29.07.2015

Seit Wochen kommt es in Deutsch­land fast jeden Tag zu ras­sis­tisch moti­vier­ten Gewalt­ta­ten gegen Flücht­lin­ge, Flücht­lings­un­ter­künf­te oder Men­schen, die Flücht­lin­ge unter­stüt­zen. Ziel der Täte­rin­nen und Täter ist es, Angst und Schre­cken unter Flücht­lin­gen und Migran­tIn­nen zu ver­brei­ten, poli­ti­sche Geg­ne­rIn­nen ein­zu­schüch­tern, ihre ras­sis­ti­sche Agen­da zu pro­pa­gie­ren und den Staat gewalt­sam an der Wahr­neh­mung sei­ner ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Auf­ga­be zu hin­dern, Flücht­lin­gen ein fai­res Asyl­ver­fah­ren und men­schen­wür­di­ge Auf­nah­me­be­din­gun­gen zu gewäh­ren. Die ras­sis­ti­sche Gewalt hat damit längst ter­ro­ris­ti­sche Züge angenommen.

Inzwi­schen schre­cken die Täter nicht ein­mal vor geziel­ten Mord­an­schlä­gen zurück. Am Wochen­en­de wur­den in Brandenburg/Havel Brand­be­schleu­ni­ger vor der Woh­nungs­tür einer Fami­lie aus Ingu­sche­ti­en ent­facht. Die Berich­te über ras­sis­tisch moti­vier­te Taten rei­ßen nicht ab. Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um geht von 202 ras­sis­ti­schen Über­grif­fen allein im ers­ten Halb­jahr 2015 aus.

PRO ASYL for­dert Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel und die zustän­di­gen Minis­ter auf, die­se erschre­cken­de Ent­wick­lung nicht län­ger schwei­gend hin­zu­neh­men. PRO ASYL for­dert eine ein­deu­ti­ge Ver­ur­tei­lung des ras­sis­ti­schen Ter­rors durch die Kanz­le­rin. Es kann nicht sein, dass eine der­ar­ti­ge Wel­le ras­sis­tisch moti­vier­ter Gewalt nicht kom­men­tiert wird.

Die Flücht­lin­ge in Deutsch­land brau­chen Schutz und Bei­stand. Es darf nicht hin­ge­nom­men wer­den, dass Flücht­lin­ge hier­zu­lan­de fürch­ten müs­sen, dass ihre Unter­kunft ange­zün­det wird oder sie auf der Stra­ße ange­grif­fen wer­den. Es darf kein Zwei­fel dar­an gelas­sen wer­den, dass Gewalt und Anfein­dun­gen gegen­über Flücht­lin­gen und Migran­tIn­nen in Deutsch­land geäch­tet und mit aller Här­te straf­recht­lich ver­folgt werden.

Die Bun­des­re­gie­rung, die Län­der und ins­be­son­de­re Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re tra­gen die poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung dafür, dass Flücht­lin­ge und Migran­tIn­nen in Deutsch­land vor Anschlä­gen und ras­sis­ti­schen Angrif­fen effek­tiv geschützt wer­den. Sie müs­sen geeig­ne­te Maß­nah­men zum Schutz der Betrof­fe­nen ergrei­fen und sich klar auf ihre Sei­te stel­len. Das gilt ins­be­son­de­re in einer Zeit, in der die in vie­ler Hin­sicht unauf­ge­klär­te Mord­se­rie des NSU vie­le Men­schen dar­an zwei­feln lässt, ob der deut­sche Staat wil­lens und in der Lage ist, ras­sis­ti­schen Ter­ror effek­tiv zu bekämpfen.

PRO ASYL for­dert eine kla­re Posi­tio­nie­rung und kon­kre­te Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men, um Über­grif­fe gegen Flücht­lin­ge und Anschlä­ge auf Flücht­lings­un­ter­künf­te zu verhindern:

