Stellungnahme zu Kürzungen von AsylbLG-Leistungen in Sammelunterkünften
Juli 2022
Juristische Stellungnahme: Die zehnprozentige Kürzung von AsylblG-Leistungen für Alleinstehende in so genannten „Gemeinschaftsunterkünften“ ist verfassungswidrig.
Seit September 2019 erhalten alleinstehende Geflüchtete, die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen, rund 10 Prozent weniger, wenn sie in einer Sammelunterkunft wohnen. Begründet wurde diese Kürzung von der damaligen Bundesregierung damit, dass die Menschen in Gemeinschaftsunterkünften wie Ehepartner*innen zusammen wirtschaften und dadurch Geld sparen könnten. Das Bundesverfassungsgericht wird 2022 oder 2023 darüber entscheiden, ob diese Kürzung verfassungsgemäß ist.
Dabei liegen die Leistungsansprüche von Geflüchteten nach AsylbLG ohnehin bereits unterhalb der normalen Sozialleistungen. PRO ASYL fordert seit Jahren die Abschaffung des AsylbLG und die Gleichstellung aller Geflüchteten mit normalen Arbeitslosengeld- bzw. Sozialhilfeempfänger*innen.
Angerufen wurde das höchste deutsche Gericht nun vom Sozialgericht Düsseldorf, das die 10-prozentige Kürzung für alleinstehende Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG in Sammelunterkünften für verfassungswidrig hält. In diesem Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht PRO ASYL und andere eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben. Für PRO ASYL hat der Rechtsanwalt und Sozialrechtsexperte Volker Gerloff eine umfassende juristische Stellungnahme verfasst. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die seit September 2019 geltende Kürzung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdiges Existenzminimums nicht vereinbar, also eindeutig verfassungswidrig ist: „Die Begründung für diese „Zwangsverpartnerung“ durch den Gesetzgeber erscheint lebensfremd und ist offenbar von sachfremden Erwägungen getragen. Sie entbehrt jeder sachlichen und empirischen Grundlage und ist schon deshalb eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.“
Autor: Volker Gerloff für PRO ASYL
Februar 2022, 19 Seiten