05.09.2025
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Foto: Privat

Richard Reischl und das bayerische Hebertshausen sind bekannt für ihre flüchtlingsfreundliche Politik. Dafür zeichnet die Stiftung PRO ASYL den Ersten Bürgermeister und den Helferkreis Asyl mit dem Menschenrechtspreis 2025 aus. Im Interview spricht er über Jobs für Flüchtlinge, unverzichtbare Ehrenamtliche, Brezeln und seinen Abschied von der CSU.

Was dach­ten Sie, als Sie gehört haben, dass Sie den Men­schen­rechts­preis der Stif­tung PRO ASYL bekommen?

War­um ich? Ich bin erstaunt, dass ich für etwas aus­ge­zeich­net wer­de, das selbst­ver­ständ­lich ist: dass man mensch­lich ist. Ob zu Nach­barn, zu Men­schen, die schon lan­ge in der Gemein­de leben, oder zu denen, die als Flücht­lin­ge kom­men. Es ist doch erstaun­lich, dass das etwas Beson­de­res sein soll, das man sogar heut­zu­ta­ge prämiert.

Und ich den­ke: Eigent­lich müss­te auch nicht ich den Preis bekom­men, son­dern Peter Barth vom Hel­fer­kreis Heberts­hau­sen. Was er ehren­amt­lich leis­tet, über­trifft mei­ne sowie­so nicht weni­gen Arbeits­stun­den als Bür­ger­meis­ter bei wei­tem. Mich selbst sehe ich da als ein klei­nes not­wen­di­ges Rädchen.

Zum ganz wich­ti­gen Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen e.V. kom­men wir spä­ter noch, sie bekom­men den Preis ja zusam­men. Aber zunächst: Die Gemein­de Heberts­hau­sen, in der sie seit elf Jah­ren Ers­ter Bür­ger­meis­ter sind, hat seit 2013 weit mehr Flücht­lin­ge auf­ge­nom­men als sie muss­te. Alle wur­den unter­ge­bracht und sehr vie­le von ihnen in Arbeit ver­mit­telt. Was macht Heberts­hau­sen anders als ande­re Orte?

Das sind zwei Din­ge. Zunächst sehen wir die Auf­ga­be, mit den Flücht­lin­gen umzu­ge­hen, nicht als Pro­blem, son­dern als Lösung. Die Asyl­be­wer­ber sind kei­ne Pro­blem­brin­ger, son­dern viel eher Pro­blem­lö­ser. Wo ande­re sagen, da kom­men jun­ge Män­ner, Frau­en und Kin­der, die uns unse­re Turn­hal­le weg­neh­men, sagen wir: Die kön­nen uns dabei hel­fen, drin­gend not­wen­di­ge Arbei­ten zu erledigen.

Außer­dem haben wir in der Poli­tik dar­auf geach­tet, dass es kei­nen Kon­kur­renz- und Ver­tei­lungs­kampf gibt. Vie­le Gemein­den haben ihre Turn­hal­len mit Flücht­lin­gen belegt. Ich habe gesagt: Ehe ich das mache und so Schul- und Ver­eins­sport absa­gen muss, baue ich wei­te­re Con­tai­ner auf. Wir hat­ten zudem das Glück, beson­ders im Speck­gür­tel von Mün­chen, dass es ein ehe­ma­li­ges Alten­heim mit rund 40 Zim­mern gab, in dem wir Flücht­lin­ge unter­brin­gen konn­ten. Zu den Hoch­zei­ten wohn­ten knapp 240 Asyl­be­wer­ber in Heberts­hau­sen, fast fünf­mal mehr, als wir auf­neh­men mussten.

Und: Wir hat­ten noch nie eine War­te­lis­te für unse­re Kin­der­gär­ten, weil wir die Plät­ze aus­ge­baut haben, als Flücht­lin­ge mit Kin­dern kamen. Im Speck­gür­tel von Mün­chen ist dies eine abso­lu­te Ausnahme!

