05.09.2025
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Foto: privat

Für seinen lebenslangen Einsatz für Flüchtlinge zeichnet die Stiftung PRO ASYL Johannes Borgetto zusammen mit dem Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Region mit dem Menschenrechtspreis 2025 aus. Im Interview spricht er über internationale Aha-Erlebnisse, große Neugier, seinen Glauben, politischen Streit und Durchhaltevermögen bei Mahnwachen.

Was dach­ten Sie, als Sie gehört haben, dass Sie den Men­schen­rechts­preis der Stif­tung PRO ASYL bekommen?

Ich habe mich gefragt: Wie­so ich? Ich habe das bis­her für nicht so spek­ta­ku­lär gehal­ten, was wir hier in Darm­stadt im Klein-Klein machen. Es kann ja nur hei­ßen, dass ich die­sen Preis als Stell­ver­tre­ter bekom­me für vie­le in ganz Deutsch­land, die die glei­che Arbeit machen. Das sind ja Tausende.

Ja, des­halb wer­den sie auch zusam­men mit dem Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt aus­ge­zeich­net. Sie sind heu­te 77 Jah­re alt und wer­den sozu­sa­gen für Ihr Lebens­werk geehrt, des­halb fan­gen wir mal weit vor­ne an: Als Schü­ler gin­gen Sie 1965 für ein Jahr in die USA, im Stu­di­um arbei­te­ten Sie in einem spa­ni­schen Jugend­club und mit Spät­aus­sied­lern, mit 27 leb­ten und forsch­ten Sie ein hal­bes Jahr in einem Kib­buz in Isra­el. Wie kam es zu die­sen inter­na­tio­na­len Begegnungen?

Das Schul­jahr in den USA ist auf dem Mist mei­ner Mut­ter gewach­sen, ich habe mich noch gewun­dert, dass sie mich über­haupt genom­men haben, wo doch mein Eng­lisch so schlecht war. Aber wich­tig ist: Das Jahr hat mir neue Wel­ten erschlos­sen und mei­nen Blick­win­kel gewei­tet. Ich hat­te mein ers­tes inter­na­tio­na­les Aha-Erleb­nis: Die Welt ist ja um eini­ges wei­ter, als ich sie ken­ne. So gab es in dem klei­nen Ort in den USA nicht zwei Kir­chen, wie bei mir daheim in Krif­tel im Tau­nus, son­dern mehr als 20 mit unter­schied­li­chen Kon­fes­sio­nen. Und im spa­ni­schen Jugend­club hat mich fas­zi­niert, dass ita­lie­ni­sche und spa­ni­sche Jugend­li­che in ihrer jewei­li­gen Spra­che rede­ten und sich den­noch verstanden.

Zehn Jah­re nach dem Som­mer der Soli­da­ri­tät 2015 zeich­net die Stif­tung PRO ASYL drei Per­sön­lich­kei­ten aus, die sich seit vie­len Jah­ren soli­da­risch für ein gutes Ankom­men von Geflüch­te­ten in Deutsch­land und für deren Rech­te ein­set­zen. Ver­lie­hen wird der Preis am Sams­tag, 13. Sep­tem­ber 2025, in Frank­furt am Main.

Richard Rei­schl steht als Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Heberts­hau­sen stell­ver­tre­tend für die Kom­mu­ne und die Zivil­ge­sell­schaft, hier der Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen e.V. Imma­cu­la­te Chien­ku  steht als Akti­ve im Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. stell­ver­tre­tend für den Ver­ein und das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter. Johan­nes Bor­get­to, der sich seit Jahr­zehn­ten für das Recht auf Asyl ein­setzt, steht stell­ver­tre­tend für die Zivil­ge­sell­schaft, beson­ders den Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on (KOKAS).

Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006 jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen in Deutsch­land und Euro­pa ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulp­tur des Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Eine Über­sicht mit den bis­he­ri­gen Preisträger*innen steht hier.

