt, dass es die Asyl­ver­fah­ren der Schutz­su­chen­den aus Gaza wie­der aufnimmt. 

PRO ASYL hat­te die Aus­set­zung der Asyl­ver­fah­ren bereits im April 2024 stark kri­ti­siert. Die Lage in Gaza stell­te sich bereits zum dama­li­gen Zeit­punkt kei­nes­wegs als so »vor­über­ge­hend unge­wiss« dar, wie das BAMF Glau­ben machen woll­te. So waren dem Krieg bereits damals 30.000 Men­schen zum Opfer gefal­len. Seit­her tobt der Krieg mit nur weni­gen Tagen Waf­fen­ru­he unver­min­dert wei­ter und hat an Hef­tig­keit und Bru­ta­li­tät fort­wäh­rend zuge­nom­men. Die aus­ge­setz­ten Asyl­an­trä­ge hät­ten in die­ser Situa­ti­on ergo zu jeder Zeit posi­tiv beschie­den wer­den kön­nen. Die Beru­fung auf § 24 Abs. 5 AsylG war nach Ein­schät­zung von PRO ASYL unzulässig.

Auch die Gerich­te sahen das oft ähn­lich. Bei 238 ein­ge­reich­ten Untä­tig­keits­kla­gen im Zeit­raum 7. Okto­ber 2023 bis 30. April 2025 ver­ur­teil­ten sie das BAMF in 187 Ver­fah­ren wegen Untä­tig­keit und ver­pflich­te­ten es, über die Asyl­an­trä­ge zu ent­schei­den. In drei Ver­fah­ren erkann­ten sie den Kläger*innen selbst sub­si­diä­re Schutz zu, in 48 Ver­fah­ren kam es zu sons­ti­gen Ein­stel­lun­gen. (BT-Druck­sa­che 21/918, S.10)

In einer Ent­schei­dung vom 13. März 2024 hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Han­no­ver zudem dar­auf hin­ge­wie­sen, dass im Fal­le sich über Mona­te hin­weg inten­si­vie­ren­der Kämp­fe (hier bezüg­lich Sudan) nicht von einer »unge­wis­sen Lage« im Sin­ne des § 24 Absatz 5 AsylG gespro­chen wer­den kann. In der Ent­schei­dung wird in aller Deut­lich­keit her­vor­ge­ho­ben: »Die Mög­lich­keit der Aus­set­zung der Ent­schei­dung wegen vor­über­ge­hend unge­wis­ser Lage im Her­kunfts­staat dient nicht dazu, die Rea­li­sie­rung abseh­bar bestehen­der Aner­ken­nungs­an­sprü­che zu verhindern«.

Gewährung subsidiären Schutzes seitens der Verwaltungsgerichtsbarkeit

Dass dies auch im Fal­le von Gaza gilt, zei­gen die von Ver­wal­tungs­ge­rich­ten – soweit ersicht­lich – durch­weg posi­tiv ent­schie­de­nen Kla­gen von Betrof­fe­nen seit Beginn des Krie­ges. So wies etwa das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt des Lan­des Sach­sen-Anhalt bereits am 20. Novem­ber 2023 in einem Beschluss – und damit zeit­lich noch rela­tiv nahe am Beginn des Krie­ges – eine Beru­fung des BAMF gegen die Zuer­ken­nung sub­si­diä­ren Schut­zes für einen aus Gaza stam­men­den Paläs­ti­nen­ser zurück. Dass BAMF hat­te dabei fol­gen­de Fra­gen im Sin­ne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG als klä­rungs­be­dürf­tig erachtet:

- Besteht zwi­schen den im Gaza-Strei­fen agie­ren­den gewalt­be­rei­ten Grup­pen und den israe­li­schen Streit­kräf­ten ein bewaff­ne­ter Kon­flikt, in dem jede Zivil­per­son allein auf­grund ihrer Anwe­sen­heit in dem betrof­fe­nen Gebiet einer ernst­haf­ten indi­vi­du­el­len Bedro­hung ihres Lebens oder ihrer Unver­sehrt­heit aus­ge­setzt ist? (Defi­ni­ti­on eines bewaff­ne­ten Kon­flik­tes im Sin­ne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG)

- Bestehen inner­halb des Gaza-Strei­fens inter­ne Schutz­mög­lich­kei­ten im Sin­ne des § 3e AsylG?

Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt bejah­te die ers­te Fra­ge schon zum dama­li­gen Ent­schei­dungs­zeit­punkt ein­deu­tig und ver­nein­te die zwei­te eben­so klar.

Auch das Ver­wal­tungs­ge­richt Sig­ma­rin­gen wies im März 2024 in einer Ent­schei­dung das BAMF an, einem paläs­ti­ni­schen Geflüch­te­ten sub­si­diä­ren Schutz zuzusprechen.