Zehn Jah­re nach dem Som­mer der Soli­da­ri­tät 2015 zeich­net die Stif­tung PRO ASYL drei Per­sön­lich­kei­ten aus, die sich seit vie­len Jah­ren soli­da­risch für ein gutes Ankom­men von Geflüch­te­ten in Deutsch­land und für deren Rech­te ein­set­zen. Ver­lie­hen wird der Preis am Sams­tag, 13. Sep­tem­ber 2025, in Frank­furt am Main.

Richard Rei­schl steht als Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Heberts­hau­sen stell­ver­tre­tend für die Kom­mu­ne und die Zivil­ge­sell­schaft, hier der Hel­fer­kreis Asyl Heberts­hau­sen e.V. Imma­cu­la­te Chien­ku  steht als Akti­ve im Ver­ein Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on e.V. stell­ver­tre­tend für den Ver­ein und das selbst­ver­wal­te­te Wohn­pro­jekt Refu­gees Eman­ci­pa­ti­on Com­mu­ni­tiy Cen­ter. Johan­nes Bor­get­to, der sich seit Jahr­zehn­ten für das Recht auf Asyl ein­setzt, steht stell­ver­tre­tend für die Zivil­ge­sell­schaft, beson­ders den Koor­di­na­ti­ons­kreis Asyl Darm­stadt und Regi­on (KOKAS).

Den Men­schen­rechts­preis ver­leiht die Stif­tung PRO ASYL seit 2006 jähr­lich an Per­so­nen, die sich in her­aus­ra­gen­der Wei­se für die Ach­tung der Men­schen­rech­te und den Schutz von Flücht­lin­gen in Deutsch­land und Euro­pa ein­set­zen. Der Preis ist mit 5.000 Euro und einer Skulp­tur des Künst­lers Ari­el Aus­len­der, Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Darm­stadt, dotiert. Eine Über­sicht mit den bis­he­ri­gen Preisträger*innen steht hier.

Und wie kommt das bei den knapp 6.000 Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­nern an?

Die Leu­te sind ent­spannt, bei uns im Ort gab es noch nie eine Auf­re­gung dar­über. Ab und zu habe ich mal einen anony­men bösen Brief bekom­men, mehr aber nicht. Im Gro­ßen und Gan­zen herrscht die baye­ri­sche Hal­tung vor: Die machen das schon! Wir ver­trau­en euch!

Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zei­gen viel Ver­trau­en in unse­re Arbeit und las­sen sich nicht anste­cken von Angst­nach­rich­ten oder Het­ze. In unse­rem Ort leben über­wie­gend Men­schen, die sich eine eige­ne Mei­nung zum The­ma Asyl geschaf­fen haben und nicht der AfD mit ihrer Het­ze Glau­ben schen­ken. Und vie­le haben sich ja auch als Hel­fer engagiert.

Eines der wich­tigs­ten Zie­le von Gemein­de und Hel­fer­kreis ist: Flücht­lin­ge in Arbeit brin­gen. Wie haben Sie die Arbeit­ge­ber überzeugt?

Die ers­ten drei Asyl­be­wer­ber habe ich damals beim kom­mu­na­len Bau­hof ange­stellt, da haben sie sich zum Bei­spiel um den stän­dig ver­müll­ten S‑Bahnhof und die Sau­ber­keit in der Gemein­de geküm­mert. Aber auch sonst brau­che ich nicht viel zu über­zeu­gen. Bei uns gibt es vie­le Betrie­be, die drin­gend Arbeits­kräf­te brau­chen, egal, ob die blau­en Papier­ton­nen nicht mehr regel­mä­ßig geleert wer­den, Sem­meln und Bre­zen geba­cken wer­den müs­sen oder älte­re Men­schen gepflegt wer­den. Wir haben ein­fach über­all­hin ver­mit­telt. Oder: Flug­gäs­te bekom­men vom Flug­ha­fen Mün­chen Mails, dass sie nicht so viel Gepäck mit­neh­men sol­len, weil in der Gepäck­ab­fer­ti­gung Leu­te feh­len. Und Hand­werks­be­trie­be hören hier in der Gegend aus zwei Grün­den auf: zu viel Büro­kra­tie und zu weni­ge Arbeits­kräf­te. Auch hier konn­te der Hel­fer­kreis vie­le Flücht­lin­ge als Hilfs­kräf­te ver­mit­teln. So arbei­ten bei einem Bäcker jetzt fast 90 Men­schen aus 18 Natio­nen – und es macht ein­fach kei­nen Unter­schied, wer die Brezn formt. Sie schme­cken immer!