In den Kib­buz kam ich, weil ich mich im Stu­di­um der Erzie­hungs­wis­sen­schaf­ten mit der Ich-Ent­wick­lung in kol­lek­ti­ven Sys­te­men beschäf­tigt habe. Das war wie­der eine ganz neue Welt – und geblie­ben sind davon bis heu­te enge Kon­tak­te zu Israe­lis, ein sehr tie­fes Inter­es­se am Isra­el-Paläs­ti­na-Kon­flikt und das Enga­ge­ment für die Men­schen­rech­te der Palästinenser.

Da sind also Ihre Schwer­punk­te schon früh ange­legt: Migra­ti­on und Flücht­lin­ge, der Isra­el-Paläs­ti­na-Kon­flikt und die inter­re­li­giö­se Arbeit. Wir kon­zen­trie­ren uns auf den ers­ten Bereich. 1979 tra­ten Sie eine fes­te Stel­le in der katho­li­schen Stu­den­ten­seel­sor­ge in Darm­stadt an mit dem Schwer­punkt »Bera­tung und Unter­stüt­zung aus­län­di­scher Studierender«. 

Da hat­te ich zunächst mit aus­län­di­schen Stu­die­ren­den in finan­zi­el­ler Not zu tun. In den 1990er-Jah­ren gab es dann die Außen­stel­le Darm­stadt der Erst­auf­nah­me­stel­le Hes­sen, noch mit hohem Zaun und Sta­chel­draht. Da haben wir zusam­men mit Stu­die­ren­den die Flücht­lin­ge unter­stützt, zum Bei­spiel bei den Behör­den­brie­fen, die aus­schließ­lich in Deutsch geschrie­ben waren. Das war ganz anders als heu­te, ohne Über­set­zungs­pro­gramm auf dem Han­dy ging es mit Hän­den und Füßen und eben mit aus­län­di­schen Stu­dies. In der Katho­li­schen Hoch­schul­ge­mein­de (KHG) hat sich dann der wöchent­li­che »Treff­punkt Eine Welt« entwickelt.

Die Flücht­lin­ge sind in den Hilfs­struk­tu­ren immer hin­ten run­ter­ge­fal­len. Sie sind am vul­nerabels­ten. Flucht ist eine sehr bedrü­cken­de Form der Migration.

Migra­ti­on hat ja sehr vie­le Facet­ten. Sie haben im Lauf Ihres Lebens einen Schwer­punkt Ihres Enga­ge­ments auf Flücht­lin­ge gelegt. Warum?

Die Flücht­lin­ge sind in den Hilfs­struk­tu­ren immer hin­ten run­ter­ge­fal­len. Sie sind am vul­nerabels­ten. Flucht ist eine sehr bedrü­cken­de Form der Migra­ti­on. Ich habe immer geschaut: Wo sind die Lücken? Wo fehlt es? Um 1990 hat sich dann der Koor­di­na­ti­ons­kreis gegrün­det, zur gegen­sei­ti­gen Infor­ma­ti­on, Bera­tung und für gemein­sa­me Akti­vi­tä­ten. Schon damals haben wir uns laut geäu­ßert, zum Bei­spiel haben wir hef­tig mit dem hie­si­gen SPD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten gestrit­ten, als es um die Ände­rung des Arti­kels 16 des Grund­ge­set­zes ging.

Und wir haben schon früh Sprach­kur­se ange­bo­ten, auch für die­je­ni­gen, die im Ver­fah­ren sind. Die Men­schen hat­ten ja nichts, was ihr Leben struk­tu­riert hät­te, oder was sie selbst posi­tiv gestal­ten konn­ten. Und selbst wenn sie wie­der zurück­müs­sen, haben sie mit einer neu­en Spra­che eine neue Welt erschlos­sen und Fähig­kei­ten erwor­ben, die sie mit nach Hau­se neh­men können.

Mit »wir« mei­nen Sie auch den Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on, kurz KOKAS, mit dem zusam­men Sie aus­ge­zeich­net wer­den. Der KOKAS ist ein über­grei­fen­der Zusam­men­schluss von ehren- und haupt­amt­li­chen Akti­ven in der Flücht­lings­ar­beit. Im Lauf der Jahr­zehn­te hat der Kreis unter ande­rem ört­li­che Asyl­krei­se bei ihrer Grün­dung beglei­tet, Sprach­kur­se ange­sto­ßen, Fort­bil­dun­gen zum Bei­spiel für ehren­amt­li­che Sprachlehrer*innen ange­bo­ten und Info­aben­de orga­ni­siert. Wie seht die Arbeit heu­te aus? Was hat sich verändert?

