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Karlsruhe stoppt Abschiebung nach Griechenland
Deutschland und die Staaten Europas erhöhen den Abschiebedruck auf Griechenland. Es geht nicht nur um die Wiederaufnahme von sogenannten Dublin- Überstellungen, sondern auch anerkannte Flüchtlinge sind im Visier. In einem gestern veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht diesen Bemühungen einen Dämpfer versetzt.
Geklagt hatte ein Flüchtling aus Syrien. Er war im Juli 2015 nach Deutschland eingereist und konnte im Dezember 2015 einen Asylantrag stellen. Er gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an, in Griechenland bereits Asyl erhalten zu haben. Dort habe er allerdings habe auf der Straße gelebt und keinerlei Unterstützung vom griechischen Staat erhalten.
Asylantrag vom BAMF abgelehnt
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 8. November 2016 als unzulässig ab. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Klage gegen den Bescheid, stellte einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden wies diesen Antrag mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 ab.
Das VG Minden stellte lapidar fest, aus den zugänglichen Quellen lasse sich nicht entnehmen, dass anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland systematisch schlechter behandelt würden als Inländer. Und überhaupt habe sich die Lage der Flüchtlinge verbessert. Das Gericht verwies auch auf die Empfehlungen der EU Kommission, ab März 2017 wieder Dublin-Überstellungen nach Griechenland vorzunehmen.
Bundesverfassungsgericht stoppt Abschiebung
Das Bundesverfassungsgericht monierte nun, das VG hätte sich zumindest mit der Frage befassen müssen, »ob und wie für nach Griechenland zurückgeführte anerkannt Schutzberechtigte zumindest in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft der Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.«
»Seit drei Jahren lebe ich in Athen. […] Ich besitze nichts. Ich bekomme nichts vom Staat. […] Ich suche bloß ein Leben in Würde.«
Griechenland: Unterstützung für Flüchtlinge de facto nicht erreichbar
Das Bundesministerium des Innern hat in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass zum 1. Januar 2017 in Griechenland eine allgemeine Sozialleistung in Höhe von 200 € eingeführt werden sollte, die auch anerkannten Schutzberechtigten offen stehen würden. Anträge könnten erst ab dem 1. Februar 2017 gestellt werden. Praktische Erfahrungen bestünden noch keine.
In der Tat gibt es seit Februar 2017 eine Form der Sozialhilfe für Menschen mit besonders niedrigen Einkommen. Diese Unterstützungsleistung ist für anerkannte Flüchtlinge de facto jedoch nicht erreichbar. Um staatliche Leistungen in Anspruch nehmen zu können, müssen Antragssteller unter anderem einen Mietvertrag, eine Steuererklärung und ein Bankverbindung vorweisen.
Formale Voraussetzungen, die für einen großen Teil der anerkannten Flüchtlinge in Griechenland, insbesondere für Wohnsitzlose, nicht zu erfüllen sind. Auch die von einzelnen Kommunalverwaltungen ausgegebenen Essenskarten sehen dieselben, hohen Voraussetzungen vor.
Soziale Rechte für Geflüchtete nur auf dem Papier
Dies bedeutet, dass soziale Rechte für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland zwar auf dem Papier existieren, in der Praxis aber nicht gewährleistet sind. »Die Gewährleistung grundlegender sozialer Rechte ist derzeit eine Herausforderung sowohl für Schutzsuchende als auch für Begünstigte internationalen Schutzes in Griechenland.
Dem Land fehlt eine übergreifende Integrationsstrategie. Es mangelt auch an spezifischen Maßnahmen für die Flüchtlingsbevölkerung«, schreibt UNHCR im Februar 2017 an unseren Partner in Griechenland, Refugee Support Aegean (RSA).
Hilfe vom Staat erst nach Jahrzehnten
In seinem Beschluss monierte Karlsruhe auch, dass das Verwaltungsgericht sich nicht damit auseinander gesetzt hatte, »dass die in Griechenland verfügbaren Sozialleistungen – nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Erkenntnissen – an einen bis zu zwanzigjährigen legalen Aufenthalt anknüpfen, weshalb anerkannt Schutzberechtigte von der Inanspruchnahme dieser Leistungen faktisch ausgeschlossen sind.«
RSA bestätigt, dass gemäß aktueller griechischer Rechtslage, beispielsweise Familien mit mehr als zwei Kindern, nur dann Hilfe vom Staat bekommen, wenn sie mehr als zehn Jahre legal in Griechenland leben. Diese lange Aufenthaltsdauer erfüllt kaum ein anerkannter Flüchtling.
Wie die Situation für die Betroffenen ist
N.S. Palästinenserin aus Syrien: »Seit drei Jahren lebe ich in Athen. Dieses Jahr habe ich erst Asyl bekommen. Es war sehr schwer den Antrag überhaupt zu stellen. Ich lebe jetzt bei Freunden, weil ich keine Wohnung habe und ich kriege mein Essen von verschiedenen Organisationen. Ich besitze nichts. Ich bekomme nichts vom Staat. Jetzt warte ich auf meinen Flüchtlingspass. Sobald er da ist, will ich nur noch weg. Ich suche bloß ein Leben in Würde. Mehr nicht. Die Griechen sind die besten Menschen. Aber ich kann hier nicht überleben.«