»Ich habe mich oft mit dem Land­rat ange­legt, weil die Aus­län­der­be­hör­de die Rege­lun­gen so eng­stir­nig auslegt.«

Das sind zum größ­ten Teil Hilfs­ar­bei­ten. Mün­den die­se auch in qua­li­fi­zier­te­re Jobs oder Ausbildungsplätze?

Ja, das schafft der Hel­fer­kreis immer wie­der, beson­ders in Hand­werks­be­ru­fe wie Kon­di­tor, Hei­zungs­bau­er und Maler. Dazu kom­men Alten­pfle­ge, Kran­ken­häu­ser, Logis­tik, Ver­pa­ckung, Gas­tro, Land­wirt­schaft. Die Lis­te ist lang und wird jeden Tag länger.

Sehr schwer ist es ja, eine Arbeits­er­laub­nis zu bekom­men. Die dür­fen weder Bür­ger­meis­ter noch Gemein­de­rat aus­stel­len. Kön­nen Sie die Behör­den im Land­kreis überzeugen?

Oh, da habe ich mich oft mit dem Land­rat ange­legt, weil die Aus­län­der­be­hör­de die Rege­lun­gen so eng­stir­nig aus­legt. Lei­der bewegt sich wenig. Ich den­ke, es sind zwei Fak­to­ren: eine zwi­schen­zeit­li­che Über­las­tung der Behör­de, aber auch die Hal­tung, den Ermes­sens­spiel­raum nicht zuguns­ten der Flücht­lin­ge aus­nut­zen zu wol­len. Des­halb hören auch immer mal Leu­te aus dem Hel­fer­kreis auf, weil sie genervt sind, dass ihnen und den Flücht­lin­gen immer wie­der Prü­gel zwi­schen die Bei­ne gewor­fen werden.

Auch Arbeit­ge­ber lei­den dar­un­ter: Zum Bei­spiel hat­te die Behör­de einem Mann die Arbeits­er­laub­nis ent­zo­gen, weil er bei der Pass­be­schaf­fung nicht genü­gend mit­ge­wirkt haben soll. Das hat die Behör­de aber dem Arbeit­ge­ber nicht mit­ge­teilt, sodass die Fir­ma schließ­lich 7.600 Euro Stra­fe wegen Schwarz­ar­beit zah­len muss­te. Da habe ich zumin­dest erreicht, dass die Behör­de jetzt die Arbeit­ge­ber informiert.

Wel­che Wege gibt es sonst noch?

Ab und zu kön­nen wir mit Druck bei Abge­ord­ne­ten im Land­tag und Bun­des­tag oder beim Innen­mi­nis­te­ri­um errei­chen, dass der Ermes­sens­spiel­raum bes­ser aus­ge­nutzt wird.

Und wenn es nicht klappt mit der Arbeitserlaubnis?

Dann haben wir den Men­schen ehren­amt­li­che oder gemein­nüt­zi­ge Arbeit ange­bo­ten. Da ist zum Bei­spiel ein Mann aus dem Sene­gal, der hat jah­re­lang für 80 Cent auf dem Fried­hof gear­bei­tet. Nun hat er end­lich die Arbeits­er­laub­nis bekom­men – und kann als rich­ti­ger Fried­hofs­gärt­ner sein Geld verdienen.

Nicht jeder kann gleich arbei­ten, man­che sind auch krank und trau­ma­ti­siert von schreck­li­chen Erleb­nis­sen vor und auf der Flucht. Wie gehen Sie damit um?

