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Irgendwo in der Ägäis schwimmen sie, die "europäischen Werte". Foto: Björn Kietzmann

Ausgerechnet der Frontex-Chef erinnert die EU-Staaten nun in einem Interview an ihre Pflicht, Flüchtlingen Schutz zu gewähren und betont, dass Zäune keine Lösung sind. Ungeachtet der Eigeninteressen, die die Behörde mit solchen Aussagen verfolgt, zeigt das den beschämenden Zustand der europäischen Flüchtlingspolitik.

»In Syri­en herrscht noch immer ein Bür­ger­krieg, in des­sen Fol­ge rund die Hälf­te der Bevöl­ke­rung das Land ver­las­sen hat. […] Je fer­ner der Frie­den rückt, des­to ver­zwei­fel­ter wer­den die­se Leu­te. Die­se Men­schen ver­schwin­den nicht. Und Euro­pa hat wei­ter­hin die Pflicht, ihnen Schutz zu gewäh­ren« – viel zu sel­ten hört man sol­che Sät­ze in der aktu­el­len Dis­kus­si­on, die mehr und mehr von kal­ter Abschot­tungs­rhe­to­rik geprägt ist.

Umso über­ra­schen­der ist, dass sie von Fabri­ce Leg­ge­ri, dem Lei­ter der euro­päi­schen Grenz­schutz­be­hör­de Fron­tex stam­men. In einem Inter­view mit der ZEIT for­dert er lega­le Wege für Flücht­lin­ge, mehr euro­päi­sche Soli­da­ri­tät bei deren Auf­nah­me – und kri­ti­siert die Dub­lin-Rege­lung als veraltet.

Das Frontex-Kerngeschäft: Abschottung Europas

Bei Fron­tex han­delt es sich um eine Behör­de, deren Auf­ga­be die Abschot­tung Euro­pas ist – und deren Bud­get in den letz­ten Jah­ren enorm auf­ge­stockt wur­de. Daher darf natür­lich nicht außer Acht gelas­sen wer­den, dass sol­che Agen­tu­ren in sol­chen Inter­views auch ein „white­washing“ ihrer eige­nen Poli­tik betrei­ben. Neben dem Bud­get wur­den auch die Befug­nis­se von Fron­tex Ende des ver­gan­ge­nen Jah­res mas­siv aus­ge­baut. Der kla­re Auf­trag: Die Zahl der Flücht­lin­ge, die nach Euro­pa kom­men, ver­rin­gern. Dabei griff Fron­tex in der Ver­gan­gen­heit auch schon auf ille­ga­le Mit­tel, wie Push-Backs zurück – also auf Zurück­wei­sun­gen von Flücht­lin­gen auf offe­ner See.

Beson­ders pro­ble­ma­tisch sind vor allem die von Fron­tex vor­an­ge­trie­be­nen Ver­su­che, Grenz­kon­trol­len zu exter­na­li­sie­ren und Tran­sit­staa­ten wie Marok­ko – oder eben die Tür­kei als Tür­ste­her zu instru­men­ta­li­sie­ren. Flücht­lin­ge sol­len schon in die­sen Län­dern auf ihrem Weg nach Euro­pa auf­ge­hal­ten wer­den, so die Vor­stel­lung von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und Fron­tex (Art. 53 im Ver­ord­nungs­ent­wurf, der den Ver­hand­lun­gen im Dezem­ber zugrun­de­lag). Wie es um die Men­schen­rech­te in die­sen „Part­ner­län­dern“ bestellt ist, ist der Agen­tur dabei egal.

»Zäu­ne kön­nen Men­schen auf Dau­er nicht stop­pen. Sie sind kei­ne Lösung.«

Fabri­ce Leg­ge­ri, Frontex-Chef

Bemer­kens­wert ist daher, dass sich aus­ge­rech­net die Grenz­schutz­agen­tur nun offen­bar um die viel­be­schwo­re­nen „euro­päi­schen Wer­te“ sorgt. Die Mah­nung, dass es ande­rer Kon­zep­te bedarf, als Zäu­ne zu bau­en und das Leid der Men­schen aus siche­rer Ent­fer­nung zu igno­rie­ren, hät­te man von vie­len euro­päi­schen Akteu­ren erwar­tet – nicht von Fron­tex, dem EU-eige­nen Werk­zeug zur Siche­rung der Außengrenzen.