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»Ich fühle mich als Deutscher, egal was die anderen sagen«

Abdisamed Mohamud ist aus Somalia geflohen. Mittlerweile arbeitet er seit neun Jahren beim Industriekonzern Samson, hat geheiratet und eine Familie gegründet.
Ich bin stolz auf mich und auf das, was ich geschafft habe. Vor zehn Jahren hatte ich nichts, jetzt bin ich zweifacher Vater, habe Verantwortung für meine Familie und im Beruf. Neben meiner Arbeit als Industriemechaniker bei Samson mache ich gerade eine Weiterbildung zum Maschinenbau-Techniker.
Kaum zu glauben, dass ich schon seit neun Jahren bei Samson arbeite! Die Firma hat mich sehr unterstützt und mir viel ermöglicht. Angefangen hat alles mit einem Praktikum. Das hat mir das Netzwerk Joblinge e.V. vermittelt. 2016 konnte ich dann meine Ausbildung zum Industriemechaniker beginnen. Da ein Jahr zuvor viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren, hat die Firma in Frankfurt ein spezielles Ausbildungsprogramm für Flüchtlinge angeboten. Wir hatten sehr gute Ausbilder, die uns Mathe, Physik und Maschinenbau gelehrt haben, aber auch Deutsch.
In meiner Firma sind wir wie eine große Familie
Die Sprache ist der Schlüssel. Wenn man die Sprache nicht spricht, fühlt man sich nicht willkommen in der Gesellschaft. Am Anfang war es deshalb etwas unangenehm für mich – so ganz ohne Sprach- und Kulturkenntnisse. Aber ich hatte das Glück, dass ich von Beginn an Menschen um mich hatte, die mir geholfen haben. Zunächst in der Jugendeinrichtung, in der ich untergebracht war, dann bei Joblinge e.V., beim Jugendamt, bei der Arbeit. Unsere Ausbilder haben uns ermutigt und mir gesagt: »Du schaffst das«. Ich bin sehr dankbar für diese Hilfe. Wir waren rund dreißig Flüchtlinge in der Ausbildung und die meisten arbeiten immer noch bei Samson. Wir sind wie eine große Familie hier.
»Wir sind wie eine große Familie hier.«
Die Abschlussprüfung war schwer, ich war sehr angespannt. Aber ich habe es geschafft. Am 20. Januar 2020 war das – ein ganz besonderer Tag für mich. Seitdem arbeite ich als Facharbeiter in der Produktion und bin zuständig für Stellungsregler, die an unsere Ventile angebaut werden.
Integration braucht Zeit
Seit 2018 bin ich verheiratet; meine Frau und ich haben uns in Darmstadt kennengelernt. Inzwischen leben wir gemeinsam mit unseren zwei Kindern in Steinbach im Hochtaunuskreis. Bevor die Kinder kamen, sind wir zusammen gereist, ich habe Fußball und Basketball gespielt. Aber jetzt bleibt dafür wenig Zeit; nach der Arbeit bin ich für meinen 4‑jährigen Sohn und meine 6‑jährige Tochter da, die dieses Jahr in die Schule kommt. Und freitags und samstags habe ich noch die Weiterbildung zum Maschinenbau-Techniker. Die habe ich letzten Sommer begonnen. Das ist nicht leicht neben Job und Familie. Aber wenn man ein Ziel hat, muss man dafür kämpfen, dass man es erreicht. Ich möchte irgendwann als Maschinenbauer arbeiten und mehr Verantwortung haben.
Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis ich in Deutschland richtig angekommen bin. Den einen Moment, in dem ich fühlte »Jetzt bin ich hier zuhause« gab es nicht. Es war ein langsamer Prozess. Nachdem ich die Sprachschule besucht hatte und mich verständigen konnte, habe ich mich angekommen gefühlt. Integration braucht Zeit. Deutschland muss den Menschen Gelegenheiten geben, sich zu integrieren, so wie ich sie hatte. Und auf der anderen Seite kann und sollte jeder Mensch, der hier lebt, etwas beitragen.
»Deutschland muss den Menschen Gelegenheiten geben, sich zu integrieren, so wie ich sie hatte.«
Mir wurde viel gegeben, jetzt will ich etwas zurückgeben
Natürlich gibt es auch Dinge in Deutschland, die mich nerven. Wir leben in einem Papierkram-Land. Das ist sehr anstrengend. Um bei irgendeiner Behörde einen Termin zu bekommen, muss man lange warten. Und es dauert ewig, bis man von Ämtern überhaupt eine Antwort bekommt. Aber so ist das eben, das muss man durchziehen. Ich habe jetzt eine Niederlassungserlaubnis. Vor drei Jahren habe ich einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, aber das Verfahren dauert noch an. Ich finde, der Staat sollte die Einbürgerung einfacher machen für die Menschen, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, Kinder haben.
Ich lebe jetzt hier seit zehn Jahren, meine Kinder sind hier geboren. Ich fühle mich als Deutscher, egal was die anderen sagen. Aber was heißt es schon, deutsch zu sein? Wenn man eine andere Hautfarbe oder Herkunft hat, ist es schwer, politisch und gesellschaftlich. Ich merke, dass sich das in den letzten Jahren verändert hat. Diskriminierung ist häufiger geworden. Vor allem für Frauen, die ein Kopftuch tragen. Aber auch ich erlebe immer wieder solche Situationen. Neulich hat ein Mann auf der Straße zu mir gesagt: »Du bist schwarz – was machst du hier?« Was soll ich dazu sagen? In solchen Momenten laufe ich einfach weiter.
Aber ich bin sehr dankbar, dass Deutschland mich aufgenommen hat, dass ich hier leben darf. Mir wurde viel gegeben, jetzt will ich etwas zurückgeben. Ich tue das, indem ich arbeite und Steuern zahle. Und vielleicht erfinde ich als Maschinenbauer ja irgendwann etwas, das ich Samson zurückgeben kann.
(er)