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»Wie ich denke, passt zu Deutschland. Deshalb fühle ich mich hier so wohl«

Nasrin Karimi ist 2015 aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Heute studiert sie in Stuttgart Mathe und Physik auf Lehramt, unterrichtet als Tutorin, engagiert sich ehrenamtlich für benachteiligte Jugendliche. PRO ASYL hat sie von ihrem Lebensweg erzählt und sagt: » Hier kann ich geradeheraus sagen, was ich denke.«
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass ich mit meinen Eltern und meinen vier Geschwistern nach Deutschland gekommen bin. Ich erinnere mich noch genau an unsere Ankunft am Bahnhof in München. Wie sauber alles war und wie hilfsbereit und nett die Menschen waren. Wildfremde Leute haben uns „Willkommen“ zugerufen, manche haben uns sogar umarmt oder meinen jüngeren Geschwistern ein Stofftier in die Hand gedrückt. Das war ein wunderbarer erster Eindruck. Wir haben gespürt, dass da Menschen sind, die uns unterstützen.
Deutschland ist Heimat für mich geworden
Bis heute habe ich keine schlechten Erfahrungen mit Deutschen gemacht, im Gegenteil. Ich habe viele Freunde und Bekannte, die uns bedingungslos geholfen haben. In Freiburg, wo wir zunächst unterkamen, haben uns Ehrenamtliche jeden Tag Deutsch beigebracht, aber auch Englisch- und Spanischkurse gegeben. Sie haben uns geholfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. In Ulm war es genauso, und auch in Stuttgart, wo ich seit knapp fünf Jahren wohne. Ich lebe in einer WG, und ich mag meine Mitbewohnerinnen sehr. Ich fühle mich so wohl hier!
Deutschland ist Heimat für mich geworden. Mir ist klar, dass ich hierbleiben möchte. Nur wenn die AfD tatsächlich an die Macht kommt, will ich nicht mehr hier leben. Manchmal habe ich Sorge, dass ich hier vielleicht doch nicht sicher sein könnte. Ich habe eine Niederlassungserlaubnis – einen Antrag auf Einbürgerung habe ich auch schon gestellt. Das war im Februar 2024, aber es steht noch aus. Ich hoffe es passiert bald mal was. Die Bürokratie ist echt nervig.
Im Iran musste ich mich immer verstellen
Meine Familie stammt aus Afghanistan, aber ich war nie dort. Ich bin im Iran großgeworden, aber wie ich gedacht habe, das hat dort nicht reingepasst. Egal, ob es um Religion ging oder um das Menschenbild, insbesondere das Frauenbild, ich musste mich immer verstellen. In der Schule habe ich schlechte Noten bekommen, weil ich nicht gebetet habe. Im Iran musste ich mich immer anders anziehen oder anders sprechen, als es meine Art ist. Wie ich denke, passt zu Deutschland. Deshalb fühle ich mich hier so wohl. Ich kann geradeheraus sagen, was ich denke, und einfach so sein, wie ich will. Auch bei den Eltern meines Freundes, der Deutscher ist, ist das so.
Meine Eltern sind mittlerweile geschieden. Sie hatten ein hartes Leben. Mein Vater ist nicht zur Schule gegangen, er hat angefangen zu arbeiten, als er acht Jahre alt war. Meine Mutter hat geheiratet, als sie zwölf war und hat mit 14 das erste Kind bekommen.
In unserer Anfangszeit in Deutschland, als wir noch im Flüchtlingsheim waren, haben wir Kopftuch getragen, das erschien uns sicherer. Erst später habe ich erkannt, dass mein Vater eigentlich auch westlich eingestellt ist, es aus Sicherheitsgründen im Iran aber nie gezeigt hat.
Ich möchte etwas zur Gesellschaft beitragen
Mein Vater ist stolz auf mich und auf das, was ich geschafft habe. Ich habe im Iran die 11. Klasse abgeschlossen und dann hier in Deutschland Abitur gemacht. Zum Glück habe ich ein Stipendium bekommen. Dann habe ich Mathe studiert, erst den Bachelor, und inzwischen mache ich einen Master: Mathe und Physik auf Lehramt. Ich will Gymnasiallehrerin werden, das ist mein Ziel.
Ich arbeite auch als Tutorin und bringe angehenden Ingenieuren Mathe bei. Außerdem spiele ich Handball im Verein und engagiere mich ehrenamtlich beim Verein „Sprungbrett Bildung“. Wir gehen zum Beispiel mit Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien ins Museum oder bieten Workshops zum Programmieren an. Das mache ich seit etwa anderthalb Jahren. Meine Motivation: Die Hilfe, die ich bekommen habe, zurückgeben. Ich möchte etwas zur Gesellschaft beitragen.
(er)