20.08.2025
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Foto: Lukas Metzger

Abdisamed Mohamud ist aus Somalia geflohen. Mittlerweile arbeitet er seit neun Jahren beim Industriekonzern Samson, hat geheiratet und eine Familie gegründet.

Ich bin stolz auf mich und auf das, was ich geschafft habe. Vor zehn Jah­ren hat­te ich nichts, jetzt bin ich zwei­fa­cher Vater, habe Ver­ant­wor­tung für mei­ne Fami­lie und im Beruf. Neben mei­ner Arbeit als Indus­trie­me­cha­ni­ker bei Sam­son mache ich gera­de eine Wei­ter­bil­dung zum Maschinenbau-Techniker.

Kaum zu glau­ben, dass ich schon seit neun Jah­ren bei Sam­son arbei­te! Die Fir­ma hat mich sehr unter­stützt und mir viel ermög­licht. Ange­fan­gen hat alles mit einem Prak­ti­kum. Das hat mir das Netz­werk Job­lin­ge e.V. ver­mit­telt. 2016 konn­te ich dann mei­ne Aus­bil­dung zum Indus­trie­me­cha­ni­ker begin­nen. Da ein Jahr zuvor vie­le Flücht­lin­ge nach Deutsch­land gekom­men waren, hat die Fir­ma in Frank­furt ein spe­zi­el­les Aus­bil­dungs­pro­gramm für Flücht­lin­ge ange­bo­ten. Wir hat­ten sehr gute Aus­bil­der, die uns Mathe, Phy­sik und Maschi­nen­bau gelehrt haben, aber auch Deutsch.

In meiner Firma sind wir wie eine große Familie 

Die Spra­che ist der Schlüs­sel. Wenn man die Spra­che nicht spricht, fühlt man sich nicht will­kom­men in der Gesell­schaft. Am Anfang war es des­halb etwas unan­ge­nehm für mich – so ganz ohne Sprach- und Kul­tur­ken­nt­nis­se. Aber ich hat­te das Glück, dass ich von Beginn an Men­schen um mich hat­te, die mir gehol­fen haben. Zunächst in der Jugend­ein­rich­tung, in der ich unter­ge­bracht war, dann bei Job­lin­ge e.V., beim Jugend­amt, bei der Arbeit. Unse­re Aus­bil­der haben uns ermu­tigt und mir gesagt: »Du schaffst das«. Ich bin sehr dank­bar für die­se Hil­fe. Wir waren rund drei­ßig Flücht­lin­ge in der Aus­bil­dung und die meis­ten arbei­ten immer noch bei Sam­son. Wir sind wie eine gro­ße Fami­lie hier.

»Wir sind wie eine gro­ße Fami­lie hier.«

Die Abschluss­prü­fung war schwer, ich war sehr ange­spannt. Aber ich habe es geschafft. Am 20. Janu­ar 2020 war das – ein ganz beson­de­rer Tag für mich. Seit­dem arbei­te ich als Fach­ar­bei­ter in der Pro­duk­ti­on und bin zustän­dig für Stel­lungs­reg­ler, die an unse­re Ven­ti­le ange­baut werden.

Integration braucht Zeit

Seit 2018 bin ich ver­hei­ra­tet; mei­ne Frau und ich haben uns in Darm­stadt ken­nen­ge­lernt. Inzwi­schen leben wir gemein­sam mit unse­ren zwei Kin­dern in Stein­bach im Hoch­tau­nus­kreis. Bevor die Kin­der kamen, sind wir zusam­men gereist, ich habe Fuß­ball und Bas­ket­ball gespielt. Aber jetzt bleibt dafür wenig Zeit; nach der Arbeit bin ich für mei­nen 4‑jährigen Sohn und mei­ne 6‑jährige Toch­ter da, die die­ses Jahr in die Schu­le kommt. Und frei­tags und sams­tags habe ich noch die Wei­ter­bil­dung zum Maschi­nen­bau-Tech­ni­ker. Die habe ich letz­ten Som­mer begon­nen. Das ist nicht leicht neben Job und Fami­lie. Aber wenn man ein Ziel hat, muss man dafür kämp­fen, dass man es erreicht. Ich möch­te irgend­wann als Maschi­nen­bau­er arbei­ten und mehr Ver­ant­wor­tung haben.

Es hat etwa ein Jahr gedau­ert, bis ich in Deutsch­land rich­tig ange­kom­men bin. Den einen Moment, in dem ich fühl­te »Jetzt bin ich hier zuhau­se« gab es nicht. Es war ein lang­sa­mer Pro­zess. Nach­dem ich die Sprach­schu­le besucht hat­te und mich ver­stän­di­gen konn­te, habe ich mich ange­kom­men gefühlt. Inte­gra­ti­on braucht Zeit. Deutsch­land muss den Men­schen Gele­gen­hei­ten geben, sich zu inte­grie­ren, so wie ich sie hat­te. Und auf der ande­ren Sei­te kann und soll­te jeder Mensch, der hier lebt, etwas beitragen.

»Deutsch­land muss den Men­schen Gele­gen­hei­ten geben, sich zu inte­grie­ren, so wie ich sie hatte.«

Mir wurde viel gegeben, jetzt will ich etwas zurückgeben

Natür­lich gibt es auch Din­ge in Deutsch­land, die mich ner­ven. Wir leben in einem Papier­kram-Land. Das ist sehr anstren­gend. Um bei irgend­ei­ner Behör­de einen Ter­min zu bekom­men, muss man lan­ge war­ten. Und es dau­ert ewig, bis man von Ämtern über­haupt eine Ant­wort bekommt. Aber so ist das eben, das muss man durch­zie­hen. Ich habe jetzt eine Nie­der­las­sungs­er­laub­nis. Vor drei Jah­ren habe ich einen Antrag auf Ein­bür­ge­rung gestellt, aber das Ver­fah­ren dau­ert noch an. Ich fin­de, der Staat soll­te die Ein­bür­ge­rung ein­fa­cher machen für die Men­schen, die hier leben, arbei­ten, Steu­ern zah­len, Kin­der haben.

Ich lebe jetzt hier seit zehn Jah­ren, mei­ne Kin­der sind hier gebo­ren. Ich füh­le mich als Deut­scher, egal was die ande­ren sagen. Aber was heißt es schon, deutsch zu sein? Wenn man eine ande­re Haut­far­be oder Her­kunft hat, ist es schwer, poli­tisch und gesell­schaft­lich. Ich mer­ke, dass sich das in den letz­ten Jah­ren ver­än­dert hat. Dis­kri­mi­nie­rung ist häu­fi­ger gewor­den. Vor allem für Frau­en, die ein Kopf­tuch tra­gen. Aber auch ich erle­be immer wie­der sol­che Situa­tio­nen. Neu­lich hat ein Mann auf der Stra­ße zu mir gesagt: »Du bist schwarz – was machst du hier?« Was soll ich dazu sagen? In sol­chen Momen­ten lau­fe ich ein­fach weiter.

Aber ich bin sehr dank­bar, dass Deutsch­land mich auf­ge­nom­men hat, dass ich hier leben darf. Mir wur­de viel gege­ben, jetzt will ich etwas zurück­ge­ben. Ich tue das, indem ich arbei­te und Steu­ern zah­le. Und viel­leicht erfin­de ich als Maschi­nen­bau­er ja irgend­wann etwas, das ich Sam­son zurück­ge­ben kann.

 

(er)