25.08.2025
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Nyima Jadama. Foto: PRO ASYL

Nyima Jadama kam als Journalistin vor zehn Jahren aus Gambia nach Deutschland. Zu Beginn kämpfte sie darum, einen Deutschkurs besuchen zu dürfen. Heute studiert Nyima in Berlin Medien- und Kommunikationswissenschaft.

Zehn Jahre ist es her, dass du nach Deutschland gekommen bist. Was war dein erster Eindruck von diesem Land? 

Ehr­lich gesagt hat­te ich über­haupt kei­ne Vor­stel­lung von Deutsch­land. Ich hat­te nach der Ankunft sehr gemisch­te Gefüh­le. Ich sage immer: Die Men­schen hier sind so wie das Wet­ter. Unvor­her­seh­bar. Und sie sind sehr orga­ni­siert. Es gibt sehr viel Büro­kra­tie, das ist mir gleich auf­ge­fal­len. Außer­dem sind Men­schen in Deutsch­land sehr pünkt­lich. Wenn man hier zehn Uhr sagt, meint man zehn vor zehn, das habe ich schnell gelernt. Ich bin aus einem Land, da heißt 10 Uhr eher 11 Uhr oder spä­ter. Aber da denkst du ja nicht vor­her drü­ber nach. Anfangs habe ich mich nicht zuge­hö­rig gefühlt, auch wegen der Sprache.

Welches Gefühl hat dich während der ersten Monate in Deutschland begleitet?

Da war viel Unsi­cher­heit. Ich hat­te immer Fra­ge­zei­chen im Kopf, ob ich über­haupt in Deutsch­land blei­ben kann und ob das gut für mich ist. Ich leb­te in einer Flücht­lings­un­ter­kunft in Baden-Würt­tem­berg auf dem Land. Das war sehr schwie­rig. Es gab kei­ne Sprach­kur­se oder ähn­li­ches für mich, kei­ne Mög­lich­keit der Teil­ha­be, da ich aus Gam­bia kom­me. Wir wer­den alle als »Wirt­schafts­flücht­lin­ge« ange­se­hen und indi­vi­du­el­le Flucht­grün­de inter­es­sie­ren nicht. Des­halb durf­te ich kei­nen Deutsch­kurs besuchen.

Ich habe mir dann selbst Deutsch bei­gebracht und mit einer Sozi­al­ar­bei­te­rin gere­det und habe nicht locker­ge­las­sen. Ich woll­te die Spra­che ler­nen. Ich bin dann selbst zur Schu­le gegan­gen, denn ich woll­te nicht jeden Tag in der Unter­kunft sit­zen und nichts tun. Am Ende durf­te ich den Deutsch­kurs A1-A2 besuchen.

Heu­te gehe ich mit Freu­de und Sta­bi­li­tät durchs Leben, beson­ders nach mei­nem Umzug nach Ber­lin und mei­ner Ein­bür­ge­rung letz­tes Jahr. Hier konn­te ich schnell Fuß fas­sen, arbei­te neben dem Studium.

»Heu­te gehe ich mit Freu­de und Sta­bi­li­tät durchs Leben«

Ist Deutschland für dich ein zu Hause geworden? 

Seit der Ein­bür­ge­rung fühlt sich Deutsch­land sehr nach Hei­mat an, aber ich füh­le mich trotz­dem auch manch­mal noch im Exil. Nach mei­ner Ein­bür­ge­rung schick­te ich ein Foto der Urkun­de an ein befreun­de­tes deut­sches Paar. Ihre Ant­wort war: »Oh du arme, dein gan­zes Leben hast du nur für ein Zer­ti­fi­kat gekämpft.« Da hat­te ich nie drü­ber nachgedacht.

Für mich ist Deutsch­land nun eine Hei­mat. Aber ich füh­le mich nicht immer zuge­hö­rig. Ich wer­de zum Bei­spiel oft als ein­zi­ge kon­trol­liert, wie zuletzt nach einer Rei­se auf dem Flug­ha­fen – die wei­ßen Men­schen um mich her­um nicht. Ich habe die Poli­zei gefragt, war­um sie nur mich kon­trol­lie­ren. Die Beam­ten sag­ten, sie wür­den nur ihre Arbeit machen. Ich den­ke, dass ich häu­fig wegen mei­ner Haut­far­be und mei­nem Kopf­tuch kon­trol­liert wer­de und das wird wohl so blei­ben, solan­ge ich in die­sem Land lebe. Mir hier ein neu­es Leben auf­zu­bau­en, wäre so viel ein­fa­cher gewe­sen, wenn es Gleich­be­rech­ti­gung für alle geben würde.

Wie schmeckt, riecht, fühlt sich deine erste Heimat an, und wie deine zweite, Deutschland?