Vie­les ist pro­fes­sio­na­li­siert wor­den, zum Bei­spiel die Sprach­kur­se. Ande­res ist geblie­ben wie die kon­kre­te Beglei­tung von Flücht­lin­gen. Und wir sind weni­ger und älter gewor­den. Des­halb ver­su­chen wir auch, mit Orga­ni­sa­tio­nen wie See­brü­cke, in denen sich jün­ge­re Men­schen enga­gie­ren, zusam­men­zu­ar­bei­ten. Aber die Art der Öffent­lich­keits­ar­beit wie wir sie betrei­ben mit Mahn­wa­chen, Kund­ge­bun­gen, poli­ti­scher Arbeit scheint nicht mehr so ange­sagt zu sein.

Und das gesell­schaft­li­che Kli­ma ver­än­dert sich: all­ge­mein und auch uns gegen­über. Das sieht man zum Bei­spiel dar­an, dass der ver­un­glimp­fen­de Gebrauch des Wor­tes »Gut­mensch« zum Unwort des Jah­res 2015 gewählt wur­de – obwohl 2015 gleich­zei­tig das Jahr der Will­kom­mens­kul­tur war. All­ge­mein hät­te ich nie gedacht, dass sich die Par­tei­en wirk­lich so von der AfD jagen lassen.

Geblie­ben ist auch die Mahn­wa­che des KOKAS mit dem Trans­pa­rent »Für eine huma­ne Flücht­lings­po­li­tik in Deutsch­land und Euro­pa«. Seit 2016 ste­hen Sie zusam­men mit ande­ren an jedem drit­ten Mon­tag im Monat auf dem Lui­sen­platz in Darm­stadt. Zur 100. Mahn­wa­che im Juni 2025 kamen rund 50 Men­schen, doch üblich sind inzwi­schen eher drei bis sechs. Wie­so ist die­se beacht­li­che Beharr­lich­keit wichtig? 

Auch wenn die Leu­te nur beim Vor­bei­ge­hen die Schil­der lesen und den Dau­men hoch­hal­ten, ist das ermu­ti­gend, stärkt unser Enga­ge­ment und bestärkt auch die posi­ti­ve Hal­tung von Pas­san­ten. Ich den­ke, dass wir damit auch ein Stein des Ansto­ßes sind, auch im posi­ti­ven Sin­ne: einen Stein ins Was­ser wer­fen und hof­fen, dass sich die Bot­schaft ver­brei­tet. Manch­mal weiß man es ja selbst gar nicht, wenn man etwas bewirkt hat. Neu­lich zum Bei­spiel sag­te jemand zu mir: Was Du mir damals vor 30 Jah­ren gesagt hast, das hat mit sehr gehol­fen. Des­halb hal­ten wir die Mahn­wa­che, solan­ge drei Leu­te zusam­men­kom­men: zwei für das Trans­pa­rent und einer für Hand­zet­tel und Gesprä­che. Aber natür­lich wäre es bes­ser, wenn wir mehr wären. Doch in letz­ter Zeit bekom­men wir auch immer wie­der mehr Unter­stüt­zung, vor allem von den Omas gegen Rechts.

Beim Blick auf Ihren Lebens­lauf stellt sich die Fra­ge: Haben Sie Ihr Hob­by zum Beruf oder ihren Beruf zum Hob­by gemacht? Für bei­des gilt: Was treibt Sie an? 

Ich den­ke, mei­ne eige­ne Geschich­te, die enga­gier­ten Men­schen, die ich getrof­fen habe, mein Glau­be – und vor allem auch mei­ne Neu­gier auf Men­schen. Ich bin ein ita­lie­ni­sches Ein­wan­de­rer­kind der vier­ten Gene­ra­ti­on, auch des­halb sind mir Men­schen, die sich in einer frem­den Welt zurecht­fin­den müs­sen, sehr nah.

