09.10.2015
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Bayern droht, Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen - ein weiterer Schritt zur Orbanisierung der Flüchtlingspolitik. Ein Grenzzaun zu Österreich - wie hier an der ungarischen Grenze - wäre die logische Folge. Foto: Wikimedia / Rlevente

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat „Maßnahmen zur Notwehr“ gegen die Einreise von Schutzsuchenden angekündigt – darunter Zurückweisungen von Asylsuchenden an der österreichischen Grenze. Seehofers Vorstöße sind verfassungs- und menschenrechtswidrig – sie brechen offen mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats.

„Die Gren­ze der Auf­nah­me­fä­hig­keit Deutsch­lands und Bay­erns ist erreicht“, so heißt es im heu­ti­gen Beschluss  der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung. Dem ging bereits die Dro­hung See­ho­fers vor­aus, „Maß­nah­men zur Not­wehr“ zu ergrei­fen.  „Staats­not­stand“ und „Staats­not­wehr“ –  Das sind  Dro­hun­gen mit Mit­teln, „die aus dem Gedan­ken­ge­bäu­de des abso­lu­ten Staa­tes stam­men“, wie Heri­bert Prantl tref­fend feststellt.

Flücht­lin­ge als Bedro­hung, der Rechts­bruch als Not­wehr – das ent­spricht zudem fast eins zu eins der Logik jener, die es für „legi­ti­me Not­wehr“ hal­ten, Flücht­lings­un­ter­künf­te anzu­zün­den: 490 Angrif­fe auf Flücht­lings­un­ter­künf­te ver­zeich­net die Bun­des­re­gie­rung bereits im lau­fen­den Jahr. Aus­sa­gen wie die See­ho­fers sind es, die Täter und Sym­pa­thi­san­ten als offi­zi­el­le Bestä­ti­gung ihres Welt­bilds feiern.

Legal, ille­gal, scheißegal?

„Als Not­maß­nah­me müs­sen Zurück­wei­sun­gen von Flücht­lin­gen unmit­tel­bar an der Gren­ze erfol­gen“, so die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung. Falls der Bund hier nicht tätig wer­de, „behält sich der Frei­staat Bay­ern vor, anlass­be­zo­gen eige­ne Maß­nah­men zu ergrei­fen“. Neben Zurück­wei­sun­gen an den Gren­zen for­dert Bay­ern, den Fami­li­en­nach­zug für Bür­ger­kriegs­flücht­lin­ge zu begren­zen. Weder dies noch die Zurück­wei­sun­gen sind recht­lich möglich.

Rechts­wid­rig:  Zurück­wei­sun­gen von Flücht­lin­gen nach Österreich

Eine Zurück­wei­sung an den Gren­zen ist ein Angriff auf die in Euro­pa gel­ten­den Flücht­lings­rech­te.  Nach der EU-Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie haben Asyl­su­chen­de das Recht, an der Gren­ze einen Asyl­an­trag zu stel­len. Solan­ge ihr Asyl­an­trag geprüft wird, dür­fen sie im Land blei­ben (Arti­kel 9). Die Richt­li­nie garan­tiert aus­drück­lich, dass jeder Antrag auf Schutz geprüft wer­den muss. Erst wenn der Antrag nega­tiv beschie­den wor­den ist und der Rechts­weg vor Gericht aus­ge­schöpft ist, dür­fen die Staa­ten die betref­fen­de Per­son abschie­ben. Die Zurück­wei­sung von Asyl­su­chen­den an der baye­ri­schen Gren­ze wäre ein kla­rer Ver­stoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie.

Zurück­wei­sun­gen von Flücht­lin­gen nach Öster­reich, wie die CSU sie vor­sieht, wären auch mit der Dub­lin-Ver­ord­nung nicht ver­ein­bar. Sie sieht vor, dass der ent­spre­chend der Ver­ord­nung zustän­di­ge EU-Staat bestimmt wer­den muss. Bei den Flücht­lin­gen, die über Öster­reich ein­rei­sen, wäre dies in der Regel Ungarn. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te hat wegen einer Ver­let­zung von Arti­kel 3 der EMRK Abschie­bun­gen nach Grie­chen­land gestoppt. In Anleh­nung an die­se Recht­spre­chung wei­gern sich Gerich­te in Deutsch­land oft­mals, Über­stel­lun­gen nach Ungarn zuzustimmen.

Sta­chel­draht an der deutsch-öster­rei­chi­schen Grenze?

Die Zurück­wei­sun­gen wären über­dies nur mög­lich, wenn die Land­gren­ze Deutsch­lands sys­te­ma­tisch über­wacht und abge­rie­gelt wird – letzt­lich läuft der Plan dar­auf hin­aus, ent­lang inner­eu­ro­päi­scher Gren­zen Zäu­ne und Mau­ern zu errich­ten. Fin­ge Bay­ern damit an, droht eine Ket­ten­re­ak­ti­on – wei­te­re Zäu­ne an der Gren­ze zwi­schen Öster­reich und Ungarn wären die Folge.

„Schutz von Ehe und Fami­lie“ nur für Deutsche?

Mit der Ankün­di­gung den Fami­li­en­nach­zug zu begren­zen, greift Bay­ern das Grund­recht an, als Fami­lie zusam­men­zu­le­ben. Arti­kel 6 GG  ist kein Deut­schen­recht  – es  gilt für alle Men­schen in Deutsch­land. Schon jetzt wer­den Kriegs­flücht­lin­ge durch büro­kra­ti­sche Hür­den in ihrem Recht beschnit­ten, ihre Fami­li­en­mit­glie­der zu sich zu ret­ten. Vie­le Betrof­fe­nen ban­gen tag­täg­lich um das Leben und die Unver­sehrt­heit ihrer in Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten fest­sit­zen­den Kin­der und Ehe­part­ner. Dass die CSU, die sonst so ger­ne auf den „Schutz von Ehe und Fami­lie“ pocht, Kriegs­flücht­lin­gen das Recht auf Fami­lie ver­weh­ren will, zeigt deut­lich, wie es um den Wer­te­ka­non der Christ­so­zia­len steht.