Mei­ne Hei­mat Gam­bia riecht für mich nach schar­fem Essen. Ich den­ke an Freun­de, Far­ben, Lachen und Unter­stüt­zung. Deutsch­land riecht für mich vege­ta­risch. Es fühlt sich häu­fig kalt und unfreund­lich an. Und vor allem ist Deutsch­land für mich viel Papier. Ich habe in Deutsch­land so vie­le Brie­fe in einem Monat bekom­men, wie in mei­nem gan­zen Leben vor­her nicht.

Wann hast du dich hier angekommen gefühlt? Erinnerst du dich an einen bestimmten Moment, in dem dir klar wurde: Ich gehöre jetzt hierher?

Ich fühl­te mich ange­kom­men, als ich 2018 in Baden-Würt­tem­berg die Geneh­mi­gung bekam, nach Ber­lin umzie­hen und mei­ne Aus­bil­dung machen zu dür­fen. Wenn wir in Afri­ka die Mög­lich­keit bekom­men, nach Euro­pa zu kom­men, freu­en wir uns sehr über das Visum. So war es bei mir mit Ber­lin. Ich rief mei­ne Freun­din an und sag­te: »Ich habe ein Visum für Ber­lin bekom­men!« Für mich war das eine gro­ße Freu­de. Heu­te ist Ber­lin Hei­mat für mich.

Mein Lieb­lings­ort in Ber­lin ist Prenz­lau­er Berg. Dort bin ich ange­kom­men, als ich nach Ber­lin kam – der Ort hat mich geprägt. Ich habe dort so vie­le Erfah­run­gen gemacht und so viel erlebt. Noch heu­te gehe ich manch­mal dorthin.

Ich konn­te hier gut ankom­men und Fuß fas­sen, weil ich sehr hart­nä­ckig bin. Nie­mand kann mich stop­pen. Ich bin sehr moti­viert und habe immer mei­ne Zie­le ver­folgt. Ich ging zur Schu­le, mach­te eine Aus­bil­dung, arbei­te­te und stu­die­re jetzt. Ich wur­de aber auch unter­stützt von Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen. Vor allem die Schöpf­lin Stif­tung unter­stützt mich seit Jahren.

Gibt es Dinge, die dich in Deutschland stören? 

In Deutsch­land nervt mich, immer wie­der über Ras­sis­mus zu reden. Es soll­te ein­fach kein The­ma mehr sein. War­um spielt mei­ne Haut­far­be so oft eine Rol­le? Ich habe in der Ver­gan­gen­heit viel über Ras­sis­mus gespro­chen und mich enga­giert und habe unter ande­rem dafür 2023 den Sil­vio-Mei­er-Preis bekom­men. Ich kämp­fe auch immer noch, aber ehr­lich gesagt bin ich so fer­tig davon, immer über die­ses The­ma zu spre­chen. Wir müs­sen end­lich zu dem Punkt kom­men, dass wir alle Men­schen sind. Punkt.

»Wir müs­sen end­lich zu dem Punkt kom­men, dass wir alle Men­schen sind.«

Was mich aber nicht nur nervt, son­dern scho­ckiert, ist die star­ke Prä­senz und die Wahl­er­fol­ge der AfD. Und ihre poli­ti­schen Plä­ne, was sie mit Migrant*innen vor­hat, wenn sie an der Regie­rung wäre. Auch die Begeg­nun­gen in Behör­den mit den Men­schen und der Büro­kra­tie dort, waren häu­fig hef­tig. Der Ras­sis­mus und die Dis­kri­mi­nie­rung gegen­über Geflüch­te­ten, gesell­schaft­lich und poli­tisch, ist wirk­lich schockierend.

Du sprachst davon, dass du dich engagierst. Erzähle uns davon.

Aktu­ell bin ich zum Bei­spiel in der Grün­dungs­pha­se eines Ver­eins, mit dem ich Geflüch­te­te und Migrant*innen in Deutsch­land, aber auch Men­schen in Gam­bia unter­stüt­zen möch­te. Ich habe ein Pilot­pro­jekt zu Medi­en­kom­pe­ten­zen für Frau­en durch­ge­führt und unter­stüt­ze Migran­tin­nen in Ber­lin als Sprach- und Kulturmittlerin.

Wie geht es dir, wenn du auf die letzten Jahre seit deiner Ankunft in Deutschland blickst? 

Ich bin beson­ders stolz, dass ich in den letz­ten Jah­ren alles allein geschafft habe, bis hin zur Ein­bür­ge­rung. Bei ver­schie­de­nen Behör­den sag­ten sie mir, es wür­de nie­mals funk­tio­nie­ren. Ich wür­de es nicht schaf­fen. Aber ich habe es geschafft, allein durch mei­ne Leistungen.

Heu­te möch­te ich den Men­schen in Deutsch­land sagen: Auch wenn es gera­de so viel Hass gibt: Sei mutig! Bleib stark! Und ver­fol­ge dei­ne Ziele.

 

(nb)