Ja, das gibt es auch, Erwach­se­ne und auch Kin­der, die zum Bei­spiel mit­an­se­hen muss­ten, wie ihre Eltern oder Geschwis­ter vor ihren Augen erschos­sen wur­den. Wir ver­su­chen, Unter­stüt­zung zu orga­ni­sie­ren. Peter Barth vom Hel­fer­kreis ist da der Wahn­sinn, er fin­det immer wie­der Ange­bo­te und Möglichkeiten.

Eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung ist die Spra­che. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Schlecht. Das mit den Sprach­kur­sen hat der Staat lei­der so auf­ge­baut, dass es nicht funk­tio­nie­ren kann. Die zu weni­gen Kur­se sind stän­dig über­bucht. Und dann haben ja auch nur bestimm­te Grup­pen über­haupt Anspruch auf einen Sprach­kurs. Ohne Spen­den und die Ehren­amt­li­chen hät­te das nicht funk­tio­niert. Sie haben Deutsch unter­rich­tet und auch gezeigt, wie All­tag und Wer­te in Deutsch­land funk­tio­nie­ren. Eine von ihnen ist heu­te knapp 92 und unter­rich­tet noch immer, wenn es die Gesund­heit zulässt.

Der sehr akti­ve Hel­fer­kreis, ohne den das alles nicht mög­lich wäre, wur­de jetzt schon mehr­mals angesprochen. 

Ja, wie gesagt, eigent­lich hät­ten Peter Barth und der Hel­fer­kreis den Preis verdient.

Des­halb bekom­men Sie den Preis auch stell­ver­tre­tend für den Hel­fer­kreis. Der Kreis hat sich im Jahr 2013 gegrün­det und ist noch immer aktiv, das ist eine tol­le Leis­tung. Doch die Akti­ven wer­den immer älter. Gelingt es, auch jün­ge­re Men­schen zu motivieren?

Ja, die Über­al­te­rung ist ein domi­nan­tes The­ma. Im Hel­fer­kreis sind noch knapp 30 Ehren­amt­li­che aktiv, sie sind zwi­schen 50 und 92. Und ich habe die Hoff­nung auf­ge­ge­ben, jün­ge­re Men­schen zu moti­vie­ren. 2022 haben sich Hun­der­te für die Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne enga­giert, aber die sind alle wie­der weg. Es wird ein Unter­schied gemacht zwi­schen Flücht­lin­gen aus der Ukrai­ne und aus Län­dern wie Syri­en, Mali, Nige­ria und Afgha­ni­stan. Das liegt auch an der Stim­mung in der Gesell­schaft all­ge­mein, die sich noch­mal wei­ter ver­schlech­tert hat, auch nach den Atten­ta­ten von Geflüchteten.

Aber die Arbeit im Hel­fer­kreis ver­än­dert sich auch. Vie­le Asyl­be­wer­ber enga­gie­ren sich inzwi­schen und hel­fen sich in vie­len All­tags­fra­gen gegen­sei­tig, zum Bei­spiel beim Ein­rich­ten eines Bank­kon­tos, bei Fahr­kar­ten, Kin­der­gar­ten­platz, beim Aus­fül­len von Unter­la­gen und Weg­be­schrei­bun­gen zum Bei­spiel zum Land­rats­amt. Und es kom­men weni­ger hier an. In den Hoch­zei­ten hat­ten wir knapp 240 Flücht­lin­ge, jetzt sind es nur noch 63. Die lang­jäh­ri­gen Ehren­amt­li­chen sind noch beson­ders aktiv beim Deutsch­un­ter­richt und in der Fahr­rad­werk­statt im Kel­ler der Unter­kunft, wo alle zusam­men Räder repa­rie­ren, damit die Flücht­lin­ge mobil sind, auch für den Weg zur Arbeit. Und sie unter­stüt­zen bei kom­pli­zier­ten Din­gen wie Arbeits­er­laub­nis und Wohnungssuche.

War­um enga­gie­ren Sie sich so sehr auf die­sem Feld? Woher kommt das?

