08.08.2025
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Nasrin Karimi

Nasrin Karimi ist 2015 aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Heute studiert sie in Stuttgart Mathe und Physik auf Lehramt, unterrichtet als Tutorin, engagiert sich ehrenamtlich für benachteiligte Jugendliche. PRO ASYL hat sie von ihrem Lebensweg erzählt und sagt: » Hier kann ich geradeheraus sagen, was ich denke.«

Zehn Jah­re ist es jetzt her, dass ich mit mei­nen Eltern und mei­nen vier Geschwis­tern nach Deutsch­land gekom­men bin. Ich erin­ne­re mich noch genau an unse­re Ankunft am Bahn­hof in Mün­chen. Wie sau­ber alles war und wie hilfs­be­reit und nett die Men­schen waren. Wild­frem­de Leu­te haben uns „Will­kom­men“ zuge­ru­fen, man­che haben uns sogar umarmt oder mei­nen jün­ge­ren Geschwis­tern ein Stoff­tier in die Hand gedrückt. Das war ein wun­der­ba­rer ers­ter Ein­druck. Wir haben gespürt, dass da Men­schen sind, die uns unterstützen.

Deutschland ist Heimat für mich geworden

Bis heu­te habe ich kei­ne schlech­ten Erfah­run­gen mit Deut­schen gemacht, im Gegen­teil. Ich habe vie­le Freun­de und Bekann­te, die uns bedin­gungs­los gehol­fen haben. In Frei­burg, wo wir zunächst unter­ka­men, haben uns Ehren­amt­li­che jeden Tag Deutsch bei­gebracht, aber auch Eng­lisch- und Spa­nisch­kur­se gege­ben. Sie haben uns gehol­fen, ohne eine Gegen­leis­tung zu erwar­ten. In Ulm war es genau­so, und auch in Stutt­gart, wo ich seit knapp fünf Jah­ren woh­ne. Ich lebe in einer WG, und ich mag mei­ne Mit­be­woh­ne­rin­nen sehr. Ich füh­le mich so wohl hier!

Deutsch­land ist Hei­mat für mich gewor­den. Mir ist klar, dass ich hier­blei­ben möch­te. Nur wenn die AfD tat­säch­lich an die Macht kommt, will ich nicht mehr hier leben. Manch­mal habe ich Sor­ge, dass ich hier viel­leicht doch nicht sicher sein könn­te. Ich habe eine Nie­der­las­sungs­er­laub­nis – einen Antrag auf Ein­bür­ge­rung habe ich auch schon gestellt. Das war im Febru­ar 2024, aber es steht noch aus. Ich hof­fe es pas­siert bald mal was. Die Büro­kra­tie ist echt nervig.

Im Iran musste ich mich immer verstellen

Mei­ne Fami­lie stammt aus Afgha­ni­stan, aber ich war nie dort. Ich bin im Iran groß­ge­wor­den, aber wie ich gedacht habe, das hat dort nicht rein­ge­passt. Egal, ob es um Reli­gi­on ging oder um das Men­schen­bild, ins­be­son­de­re das Frau­en­bild, ich muss­te mich immer ver­stel­len. In der Schu­le habe ich schlech­te Noten bekom­men, weil ich nicht gebe­tet habe. Im Iran muss­te ich mich immer anders anzie­hen oder anders spre­chen, als es mei­ne Art ist. Wie ich den­ke, passt zu Deutsch­land. Des­halb füh­le ich mich hier so wohl. Ich kann gera­de­her­aus sagen, was ich den­ke, und ein­fach so sein, wie ich will. Auch bei den Eltern mei­nes Freun­des, der Deut­scher ist, ist das so.

Mei­ne Eltern sind mitt­ler­wei­le geschie­den. Sie hat­ten ein har­tes Leben. Mein Vater ist nicht zur Schu­le gegan­gen, er hat ange­fan­gen zu arbei­ten, als er acht Jah­re alt war. Mei­ne Mut­ter hat gehei­ra­tet, als sie zwölf war und hat mit 14 das ers­te Kind bekommen.

In unse­rer Anfangs­zeit in Deutsch­land, als wir noch im Flücht­lings­heim waren, haben wir Kopf­tuch getra­gen, das erschien uns siche­rer. Erst spä­ter habe ich erkannt, dass mein Vater eigent­lich auch west­lich ein­ge­stellt ist, es aus Sicher­heits­grün­den im Iran aber nie gezeigt hat.

Ich möchte etwas zur Gesellschaft beitragen

Mein Vater ist stolz auf mich und auf das, was ich geschafft habe. Ich habe im Iran die 11. Klas­se abge­schlos­sen und dann hier in Deutsch­land Abitur gemacht. Zum Glück habe ich ein Sti­pen­di­um bekom­men. Dann habe ich Mathe stu­diert, erst den Bache­lor, und inzwi­schen mache ich einen Mas­ter: Mathe und Phy­sik auf Lehr­amt. Ich will Gym­na­si­al­leh­re­rin wer­den, das ist mein Ziel.

Ich arbei­te auch als Tuto­rin und brin­ge ange­hen­den Inge­nieu­ren Mathe bei. Außer­dem spie­le ich Hand­ball im Ver­ein und enga­gie­re mich ehren­amt­lich beim Ver­ein „Sprung­brett Bil­dung“. Wir gehen zum Bei­spiel mit Kin­dern und Jugend­li­chen aus benach­tei­lig­ten Fami­li­en ins Muse­um oder bie­ten Work­shops zum Pro­gram­mie­ren an. Das mache ich seit etwa andert­halb Jah­ren. Mei­ne Moti­va­ti­on: Die Hil­fe, die ich bekom­men habe, zurück­ge­ben. Ich möch­te etwas zur Gesell­schaft beitragen.

(er)