»[…] Hier­an gemes­sen hat der Klä­ger Anspruch auf sub­si­diä­ren Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (und der­zeit und auf unab­seh­ba­re Zeit wohl über­dies auch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). […]

Nach dem Ter­ror­an­griff der Hamas auf Isra­el am 07.10.2023 hat der israe­li­sche Minis­ter­prä­si­dent den Kriegs­zu­stand erklärt. Seit­her ist der Gaza-Strei­fen Ziel einer breit ange­leg­ten israe­li­schen Mili­tär­ope­ra­ti­on mit Bom­bar­de­ments aus der Luft, vom Boden und von der See, die mit unzäh­li­gen zivi­len Opfern, mas­si­ver Zer­stö­rung der zivi­len Infra­struk­tur und einer Bin­nen­ver­trei­bung von ca. 85 % der Bevöl­ke­rung des Gaza-Strei­fens ein­her­geht. Zivi­lis­ten kön­nen im Gaza-Strei­fen nicht in Sicher­heit leben. Allein seit dem 07.10.2023 sind – wenn auch auf der Grund­la­ge von sei­tens des Hamas-Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums zur Ver­fü­gung gestell­ten Daten – mehr als 30.000 Todes­op­fer und mehr als 70.000 Ver­let­ze unter den über­wie­gend zivi­len paläs­ti­nen­si­schen Opfern des Krie­ges gezählt wor­den […]. In einem Zeit­raum von ca. fünf Mona­ten sind damit ca. 4,5 % der Bevöl­ke­rung von Gaza (ca. 2,2 Mio. Ein­woh­ner) getö­tet oder ver­letzt wor­den, mehr­heit­lich dabei Zivi­lis­ten. Und auch die Bin­nen­ver­trei­bung der über­wie­gen­den Mehr­heit der Bevöl­ke­rung macht die Betrof­fe­nen zu zivi­len Konfliktopfern.

Auch die huma­ni­tä­re Situa­ti­on ist der­zeit und auf unab­seh­ba­re Zeit unbe­schreib­lich kata­stro­phal. Im Gaza-Strei­fen sind kon­flikt­be­dingt aktu­ell mehr als 70.000 Wohn­ein­hei­ten zer­stört und mehr als 290.000 beschä­digt. Die Bevöl­ke­rung ist kom­plett von – der­zeit völ­lig unzu­rei­chen­den – Hilfs­lie­fe­run­gen abhän­gig […].« (Aus­zug aus der Ent­schei­dung vom 7. März 2024)

Dass es in die­sen Ent­schei­dun­gen um sub­si­diä­ren Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ging, wonach ein sol­cher zu gewäh­ren ist, wenn »eine ernst­haf­te indi­vi­du­el­le Bedro­hung des Lebens oder der Unver­sehrt­heit einer Zivil­per­son infol­ge will­kür­li­cher Gewalt im Rah­men eines inter­na­tio­na­len oder inner­staat­li­chen bewaff­ne­ten Kon­flikts« besteht, erscheint zunächst naheliegend:

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ist in sei­ner hier­zu bis­lang ergan­ge­nen Recht­spre­chung von einem »body-count«-Ansatz aus­ge­gan­gen. Dem­nach setzt eine »ernst­haf­te indi­vi­du­el­le Bedro­hung des Lebens oder der Unver­sehrt­heit« vor­aus, dass es eine Min­dest­schwel­le von zivi­len Opfern im Ver­hält­nis zur Gesamt­be­völ­ke­rung geben muss. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat zwar den Min­dest­wert nie exakt bezif­fert, aber in einem Urteil zum Her­kunfts­land Irak ein­mal aus­ge­führt: Die Wahr­schein­lich­keit von 1 zu 800 pro Jahr (cir­ca 0,12 Pro­zent), ver­letzt oder getö­tet zu wer­den, liegt jeden­falls weit unter der erfor­der­li­chen Min­dest­gren­ze. Aber zugleich hat es fest­ge­stellt, dass der sub­si­diä­re Schutz zwei­fels­frei bei einer außer­ge­wöhn­li­chen Situa­ti­on zu gewäh­ren sei, die durch einen so hohen Gefah­ren­grad gekenn­zeich­net ist, dass prak­tisch jede Zivil­per­son allein auf­grund ihrer Anwe­sen­heit in dem Gebiet einer ernst­haf­ten indi­vi­du­el­len Bedro­hung aus­ge­setzt wäre.

ür jede in Gaza leben­de Per­son besteht rund um die Uhr eine hohe Wahr­schein­lich­keit, frü­her oder spä­ter Opfer der Angrif­fe aus der Luft oder am Boden zu werden.