Ich bin hier im Ort auf einem Hof auf­ge­wach­sen. Und in so einer klei­nen Gemein­de und als Land­wirt hilft man sich gegen­sei­tig, das habe ich in die Wie­ge gelegt bekom­men. Außer­dem war mein Vater ein gro­ßer Ver­eins­mei­er, er hat mich über­all mit hin­ge­nom­men, vom Mai­baum­ver­ein bis zur Feu­er­wehr. Und auch dort war die gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung ganz nor­mal. Für mich gilt: Wer mehr hat, der kann auch mehr geben. Und: Man muss an das Gute glauben.

Ganz wich­tig ist auch das Anpa­cken: Ich bin Poli­ti­ker und auch Feu­er­wehr­mann. Poli­ti­ker haben im all­mei­nen einen eher schlech­ten Ruf, Feu­er­wehr­leu­te einen guten – weil sie anpa­cken. Und ich ver­su­che, als Bür­ger­meis­ter auch ein Vor­bild zu sein und das, was ich for­de­re, auch selbst zu tun, sei es als Schul­weg­hel­fer oder mit einem Zim­mer für ukrai­ni­sche Flücht­lin­ge bei mir zuhause.

»24 Jah­re lang war ich in der Par­tei. Aber ich habe immer kämp­fen müs­sen für die Din­ge, die ich für selbst­ver­ständ­lich hal­te wie einen posi­ti­ven Umgang mit Flücht­lin­gen und Asyl sowie Natur- und Klimaschutz.«

Wie reagie­ren Ihre Amts­kol­le­gen aus den Nachbargemeinden? 

All­ge­mein haben wir ein sehr gutes Aus­kom­men. Aber begeis­tert sind sie nicht über unse­ren posi­ti­ven Umgang mit den Flücht­lin­gen, man­che woll­ten zum Bei­spiel 2023 gar kei­ne Flücht­lin­ge mehr auf­neh­men. Wobei sie aber ein paar Din­ge doch über­nom­men haben. Es haben aber natür­lich auch nicht alle Orte die­sel­ben Mög­lich­kei­ten wie wir.

Richard Rei­schl (Jahr­gang 1976) ist seit 2014 Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Heberts­hau­sen (Land­kreis Dach­au). Zuvor arbei­te­te der Elek­tro­tech­ni­ker­meis­ter als Leh­rer an der Meis­ter­schu­le für Elek­tro­tech­nik in Mün­chen. Aus der CSU, in der er seit 2002 Mit­glied war, trat er Anfang 2025 aus. Zu den nächs­ten Wah­len im März 2026 will er als Par­tei­lo­ser antreten.

Seit des­sen Grün­dung im Jahr 2013 ist Richard Rei­schl Mit­glied im Hel­fer­kreis Asyl in Heberts­hau­sen e.V., zunächst als Hel­fer für Möbel­trans­por­te und Beschaf­fun­gen, mitt­ler­wei­le als Bür­ger­meis­ter für Unter­stüt­zung bei büro­kra­ti­schen Hür­den, für Arbeits­ver­mitt­lung, finan­zi­el­le Unter­stüt­zung und ande­re Ange­le­gen­hei­ten. Ein Schwer­punkt des Hel­fer­krei­ses und des Bür­ger­meis­ters ist, die Flücht­lin­ge so früh wie mög­lich in Arbeit zu brin­gen, vom städ­ti­schen Bau­hof bis hin zu Betrie­ben in der Umgebung.

Richard Rei­schl und Heberts­hau­sen, wo im Gemein­de­rat die CSU die abso­lu­te Mehr­heit hat, sind schon wäh­rend der hohen Flücht­lings­zah­len 2013 bis 2016 wegen ihrer flücht­lings­freund­li­chen Poli­tik bun­des­weit posi­tiv in die Schlag­zei­len gera­ten. So hat der Ort mit sei­nen knapp 6.000 Einwohner*innen bis zu fünf­mal mehr Asyl­su­chen­de auf­ge­nom­men als ihm zuge­teilt wor­den wären, zu Hoch­zei­ten waren es knapp 240 Flüchtlinge.

