13.07.2011
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Rekonstruktion der Ganzkörperfesselung - ein Bild aus einem Video der Schweizer Initiative "Augen auf".

Ein Video dokumentiert, wie Schweizer Polizisten einen Mann schlagen, der sich gegen seine Abschiebung nach Nigeria wehrt. Nachdem die Behörden auf die Ganzkörperfesselung verzichtet hatten, setzten sie stattdessen offenbar auf Schläge.

„Der Flug ist gut ver­lau­fen, 19 Per­so­nen wur­den zurück­ge­führt nach Nige­ria“, sagt Micha­el Glau­ser vom Schwei­zer Bun­des­amt für Migra­ti­on den Jour­na­lis­ten des Schwei­zer Fern­se­hens. Nur zwei Leu­te habe man nicht ins Flug­zeug ver­la­den kön­nen. Das sei „nicht opti­mal gelau­fen“. Was dabei wirk­lich geschah, zei­gen Kame­ra­auf­zeich­nun­gen von Repor­tern der Sen­dung „10 vor 10“ vom 7. Juli.

Weil sich min­des­tens einer der Nige­ria­ner gegen die Abschie­bung wehrt, wird er von meh­re­ren Poli­zis­ten erst auf dem Roll­feld zu Boden gedrückt. Dann tra­gen sie ihn die Trep­pe hoch ins Flug­zeug, und da sich Mann noch immer wehrt, schla­gen sie auf den an Hän­den und Füßen gefes­sel­ten Mann ein, erst mit der Faust, dann, trotz Über­macht, auch mit dem Schlagstock.

Das Men­schen, die sich gegen ihre Abschie­bung weh­ren, geschla­gen wer­den, ist für Denis Graf von der Schwei­zer Sek­ti­on von Amnes­ty Inter­na­tio­nal nicht neu. Doch bis­her habe die Staats­an­walt­schaft die Aus­sa­gen von Abschie­be­häft­lin­gen nicht ernst genom­men, sag­te sie dem Maga­zin „10 vor 10“. Mit den Auf­nah­men des Fern­seh­ma­ga­zins kam so in die Öffent­lich­keit, was sonst kaum jemand sieht – und die Schwei­zer Staats­an­walt­schaft offen­bar nicht glau­ben wollte.

Töd­li­che Fol­gen der Ganz­kör­per­fes­se­lung in der Schweiz

Schwei­zer Abschie­be­prak­ti­ken öffent­lich zu machen, ist auch das Ziel der schwei­zer Initia­ti­ve „Augen auf“. Die Initia­ti­ve hat in einem Video rekon­stru­iert, wie soge­nann­te „Level 4‑Ausschaffung“ ver­lau­fen – Abschie­bun­gen, bei der die Poli­zei vom Wider­stand der Abge­scho­be­nen aus­geht. Die Men­schen wer­den dabei mit dem gan­zen Kör­per an einen Roll­stuhl fixiert.

Für man­che Betrof­fe­ne war die­se Form der Fes­se­lung töd­lich: Am 3. März 1999 erstick­te der 27jährige Paläs­ti­nen­ser Kha­led Abu­za­rifa an der Kne­be­lung mit­tels Kle­be­band. Am 1. Mai 2001 erlitt Sam­son Chuk­wu wäh­rend der Fes­se­lung zur Aus­schaf­fung nach Lagos den lage­be­ding­ten Ersti­ckungs­tod. Erst am 17. März 2010 starb Joseph Ndu­ka­ku Chi­ak­wa wäh­rend der an ihm prak­ti­zier­ten Zwangs­fes­se­lung auf dem Flug­ha­fen Zürich.

 Auf­grund des letz­ten Todes­falls hat­te Nige­ria ange­kün­digt, kei­ne Abschie­be­häft­lin­ge in Ganz­kör­per­fes­se­lung mehr anzu­neh­men. Beim aktu­el­len Abschie­be­flug aus der Schweiz nach Nige­ria wur­den die Abschie­be­häft­lin­ge daher nur an Hän­den und Füßen gefes­selt – falls sie sich weh­ren, wird offen­bar als flan­kie­ren­de Maß­nah­me mit Fäus­ten und Schlag­stö­cken zugeschlagen.

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