Und ich bin katho­lisch sozia­li­siert und in den Links­ka­tho­li­zis­mus rein­ge­wach­sen, bis heu­te bin ich bei pax christi/Internationale katho­li­sche Frie­dens­be­we­gung aktiv. Wenn ich als Christ glau­be, dass jeder Mensch das Eben­bild Got­tes ist, bin ich ver­pflich­tet, mich für alle Men­schen ein­zu­set­zen. Wir arbei­ten schon hier in der Welt am Reich Got­tes, indem wir an der Gerech­tig­keit für alle Men­schen arbeiten.

Her­bert Leu­nin­ger, Mit­be­grün­der von PRO ASYL, zum Bei­spiel war bei uns in Krif­tel im Jahr 1970 Pfar­rer und mir ein Vor­bild, bevor er mit dem fort­schritt­li­chen Mess-Fes­ti­val für Jugend­li­che, ver­an­stal­tet in Hof­heim, in die Schlag­zei­len geriet.

1971 habe ich, gemein­sam mit einem pax chris­ti-Freund, zum Bei­spiel einen Arti­kel in der links­ka­tho­li­schen Zeit­schrift Publik Forum geschrie­ben, in dem ich die dama­li­gen Kür­zun­gen im Kin­der­geld für aus­län­di­sche Fami­li­en kri­ti­sier­te und der pax chris­ti-Kol­le­ge die stei­gen­den Rüs­tungs­aus­ga­ben, die zeit­gleich in das Kampf­flug­zeug MRCA-Tor­na­do gesteckt wur­den. Die­se Mecha­nis­men – Sozi­al­aus­ga­ben run­ter, Mili­tär­aus­ga­ben hoch – sind heu­te ja lei­der auch nicht anders.

Johan­nes Bor­get­to (Jahr­gang 1948) bekommt den Men­sch­rechts­preis der Stif­tung PRO ASYL zusam­men mit dem Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on (KOKAS) stell­ver­tre­tend für Per­so­nen aus der Zivil­ge­sell­schaft, die sich seit Jahr­zehn­ten für Flücht­lin­ge und das Recht auf Asyl ein­set­zen – und auch für sein Lebenswerk.

Nach dem Stu­di­um der Erzie­hungs­wis­sen­schaft, Theo­lo­gie und Poli­tik arbei­te­te er 20 Jah­re lang in der Katho­li­schen Hoch­schul­ge­mein­de Darm­stadt unter ande­rem mit inter­na­tio­na­len Student*innen und Flücht­lin­gen, danach 14 Jah­re lang bis zu sei­nem Ruhe­stand im Jahr 2013 als Fach­be­ra­ter für Migra­ti­ons­fra­gen beim Cari­tas­ver­band Darm­stadt. Seit sei­ner Jugend setzt sich Johan­nes Bor­get­to ehren- und haupt­amt­lich für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge, den inter­re­li­giö­sen Dia­log, Frie­dens­ar­beit und eine gerech­te Lösung im Isra­el-Paläs­ti­na-Kon­flikt ein.

Eini­ge wich­ti­ge Sta­tio­nen sind:   Betreu­ung von Spätaussiedler*innen im Lager Hocheim/Main (1970/71), Mit­glied in der Nah­ost-Kom­mis­si­on von Pax Chris­ti (1986 bis 2004), Lei­tung des Israel/Palästina Soli­da­ri­täts­krei­ses Darm­stadt (seit 1979), Grün­dungs­mit­glied der Arbeits­ge­mein­schaft Christ­li­cher Kir­chen (ACK) Darm­stadt (1991),  Mit­be­grün­der und Lei­ter des Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on KOKAS (seit 1991), Mit­glied in der Kom­mis­si­on für Islam­fra­gen der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau (EKHN) (seit 1998), Beauf­trag­ter der katho­li­schen Kir­che Darm­stadt für inter­re­li­giö­se Begeg­nung  (2001 bis 2016), (mit)verantwortlicher Koor­di­na­tor für die Inter­kul­tu­rel­le Woche Darm­stadt (2006 bis 2010).