Nach einem lan­gen Bei­trag im TV-Poli­tik­ma­ga­zin Moni­tor im Okto­ber 2023 mel­de­ten sich auch inter­na­tio­na­le Medi­en, die über die flücht­lings­freund­li­che CSU-geführ­te Gemein­de in Bay­ern berich­ten woll­ten. Für den Bei­trag haben die Jour­na­lis­ten Juli­us Bau­meis­ter und Her­bert Kor­des den Deut­schen Menschenrechts-Filmpreis 2024 (DMFP) bekom­men, Rei­schl und Vertreter*innen des Hel­fer­krei­ses und der Flücht­lin­ge stan­den bei der Preis­ver­lei­hung im Dezem­ber 2024 in Nürn­berg mit auf der Bühne.

Es gibt vie­le Berich­te über Heberts­hau­sen, Sie und den Hel­fer­kreis, oft unter dem Tenor: Ein CSU-Bür­ger­meis­ter setzt sich für Asyl­su­chen­de ein. Nun sind Sie vor ein paar Mona­ten aus der CSU aus­ge­tre­ten. Warum?

24 Jah­re lang war ich in der Par­tei. Aber ich habe immer kämp­fen müs­sen für die Din­ge, die ich für selbst­ver­ständ­lich hal­te wie einen posi­ti­ven Umgang mit Flücht­lin­gen und Asyl sowie Natur- und Kli­ma­schutz. Und hier im Ort habe ich damit auch sehr gute Ergeb­nis­se ein­ge­fah­ren, hier hat die CSU mit 52 Pro­zent noch die abso­lu­te Mehr­heit, die AfD weit weni­ger als im Durch­schnitt. Aber die wei­ter oben in der Par­tei wol­len dar­auf nicht ein­ge­hen, sie wol­len sich von einem »Dorf­bür­ger­meis­ter« nichts sagen las­sen. Da woll­te ich nicht mehr län­ger der Stim­men­fän­ger für die­se Par­tei sein.

Der Minis­ter­prä­si­dent sucht sich pro­vo­kan­te The­men, die eigent­lich kei­ne The­men sind, oder prä­sen­tiert sich über das The­ma Essen. Da sage ich: Macht doch mal eure Arbeit ordent­lich, statt zum Bei­spiel gegen Asyl­be­wer­ber zu pole­mi­sie­ren! Oder die gan­ze Sache mit den Grenz­kon­trol­len: Da wer­den Mil­lio­nen von Über­stun­den gemacht, die in kei­nem Ver­hält­nis zum Erfolg ste­hen. Aber mit Angst fängt man Men­schen, egal ob vor 90 Jah­ren oder heute.

Als Gemein­de haben Sie und der Hel­fer­kreis mit der guten Auf­nah­me von Flücht­lin­gen sehr viel erreicht. Im poli­ti­schen Sys­tem ist eine Gemein­de aber ganz weit unten, das erle­ben Sie ja auch immer wie­der. Was müs­sen Land­krei­se, Län­der und der Bund tun, damit die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen bes­ser gelingt?

Wich­tig wären mehr Kom­pe­ten­zen für die Kom­mu­nen, zum Bei­spiel bei der Fra­ge der Arbeits­er­laub­nis, der schnel­le­ren Bear­bei­tung von Anlie­gen wie dem Asyl­an­trag, der Zutei­lung von Sprach­kur­sen und so wei­ter. Wenn wir mehr Geld bekom­men wür­den, könn­ten auch die Ehren­amt­li­chen damit so viel mehr tun. Und damit wür­de auch ihre Arbeit mehr gewür­digt. Zudem muss sich die Hal­tung gegen­über Flücht­lin­gen kom­plett ändern: nicht Bestra­fung, son­dern Beloh­nung. Sie soll­ten moti­viert wer­den, wenn sie arbei­ten, statt ihnen Geld abzunehmen.

 

(wr)