Die Situa­ti­on in Gaza ist ein trau­ri­ges Para­de­bei­spiel für eine sol­che Situa­ti­on. Für jede in Gaza leben­de Per­son besteht rund um die Uhr eine hohe Wahr­schein­lich­keit, frü­her oder spä­ter Opfer der Angrif­fe aus der Luft oder am Boden zu wer­den. Ein soge­nann­ter inter­ner Schutz – also ein Teil des Her­kunfts­lan­des, in dem kei­ne begrün­de­te Furcht vor einem ernst­haf­ten Scha­den besteht und der gemäß § 4 Abs. 4 in Ver­bin­dung mit § 3e AsylG zum Aus­schluss sub­si­diä­ren Schut­zes führt – ist in Gaza seit Beginn des Kon­flikts an kei­nem Ort aus­zu­ma­chen. Die­je­ni­gen Gebie­te, auf die die israe­li­sche Armee die Zivil­be­völ­ke­rung ver­weist, um von Kampf­hand­lun­gen ver­schont zu blei­ben, wer­den immer weni­ger und klei­ner. Laut UNHCR blei­ben ihr nur noch weni­ger als 14 Pro­zent der Gesamt­flä­che des Gaza­strei­fens. Und selbst dort fin­den – obwohl sei­tens der israe­li­schen Armee als »huma­ni­tä­re Zonen« aus­ge­wie­sen – immer wie­der Kampf­hand­lun­gen statt.

Die Zuer­ken­nung sub­si­diä­ren Schut­zes scheint nach alle­dem auf der Hand zu lie­gen. Doch: Bei einer Prü­fung von Asyl­an­trä­gen ist stets vor­ran­gig zu prü­fen, ob nicht die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuge­spro­chen wer­den müsste.

Ipso-facto-Flüchtlingseigenschaft für Schutzsuchende aus Gaza

Auf den ers­ten Blick mag es unwahr­schein­lich erschei­nen, dass Men­schen aus Gaza die Flücht­lings­ei­gen­schaft erhal­ten kön­nen. Denn der auf Arti­kel 1 D der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on zurück­zu­füh­ren­de Para­graph 3 Abs. 3 AsylG besagt: Wer »den Schutz oder Bei­stand einer Orga­ni­sa­ti­on oder einer Ein­rich­tung der Ver­ein­ten Natio­nen mit Aus­nah­me des Hohen Kom­mis­sars der Ver­ein­ten Natio­nen für Flücht­lin­ge […] genießt«, kann nicht Flücht­ling sein. Die Idee dahin­ter ist, dass ver­mie­den wer­den soll­te, dass sich eine unter dem Schutz einer Orga­ni­sa­ti­on der Ver­ein­ten Natio­nen ste­hen­de Per­so­nen ohne Not aus dem Man­dats­ge­biet der Orga­ni­sa­ti­on begibt, um ander­wei­tig Schutz zu suchen. Eben einen sol­chen Schutz soll die gro­ße Mehr­zahl der Zivil­be­völ­ke­rung des Gaza­strei­fens durch das UN-Hilfs­werk UNWRA erhalten.

Wäh­rend der Ent­ste­hung des Staa­tes Isra­el und des Paläs­ti­na­krie­ges (1947–1949) wur­den ara­bi­scher Palästinenser*innen aus ihren ange­stamm­ten Gebie­ten ver­trie­ben – was als »Nak­ba« bezeich­net wird. Dar­auf­hin grün­de­te 1949 die UN-Gene­ral­ver­samm­lung das Hilfs­werk UNWRA (United Nati­ons Reli­ef and Works Agen­cy for Pal­es­ti­ne Refu­gees in the Near East) mit dem Man­dat, paläs­ti­nen­si­schen Flücht­lin­gen in Jor­da­ni­en, Liba­non, Syri­en, im West­jor­dan­land und eben auch im Gaza­strei­fen Hil­fe zu leis­ten und die mensch­li­che Ent­wick­lung zu fördern.

Anders ist die Situa­ti­on, wenn UNRWA sei­nen Auf­trag nicht mehr erfül­len kann. Der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on (EuGH) hat im Jahr 2024 ent­schie­den : Wenn es UNRWA auf­grund der in sei­nem Ope­ra­ti­ons­ge­biet herr­schen­den all­ge­mei­nen Lage nicht mög­lich ist, men­schen­wür­di­ge Lebens­be­din­gun­gen und ein Min­dest­maß an Sicher­heit zu gewähr­leis­ten ist der Schutz durch die Orga­ni­sa­ti­on als nicht wei­ter gewährt anzu­se­hen. In die­sem Fall sind Betrof­fe­ne als ipso-fac­to-Flücht­lin­ge anzu­er­ken­nen. Ipso fac­to bedeu­tet »von Rechts wegen« und meint in die­sem Zusam­men­hang, dass es nicht auf das Vor­brin­gen einer indi­vi­du­ell begrün­de­ten Furcht vor Ver­fol­gung ankommt. Viel­mehr steht bereits durch die vor­he­ri­ge UNRWA-Regis­trie­rung ver­bind­lich fest, dass Betrof­fe­ne schutz­be­dürf­ti­ge Flücht­lin­ge im Sin­ne der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on sind. Das BAMF hat sich in sei­ner Prü­fung daher dar­auf zu beschrän­ken, eben die­se Regis­trie­rung, den Weg­fall des UNRWA-Schut­zes sowie das Nicht­vor­lie­gen von Aus­schluss­grün­den festzustellen.

