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Menschen, die wir schützen müssen: Die Geschichte des afghanischen Jungen Jamal Daatis
Jedes Jahr begleiten wir etliche verfolgte Menschen in ihren Asylverfahren. Das PRO ASYL-Team hat 2017 tausende Beratungsgespräche geführt, über 700 Flüchtlingen standen wir mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds zur Seite. Zum Beispiel Jamal Daatis*, der mit seiner Familie vor den Taliban fliehen musste.
Kandahar, Afghanistan, 2011: Der 15-jährige Jamal Daatis lebt zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in der im Süden des Landes gelegenen Provinz. Der Vormarsch der Taliban bringt bewaffnete Auseinandersetzungen und Verfolgungen verstärkt auch dorthin. Familie Daatis bleibt nicht lange davon verschont: Auf dem Schulweg entführen Taliban die achtjährige Schwester Jamals und verlangen Lösegeld. Als die Eltern die verlangte Summe von 30.000 $ nicht schnell genug zusammenbringen, schneiden die Entführer dem Mädchen einen Finger ab. Zusammen mit dem Finger lassen sie der Familie die Drohung zukommen, das Kind bereits am nächsten Tag zu töten.
Keine Sicherheit in Afghanistan
In größter Hast gelingt es den Eltern, ihr Haus zu verkaufen und die geforderte Summe zu zahlen – das schwer misshandelte und verletzte Kind kommt schließlich frei. Doch schon bald gerät die Familie erneut ins Visier der Gewalttäter. Die Taliban suchen Jamal in der Kfz-Werkstatt seines Vaters auf. Sie verlangen von ihm, Autos mit Bomben zu präparieren, um damit Anschläge zu verüben. Jamal lehnt ab. Drei Tage später kommen die Männer wieder – diesmal ist auch der Vater in der Werkstatt zugegen. Entschieden weist dieser die Männer ab, die ihm daraufhin drohen.
»NochMal werden Sie mich auf keinen Fall freilassen«
Zwei Wochen später: Die Taliban überfallen das Haus des Großvaters, in dem die Familie Jamals zunächst eine Bleibe gefunden hat. Mit einem Bajonett verletzen sie Jamal schwer. Erst als der Großvater hinzukommt und Jamal und seinen Bruder auf den Koran schwören lässt, dass sie sich den Männern anschließen würden, sobald Jamals Wunden verheilt seien, lassen sie von Jamal und seinem Bruder ab.
Dramatische Flucht über die Ägäis
Die verängstigte Familie entschließt sich schließlich zur Flucht. Sie sucht zunächst Schutz im Haus einer Tante – dann fliehen alle zusammen über den Iran in die Türkei, wo sie trotz aller Mühen keine dauerhafte Bleibe finden. Beim Versuch, gemeinsam über das Meer Griechenland zu erreichen, kommt es zum Unglück: Das Schlauchboot kentert – die Tante und ihr Sohn ertrinken.
Kein Schutz in Deutschland
Ende Februar 2014: Jamal Daatis hat schließlich Deutschland erreicht und stellt einen Antrag auf Asyl. Zusammen mit seiner Familie lebt er in einer Gemeinschaftsunterkunft in Bayern. Der Vater ist durch die Gewalttaten schwer traumatisiert. In seiner Anhörung schildert Jamal die Verfolgungen und Gefahren, denen er gemeinsam mit seinen Angehörigen ausgesetzt war. Bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dauert es Jahre – zwischenzeitlich erhalten die Eltern und Geschwister Schutz. Im März 2017 wird Jamals Asylantrag abgelehnt, seine Abschiebung wird angedroht.
Was wir tun
PRO ASYL unterstützt Jamal Daatis in seinem gerichtlichen Klageverfahren – so wie viele andere Schutzsuchende. Die Menschen sind häufig verzweifelt, weil ihnen Behörden und Gerichte den dringend nötigen Schutz versagen. Fluchtgründe werden infrage gestellt, Berichte von Folter und Vergewaltigung werden ignoriert.
Um Schutzsuchenden wie Jamal Daatis zur Seite zu stehen, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.
Immer wieder erleben wir, dass unsere Intervention eine Wende bewirkt: Verfahren enden mit unserer Unterstützung für die Betroffenen häufig erfolgreich. Möglich ist dies nur aufgrund der großzügigen Hilfe unserer Mitglieder, Spenderinnen und Spender. Bitte engagieren Sie sich deshalb zusammen mit uns: Um Schutzsuchenden wie Jamal Daatis zur Seite zu stehen, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.
UPDATE:
Vor kurzem – mehr als acht Jahre nach der Flucht – hatte die Klage Erfolg: Jamal Daatis* ist endlich in Sicherheit. Durch die lange Zeit des Wartens und Bangens hat er sich nicht entmutigen lassen. Er hat eine Arbeitsstelle in einem Autohaus gefunden und lebt mit seiner Partnerin zusammen: »Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung von PRO ASYL, aber auch für die meiner Freunde vom Haus International, die so viel für mich getan haben! Ohne Euch alle und Eure große Hilfe hätte ich das nicht geschafft. Ich bin sehr glücklich!«