15.05.2025
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Stiller Protest: »Grenzen zerstören Familien.« Foto: Salinia Stroux / RSA

Zwei Männer, zwei Familien, ein gemeinsames Schicksal – geprägt von Krieg, Flucht, Bürokratie und einer zunehmend familienfeindlichen Flüchtlingspolitik in Deutschland. Ihr Schicksal steht exemplarisch für tausende weitere getrennte Familien.

Ali S. ist 40 Jah­re alt und stammt aus Syri­en. Als Ange­hö­ri­ger einer reli­giö­sen Min­der­heit muss­te er 2022 vor Bedro­hung flie­hen und lebt seit­her in Rhein­land-Pfalz. Anfang 2023 erhielt Ali sub­si­diä­ren Schutz – ein Schutz­sta­tus, der zwar Leben ret­tet, aber bei dem das Recht auf Fami­li­en­ein­heit seit 2016 mas­siv ein­ge­schränkt wur­de. Sei­ne Frau und drei Kin­der (neun, sie­ben und zwei­ein­halb Jah­re) war­ten seit mitt­ler­wei­le 26 Mona­ten ver­geb­lich dar­auf, über­haupt einen Antrag auf Fami­li­en­nach­zug stel­len zu dür­fen. Grund dafür sind die lan­gen War­te­zei­ten an den deut­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen und die poli­ti­sche Decke­lung, dass nur 1.000 Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge pro Monat zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten nach Deutsch­land nach­zie­hen dür­fen. Alis’ jüngs­tes Kind wur­de nach sei­ner Flucht gebo­ren – Ali hat es noch nie gese­hen. Er ist phy­sisch in Sicher­heit, aber see­lisch zer­ris­sen: »Ich habe mein Leben ris­kiert, um mei­ne Fami­lie in Sicher­heit zu brin­gen – wie kann ich mich sicher füh­len, wenn sie es nicht sind?«

Hamed S., 30 Jah­re alt und aus dem Jemen, lebt seit Okto­ber 2021 in Deutsch­land. In sei­ner Hei­mat arbei­te­te er mit dem Inter­na­tio­na­len Roten Kreuz und Ärz­te ohne Gren­zen. Als er zuneh­mend durch Kriegs­ak­teu­re bedroht wur­de, muss­te er flie­hen. Seit 2022 ist er in Deutsch­land sub­si­di­är geschützt. Sei­ne Ehe­frau stell­te im Juli 2023 über die deut­sche Bot­schaft in Mas­kat (Oman) ihren Visa­an­trag – seit­dem: Funk­stil­le sei­tens der Bot­schaft. Statt­des­sen etli­che Rück­fra­gen und Doku­men­ten­nach­for­de­run­gen der Aus­län­der­be­hör­de, ein nahe­zu end­lo­ser Papier­krieg. Hamed leis­te­te sämt­li­chen For­de­run­gen Fol­ge – bis auf einen Miet­ver­trag, den er gar nicht vor­le­gen kann, weil er in einer Gemein­schafts­un­ter­kunft lebt. Trotz­dem hat Hamed bis heu­te kei­ne Per­spek­ti­ve, wann das Ver­fah­ren in Gang kommt. Die schmerz­li­che Tren­nung belas­tet ihn seit nun fast fünf Jahren.

»Ich bin müde, erschöpft und psy­chisch am Ende«, sagt Hamed S. »Ich wache jeden Mor­gen mit der Hoff­nung auf, dass es der Tag sein wird, an dem ich mit mei­ner Frau leben kann. Aber das War­ten ist lang – und die Ent­täu­schung mein stän­di­ger Beglei­ter.« Sei­ne Wor­te sind die Stim­me vie­ler: »Fami­li­en­le­ben ist kein Luxus. Es ist ein Men­schen­recht. Bit­te seht uns – nicht als Akten, son­dern als Men­schen mit Her­zen, die zer­bre­chen.«

»»Fami­li­en­le­ben ist kein Luxus. Es ist ein Men­schen­recht. Bit­te seht uns – nicht als Akten, son­dern als Men­schen mit Her­zen, die zerbrechen.««

Pläne der neuen Bundesregierung verletzt Recht auf Familie

Die jüngs­ten Plä­ne der Bun­des­re­gie­rung zur Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs für sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te machen aus die­ser huma­ni­tä­ren Tra­gö­die eine poli­ti­sche. Die Angst ist greif­bar: Dass sich Türen end­gül­tig schlie­ßen. Dass Kin­der ihre Eltern nie wie­der in die Arme schlie­ßen kön­nen. Dass die Tren­nung zemen­tiert wird – auf unbe­stimm­te Zeit oder für immer.

Die­se Poli­tik signa­li­siert nicht Sicher­heit, son­dern Käl­te. Sie schafft nicht Inte­gra­ti­on, son­dern Iso­la­ti­on. Und sie ver­letzt das Recht auf Schutz der Fami­lie in Arti­kel 6 des Grund­ge­set­zes und  in inter­na­tio­na­len Men­schen­rechts­stan­dards im Völ­ker­recht (Art. 8 EMRK, Art. 3, 10 UN-KRK) und im euro­päi­schen Grund­recht (Art. 7, 24 Abs. 2 GRCh).

PRO ASYL sagt klar: Der Fami­li­en­nach­zug ist kei­ne Gna­de, son­dern ein Men­schen­recht. Deutsch­land darf das Recht auf Fami­lie nicht wei­ter ent­ker­nen. Die Men­schen, die hier Schutz suchen, dür­fen nicht durch Geset­ze zer­mürbt und durch War­ten gebro­chen werden.
Statt wei­te­rer Ein­schrän­kun­gen braucht es drin­gend schnel­le­re Ver­fah­ren, die trans­pa­rent und fami­li­en­freund­lich sind. Denn hin­ter jeder Zahl steht ein Schick­sal – wie das von Ali S., Hamed S., ihren Frau­en und Kindern.

(nb)