24.05.2017
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Die Richter in Karlsruhe haben entschieden: Der Kläger, ein syrischer Flüchtling, darf nicht nach Griechenland abgeschoben werden. Foto: Flickr / Mehr Demokratie / cc-by-sa-2.0

Deutschland und die Staaten Europas erhöhen den Abschiebedruck auf Griechenland. Es geht nicht nur um die Wiederaufnahme von sogenannten Dublin- Überstellungen, sondern auch anerkannte Flüchtlinge sind im Visier. In einem gestern veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht diesen Bemühungen einen Dämpfer versetzt.

Geklagt hat­te ein Flücht­ling aus Syri­en. Er war im Juli 2015 nach Deutsch­land ein­ge­reist und konn­te im Dezem­ber 2015 einen Asyl­an­trag stel­len. Er gab bei sei­ner Anhö­rung vor dem Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) an, in Grie­chen­land bereits Asyl erhal­ten zu haben. Dort habe er aller­dings habe auf der Stra­ße gelebt und kei­ner­lei Unter­stüt­zung vom grie­chi­schen Staat erhalten.

Asylantrag vom BAMF abgelehnt

Das Bun­des­amt lehn­te den Asyl­an­trag mit Bescheid vom 8. Novem­ber 2016 als unzu­läs­sig ab. Der Beschwer­de­füh­rer erhob frist­ge­recht Kla­ge gegen den Bescheid, stell­te einen Antrag auf Anord­nung der auf­schie­ben­den Wir­kung. Das Ver­wal­tungs­ge­richt (VG) Min­den wies die­sen Antrag mit Beschluss vom 14. Dezem­ber 2016 ab.

Das VG Min­den stell­te lapi­dar fest, aus den zugäng­li­chen Quel­len las­se sich nicht ent­neh­men, dass aner­kann­te Schutz­be­rech­tig­te in Grie­chen­land sys­te­ma­tisch schlech­ter behan­delt wür­den als Inlän­der. Und über­haupt habe sich die Lage der Flücht­lin­ge ver­bes­sert. Das Gericht ver­wies auch auf die Emp­feh­lun­gen der EU Kom­mis­si­on, ab März 2017 wie­der Dub­lin-Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land vorzunehmen.

Bundesverfassungsgericht stoppt Abschiebung

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt monier­te nun, das VG hät­te sich zumin­dest mit der Fra­ge befas­sen müs­sen, »ob und wie für nach Grie­chen­land zurück­ge­führ­te aner­kannt Schutz­be­rech­tig­te zumin­dest in der ers­ten Zeit nach ihrer Ankunft der Zugang zu Obdach, Nah­rungs­mit­teln und sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen sicher­ge­stellt wird.«

»Seit drei Jah­ren lebe ich in Athen. […] Ich besit­ze nichts. Ich bekom­me nichts vom Staat. […] Ich suche bloß ein Leben in Würde.«

N.S., Paläs­ti­nen­se­rin aus Syrien

Griechenland: Unterstützung für Flüchtlinge de facto nicht erreichbar

Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern hat in einer Stel­lung­nah­me dar­auf hin­ge­wie­sen, dass zum 1. Janu­ar 2017 in Grie­chen­land eine all­ge­mei­ne Sozi­al­leis­tung in Höhe von 200 € ein­ge­führt wer­den soll­te, die auch aner­kann­ten Schutz­be­rech­tig­ten offen ste­hen wür­den. Anträ­ge könn­ten erst ab dem 1. Febru­ar 2017 gestellt wer­den. Prak­ti­sche Erfah­run­gen bestün­den noch keine.

In der Tat gibt es seit Febru­ar 2017 eine Form der Sozi­al­hil­fe für Men­schen mit beson­ders nied­ri­gen Ein­kom­men. Die­se Unter­stüt­zungs­leis­tung ist für aner­kann­te Flücht­lin­ge de fac­to jedoch nicht erreich­bar. Um staat­li­che Leis­tun­gen in Anspruch neh­men zu kön­nen, müs­sen Antrags­stel­ler unter ande­rem einen Miet­ver­trag, eine Steu­er­erklä­rung und ein Bank­ver­bin­dung vorweisen.

For­ma­le Vor­aus­set­zun­gen, die für einen gro­ßen Teil der aner­kann­ten Flücht­lin­ge in Grie­chen­land, ins­be­son­de­re für Wohn­sitz­lo­se, nicht zu erfül­len sind. Auch die von ein­zel­nen Kom­mu­nal­ver­wal­tun­gen aus­ge­ge­be­nen Essens­kar­ten sehen die­sel­ben, hohen Vor­aus­set­zun­gen vor.

Soziale Rechte für Geflüchtete nur auf dem Papier

Dies bedeu­tet, dass sozia­le Rech­te für aner­kann­te Flücht­lin­ge in Grie­chen­land zwar auf dem Papier exis­tie­ren, in der Pra­xis aber nicht gewähr­leis­tet sind. »Die Gewähr­leis­tung grund­le­gen­der sozia­ler Rech­te ist der­zeit eine Her­aus­for­de­rung sowohl für Schutz­su­chen­de als auch für Begüns­tig­te inter­na­tio­na­len Schut­zes in Griechenland.

Dem Land fehlt eine über­grei­fen­de Inte­gra­ti­ons­stra­te­gie. Es man­gelt auch an spe­zi­fi­schen Maß­nah­men für die Flücht­lings­be­völ­ke­rung«, schreibt UNHCR im Febru­ar 2017 an unse­ren Part­ner in Grie­chen­land, Refu­gee Sup­port Aege­an (RSA).

Hilfe vom Staat erst nach Jahrzehnten

In sei­nem Beschluss monier­te Karls­ru­he auch, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt sich nicht damit aus­ein­an­der gesetzt hat­te, »dass die in Grie­chen­land ver­füg­ba­ren Sozi­al­leis­tun­gen – nach den vom Beschwer­de­füh­rer vor­ge­leg­ten Erkennt­nis­sen – an einen bis zu zwan­zig­jäh­ri­gen lega­len Auf­ent­halt anknüp­fen, wes­halb aner­kannt Schutz­be­rech­tig­te von der Inan­spruch­nah­me die­ser Leis­tun­gen fak­tisch aus­ge­schlos­sen sind.«

RSA bestä­tigt, dass gemäß aktu­el­ler grie­chi­scher Rechts­la­ge, bei­spiels­wei­se Fami­li­en mit mehr als zwei Kin­dern, nur dann Hil­fe vom Staat bekom­men, wenn sie mehr als zehn Jah­re legal in Grie­chen­land leben. Die­se lan­ge Auf­ent­halts­dau­er erfüllt kaum ein aner­kann­ter Flüchtling.

Wie die Situation für die Betroffenen ist

N.S. Paläs­ti­nen­se­rin aus Syri­en: »Seit drei Jah­ren lebe ich in Athen. Die­ses Jahr habe ich erst Asyl bekom­men. Es war sehr schwer den Antrag über­haupt zu stel­len. Ich lebe jetzt bei Freun­den, weil ich kei­ne Woh­nung habe und ich krie­ge mein Essen von ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen. Ich besit­ze nichts. Ich bekom­me nichts vom Staat. Jetzt war­te ich auf mei­nen Flücht­lings­pass. Sobald er da ist, will ich nur noch weg. Ich suche bloß ein Leben in Wür­de. Mehr nicht. Die Grie­chen sind die bes­ten Men­schen. Aber ich kann hier nicht über­le­ben.«