Hin­zu kom­men Exkur­sio­nen in Kon­flikt­re­gio­nen der Welt wie Israel/Palästina, Les­bos, Süd­ita­li­en und Afghanistan.

Und Sie sind neu­gie­rig, sagen Sie?

Ja. Ich bin unheim­lich neu­gie­rig auf die Welt, auf die Men­schen. Ich fin­de es total span­nend, mich mit ande­ren Sicht­wei­sen, Gepflo­gen­hei­ten und Erfah­run­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das fing schon 1965 an mit dem Jahr als Schü­ler in den USA und ab 1970 mit der Betreu­ung von Spätaussiedler*innen im Lager Hochheim/Main und hält bis heu­te an.

Sie schei­nen nach wie vor uner­müd­lich zu sein, im ver­gan­ge­nen Jahr grün­de­ten Sie noch zusam­men mit ande­ren den Ver­ein »Hoff­nung und Hil­fe für Afgha­ni­stan«. Den­ken Sie auch mal ans Aufhören?

Naja, ich höre schon immer mal wie­der in der Fami­lie den etwas spöt­ti­schen Satz: Gehst Du mal wie­der die Welt ret­ten? Ganz auf­hö­ren könn­te ich nicht, aber etwas kür­zer tre­ten wür­de ich schon gern. Doch ich will auch nicht auf­hö­ren nach dem Mot­to: nach mir die Sint­flut. Ich habe mal den schö­nen Spruch gehört: Fan­ge nie an, auf­zu­hö­ren, höre nie auf, anzufangen.

Wir haben ein Ver­wal­tungs­pro­blem, kein Migra­ti­ons­pro­blem. Weil die Abschre­ckungs­be­für­wor­ter leug­nen, dass Deutsch­land ein Ein­wan­de­rungs­land ist, neh­men sie die Mög­lich­kei­ten einer bun­ten Gesell­schaft nicht wahr und ver­schen­ken vie­le Chancen.

Sie haben unter ande­rem Theo­lo­gie stu­diert und in kirch­li­chen und reli­giö­sen Zusam­men­hän­gen gear­bei­tet. In den von Ihnen ver­fass­ten Zehn Gebo­ten des Flücht­lings­schut­zes heißt es: Du sollst weder die Saha­ra noch das Mit­tel­meer zu einem gro­ßen Fried­hof ver­kom­men las­sen. Dann geht es wei­ter mit Waf­fen­lie­fe­run­gen, Dum­ping­prei­sen, Wirt­schafts­sys­te­men und Roh­stof­fen. Was hat das mit Ihrem Enga­ge­ment für Flücht­lin­ge zu tun?

Wenn ich mich hier für die Rech­te von Flücht­lin­gen enga­gie­re, muss ich auch in die Welt schau­en. Was ich da in den Gebo­ten auf­ge­zählt habe, sind alles Flucht­grün­de. Die­se Zusam­men­hän­ge müs­sen wir sehen und immer wie­der ansprechen.

»Wir schaf­fen das« ist der­zeit über­all The­ma. Wie ist ihre Ein­schät­zung: Haben wir es geschafft? 

Wir als Gesell­schaft haben es nicht wirk­lich geschafft. Weil zu weni­ge Res­sour­cen zur Ver­fü­gung gestellt wur­den, sodass nun die nach­ho­len­de Inte­gra­ti­on viel teu­rer und auf­wen­di­ger wird. Und: Wir haben ein Ver­wal­tungs­pro­blem, kein Migra­ti­ons­pro­blem. Weil die Abschre­ckungs­be­für­wor­ter leug­nen, dass Deutsch­land ein Ein­wan­de­rungs­land ist, neh­men sie die Mög­lich­kei­ten einer bun­ten Gesell­schaft nicht wahr und ver­schen­ken vie­le Chancen.

Aber den­noch haben es sehr vie­le, die 2015 nach Deutsch­land kamen, geschafft. Ich ken­ne zum Bei­spiel einen Mann, der hier in Deutsch­land erst­mal alpha­be­ti­siert wer­den muss­te. Und nun hat er einen Haupt­schul­ab­schluss. Das ist teil­wei­se unglaub­lich, was Flücht­lin­ge geschafft haben.

 

(wr)