25.06.2014
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Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verhandelt heute über den Asylantrag des US-Deserteurs André Shepherd. Connection e.V. und PRO ASYL unterstützen den Kiregsdienstverweigerer. Foto: Connection e.V.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verhandelt heute über den Asylantrag des US-Deserteurs André Shepherd. Brisant: Das Gericht kommt schwerlich um eine völkerrechtliche Bewertung des Irakkriegs herum.

André She­p­herd geht im Jahr 2004 zur US-Armee und wird nach kur­zer Zeit im Irak­krieg ein­ge­setzt. Der Mecha­ni­ker ist dort ver­ant­wort­lich für die War­tung von Apa­che-Hub­schrau­bern. Nach sei­ner Rück­kehr zu sei­nem Stütz­punk in Ket­ten­bach (Bay­ern) wer­den immer mehr Details über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen der US-Armee im Irak bekannt. She­p­herd erfährt unter ande­rem, dass in Fal­lud­scha von Kampf­hub­schrau­bern aus gezielt auf Zivi­lis­ten geschos­sen wird. Wäh­rend die Men­schen ster­ben, amü­sier­ten sich die Sol­da­ten über Funk, wird spä­ter bekannt.

Als er im Jahr 2007 einen neu­en Ein­satz­be­fehl für den Irak erhält, deser­tiert er. Er will nicht für die Kampf­fä­hig­keit von Hub­schrau­bern sor­gen, die gegen Zivi­lis­ten ein­ge­setzt wer­den. „Schließ­lich wuss­te ich: Wenn ich noch ein­mal in den Irak gehe, wer­de ich für den Tod und das Elend Ande­rer ver­ant­wort­lich sein.“, sagt She­p­herd. Wegen die­ser Ent­schei­dung droht She­p­herd eine har­te Stra­fe durch ein Mili­tär­ge­richt. Jah­re­lan­ge Haft­stra­fen wur­den in der Ver­gan­gen­heit gegen deser­tier­te US-Sol­da­ten ver­hängt. Um der Inhaf­tie­rung zu ent­ge­hen, stellt er einen Asyl­an­trag beim Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge. She­p­herd ist damit der ers­te US-Deser­teur, der in Deutsch­land Asyl bean­tragt hat.

Wann darf ein Deser­teur mit Schutz rechnen?

Am 31. März 2011 lehnt das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) den Asyl­an­trag von André She­p­herd ab.  Das BAMF schreibt: „Ob die von ihm betreu­ten Hub­schrau­ber und ihre Besat­zun­gen aber tat­säch­lich an kon­kre­ten (völ­ker-) rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen betei­ligt waren, ist weder aus­rei­chend dar­ge­stellt wor­den noch sonst­wie kon­kret fest­stell­bar.“ Es rei­che nicht aus, wenn die Ver­wei­ge­rung aus Gewis­sen­grün­den geschieht, so dass BAMF wei­ter. Asyl wür­de zudem nur dann gewährt wer­den, wenn nach­ge­wie­sen sei, dass sich She­p­herd beim Ver­bleib in den US-Streit­kräf­ten mit nahe­zu an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit an völ­ker­rechts­wid­ri­gen Taten – wie Ver­bre­chen gegen die Menschlick­heit – betei­li­gen müsste.

Mit die­ser Argu­men­ta­ti­on wür­de der Flücht­lings­schutz für Des­ser­teu­re nahe­zu leer lau­fen. Um spä­ter durch das Asyl­recht geschützt zu wer­den, wür­de ihnen abver­langt, vor der Deser­ti­on fest­zu­stel­len, dass sie in der Zukunft zum völ­ker­straf­recht­li­chen Täter wer­den wür­den. Zudem wür­de Deser­teu­ren, die nur mit­tel­ba­ren an Kampf­hand­lun­gen betei­ligt gewe­sen sind, etwa weil sie Kriegs­ge­rät war­te­ten, ein Recht auf Asyl ver­wei­gert bleiben.

She­p­herds Rechts­an­walt reich­te daher mit der Unter­stüt­zung von PRO ASYL und Con­nec­tion e.V. beim Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen Kla­ge gegen den Bescheid ein. She­p­herd beruft sich dabei auf die Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie der Euro­päi­schen Uni­on, die die Aner­ken­nungs­vor­aus­set­zun­gen für Flücht­lin­ge regelt. Dadurch soll unter ande­rem Deser­teu­re geschützt wer­den, denen wegen der Ver­wei­ge­rung des Mili­tär­diens­tes eine Stra­fe droht, sofern der Mili­tär­dienst völ­ker­rechts­wid­ri­ge Ver­bre­chen oder Hand­lun­gen umfas­sen würde.

She­p­herds Kla­ge wird vor dem EUGH verhandelt

Da das Asyl­be­geh­ren von André She­p­herd euro­päi­sches Recht berührt und Grund­satz­fra­gen auf­wirft, leg­te das Ver­wal­tungs­ge­richt den Fall dem Euro­päi­schen Gerichts­hof (EUGH) vor. Heu­te wird beim EUGH über den Fall ver­han­delt werden.

Vom Aus­gang des Ver­fah­rens erhof­fen sich PRO ASYL und Con­nec­tion e.V., dass Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern und Deser­teu­ren ein deut­lich erhöh­ter Schutz zuteil wird als bis­her, ins­be­son­de­re, wenn sie sich gegen die Teil­nah­me an Kriegs­ver­bre­chen ent­schei­den, auch wenn sie nur mit­tel­bar an Kriegs­hand­lun­gen betei­ligt gewe­sen sind.

Doch der Fall hat auch diplo­ma­ti­sche Bri­sanz: Es wird dem EUGH schwer fal­len, die Fra­ge zu umschif­fen, ob im Irak­krieg völ­ker­rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen began­gen wurden.

Im Herbst die­ses Jah­res ist mit dem Schluss­an­trag der Gene­ral­an­wäl­tin zu rech­nen, eine Ent­schei­dung des EUGH wird im Früh­jahr 2015 erwartet.

Bro­schü­re „Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung und Asyl: Hin­ter­grün­de, Stel­lung­nah­men, Rechts­grund­la­gen“ (PDF)

 Fall André She­p­herd: Euro­päi­scher Gerichts­hof urteilt zu Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung und Asyl (27.02.15)