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Alles andere als schlau: Studie kritisiert „Smart Borders“-Projekt der EU
Eine neue Studie der Böll-Stiftung analysiert die neuen „intelligenten“ Grenzüberwachungsinitiativen der Europäischen Union. Sie zeigt: Die geplanten Technologien sind gefährlich, unnütz und vor allem ein Geschenk für die Militär- und Sicherheitsindustrie.
Wer in die EU darf, wer wieder gehen muss und wer am besten noch nicht mal in die Nähe der Grenze kommen soll – das soll künftig mit Hilfe von Drohnen, Offshore-Sensoren, Satellitensuchsystemen und automatisierten biometrischen Identitätskontrollen entschieden werden: Das Europäische Grenzkontrollsystem EUROSUR soll die See- und Landgrenzen mit Hightech überwachen und Flüchtlinge und Migranten fernhalten helfen, das „Entry-Exit System“ EES soll Einreise- und Ausreisebewegungen aufzeichnen und so helfen, Menschen zu finden, die trotz abgelaufenem Visum das Land nicht verlassen, und schließlich soll das “Registered Traveller Programm“ dafür sorgen, dass die privilegierten EU-Bürgerinnen und ‑Bürger die für die weniger priviligierten Menschen errichteten Grenzbarrieren möglichst reibungslos passieren können. „Smart Borders“ – „intelligente Grenzen“, so nennt sich dieser Ansatz.
Was von diesem Ansatz zu halten ist, hat nun die Heinrich-Böll-Stiftung in einer Studie prüfen lassen. Die Autoren Ben Hayes und Mathias Vermeulen kommen zum Ergebnis, dass die technologische Aufrüstung der Grenzen in jeder Hinsicht problematisch ist.
So sei die High-Tech-Aufrüstung zur Migrationskontrolle „eine fragwürdige Reaktion auf eine im Wesentlichen humanitäre Krise, bei der Jahr für Jahr tausende Migrantinnen/Migranten und Flüchtlinge auf See ihr Leben verlieren“. Auch wenn die Kommission wiederholt die zukünftige Rolle von EUROSUR bei der Rettung von Flüchtlingen und MigrantInnen betont habe, sei in all den vorliegenden Papieren zu EUROSUR nirgends die Rede davon, was zur Rettung von Menschenleben geschehen oder was mit geretteten Menschen passieren solle. Daher sei zu vermuten, dass EUROSUR vor allem ein Instrument der Abschottungspolitik sei: Die Technologie könnte für sogenannte „push back operations“ genutzt werden – also für das Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten. „Es geht dem Gesetzgeber nicht um den Schutz der Flüchtlinge und ihrer Rechte. Man möchte die Menschen gar nicht aus Seenot retten. Alles, was Migranten und ihre Boote aufhalten kann, ist willkommen“, so Ben Hayes.
Auch kritisiert die Studie die hohen Kosten und den fraglichen Nutzen der Projekte. EUROSUR und das „smart border package“ könnten Kosten in Höhe von zwei Milliarden Euro sowie weitere Folgekosten verursachen. Dabei weisen die Autoren darauf hin, dass ein ähnliches Projekt der USA infolge explodierender Kosten sowie auch technischer Probleme fallengelassen wurde. Ob die von der EU geplanten Systeme überhaupt funktionieren, sei nicht sicher: In der Zusammenfassung der Studie heißt es bezeichnenderweise: „Die Einzigen, die gefragt wurden, ob das ihrer Meinung nach gelingen wird, sind Frontex und die Unternehmen, die die Hard- und Software verkaufen.“
Zur deutsche Zusammenfassung der Studie
Medienberichte:
Neus Deutschland: “Die Guten ins Töpfchen”
Heise: „Studie: Scharfe Kritik an Plänen für EU-Grenzkontrollsystemen“
Entwicklungspolitik Online: „Zwei Milliarden Euro für elektronische Festung Europa“
Mit „Big Brother“ gegen Flüchtlinge (01.03.13)