Ent­spre­chend stellt sich die Situa­ti­on für die meis­ten Men­schen aus Gaza dar: Dort hat­ten etwa 1,7Millionen der ins­ge­samt 2,4 Mil­lio­nen Einwohner*innen den UNRWA-Sta­tus inne. Doch UNRWA ist in Gaza längst nicht mehr in der Lage, ihnen Schutz zu gewäh­ren. Mit­hin ist Geflüch­te­ten aus Gaza, die bei UNRWA regis­triert sind, ipso fac­to die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuzuerkennen.

Status der übrigen Geflohenen?

Was aber ist mit den­je­ni­gen, die vor der Flucht aus Gaza kei­nen UNRWA-Sta­tus inne­hat­ten? Nach den obi­gen Aus­füh­run­gen liegt die Gewäh­rung sub­si­diä­ren Schut­zes nahe. Mög­li­cher­wei­se muss das BAMF aber sogar prü­fen, ob die­ser Per­so­nen­grup­pe nicht indi­vi­du­el­ler Flücht­lings­schutz zuteil­wer­den muss:

Die krie­ge­ri­schen Hand­lun­gen der israe­li­schen Ver­tei­di­gungs­streit­kräf­te Isra­el Defen­se Forces (IDF) in Form der Zer­stö­rung von Infra­struk­tur und Wohn­häu­sern, fort­wäh­ren­der Ver­trei­bung von Ort zu Ort und die Blo­cka­de von Hilfs­lie­fe­run­gen kann als Ver­fol­gungs­hand­lung ange­se­hen wer­den. Da die­se in Gaza jeden zu jeder Zeit tref­fen kann, ist auch eine begrün­de­te Furcht vor Ver­fol­gung zu kon­sta­tie­ren. Die Fra­ge ist aber, ob die krie­ge­ri­schen Hand­lun­gen gegen­über der Zivil­be­völ­ke­rung auch an ein Merk­mal aus der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on anknüpfen.

Als Anknüp­fungs­punkt könn­te die Natio­na­li­tät der Zivil­be­völ­ke­rung als Palästinenser*innen ange­se­hen wer­den. Das ist unab­hän­gig davon mög­lich, ob man Paläs­ti­na als Staat aner­kennt oder nicht. Denn im Bereich des Asyl­rechts gilt eine wei­te Defi­ni­ti­on von »Natio­na­li­tät«. Eine Staats­an­ge­hö­rig­keit ist für die­se nicht erfor­der­lich, viel­mehr kann auch auf die Zuge­hö­rig­keit zu einer sozia­len Grup­pe, die sich durch gemein­sa­me Merk­ma­le wie Kul­tur, Eth­nie, Spra­che, Her­kunft oder Ver­wandt­schaft aus­zeich­net abge­stellt wer­den. Tat­säch­lich hat der fran­zö­si­sche Asyl­ge­richts­hof in einem Urteil vom 11. Juli 2025 ent­spre­chend ent­schie­den und einer aus Gaza geflo­he­nen Per­son ohne UNRWA-Regis­trie­rung die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuer­kannt. Soweit ersicht­lich, ist dies das bis­lang ein­zi­ge Urteil in Euro­pa, mit dem dies gesche­hen ist. Es bleibt abzu­war­ten, ob sich die­se Recht­spre­chung durchsetzt.

Klar hin­ge­gen ist: Geflo­he­nen Men­schen, die bei UNRWA regis­triert sind, müs­sen von Rechts wegen als Flücht­lin­ge aner­kannt wer­den. Für alle übri­gen gilt: Folgt man der Argu­men­ta­ti­on des fran­zö­si­schen Asyl­ge­richts­hofs, fin­det in Gaza eine Ver­fol­gung sämt­li­cher Palästinenser*innen anknüp­fend an deren Natio­na­li­tät statt. In die­sem Fall wäre allen Per­so­nen ohne UNRWA-Regis­trie­rung eben­falls die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuzu­er­ken­nen. Hier wäre nur der Prü­fungs­vor­gang ein ande­rer. Will man sich die­ser bis­lang allein­ste­hen­den Auf­fas­sung nicht anschlie­ßen, muss die­sem Per­so­nen­kreis sub­si­diä­rer Schutz gewährt werden.