  • Poli­zei­li­che Prä­ven­ti­on: Die Poli­zei muss die Lage in der Nähe von Flücht­lings­un­ter­künf­ten beson­ders auf­merk­sam beob­ach­ten, sie muss Gefähr­dungs­ana­ly­sen erstel­len und dabei alle vor­lie­gen­den Erkennt­nis­se berück­sich­ti­gen. Flücht­lin­ge müs­sen über Gefähr­dun­gen und Hand­lungs­op­tio­nen bei Bedro­hun­gen infor­miert wer­den. Im Zwei­fel muss die Poli­zei durch Strei­fen­dienst vor Ort Prä­senz zei­gen. Gibt es Hin­wei­se auf eine kon­kre­te Gefähr­dung, sind Flücht­lings­un­ter­künf­te durch per­ma­nen­ten Poli­zei­schutz zu sichern.
  • Mehr­spra­chi­ger Not­ruf für Flücht­lin­ge: Betrof­fe­ne müs­sen in einer Bedro­hungs­si­tua­ti­on einen Not­ruf in den gän­gigs­ten Spra­chen von Flücht­lin­gen abset­zen kön­nen. Als Ergän­zung zum regu­lä­ren Poli­zei­not­ruf soll­ten mehr­spra­chi­ge Not­ruf­an­ge­bo­te eta­bliert wer­den. Der Schutz vor Angrif­fen und Bedro­hun­gen darf nicht an Sprach­bar­rie­ren scheitern.
  • Kon­se­quen­te Straf­ver­fol­gung: Die Täter müs­sen kon­se­quent ver­folgt und vor Gericht gestellt wer­den. Die bis­her gerin­ge Erfolgs­quo­te von Ermitt­lun­gen bei ras­sis­ti­schen Angrif­fen auf Flücht­lin­ge zeigt, dass die Ermitt­lun­gen drin­gend inten­si­viert wer­den müs­sen. Im ers­ten Quar­tal 2015 gelang laut Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um nur in einem Vier­tel der Delik­te die Aufklärung. 
  • Tech­ni­sche Maß­nah­men in Unter­künf­ten: Flücht­lings­un­ter­künf­te müs­sen hohen Sicher­heits­stan­dards genü­gen. So müs­sen die Räu­me mit Rauch­mel­dern aus­ge­stat­tet sein. Feu­er­lö­scher müs­sen vor­han­den sein. Flucht­we­ge müs­sen deut­lich aus­ge­wie­sen sein – in ver­schie­de­nen Sprachen.
  • Sicher­heits­per­so­nal: Die Anstel­lung von Sicher­heits­per­so­nal mit ras­sis­ti­schen Ein­stel­lun­gen muss durch eine gewis­sen­haf­te Über­prü­fung der Auf­trag­neh­mer aus­ge­schlos­sen werden.
  • Bedroh­li­che Kund­ge­bun­gen unter­bin­den: Ver­samm­lun­gen von Rechts­extre­men, von denen Über­grif­fe und Bedro­hun­gen gegen­über Flücht­lin­gen aus­ge­hen, müs­sen im unmit­tel­ba­ren Umfeld von Flücht­lings­un­ter­künf­ten kon­se­quent unter­bun­den wer­den. Das Grund­recht auf Ver­samm­lungs­frei­heit steht nicht über dem Recht auf kör­per­li­che Unver­sehrt­heit. Flücht­lin­ge einer bedroh­li­chen Atmo­sphä­re aus­zu­set­zen, die regel­mä­ßig von rechts­extre­men Kund­ge­bun­gen aus­geht, ist nicht hinnehmbar.

Neben die­sen Maß­nah­men sieht PRO ASYL die Soli­da­ri­tät der Zivil­ge­sell­schaft mit den Flücht­lin­gen als zen­tral an, um ras­sis­ti­sche Ten­den­zen zurück­zu­drän­gen. Die unzäh­li­gen ehren­amt­li­chen Initia­ti­ven, die sich für Flücht­lin­ge enga­gie­ren, sind ein ent­schei­den­des Signal gegen rech­te Mobi­li­sie­rung. Kom­mu­nen soll­ten die­se Initia­ti­ven und Will­kom­mens­bünd­nis­se unter­stüt­zen, indem sie Insti­tu­tio­nen, Initia­ti­ven und Pri­vat­per­so­nen Räu­me und Res­sour­cen zur Ver­fü­gung stel­len. Bund und Län­der soll­ten flä­chen­de­cken­de Pro­gram­me zur Unter­stüt­zung der ehren­amt­li­chen Arbeit mit Flücht­lin­gen auf­le­gen. Will­kom­mens­kul­tur ist nicht nur Privatsache.

Damit sich das gesell­schaft­li­che Kli­ma gegen­über Flücht­lin­gen nicht wei­ter ver­schärft, müs­sen die ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ker und Poli­ti­ke­rin­nen auf­hö­ren, mit der Rede vom „Asyl­miss­brauch“ Res­sen­ti­ments zu schü­ren. Wer sich auf Kos­ten von Flücht­lin­gen mit Stamm­tisch­pa­ro­len pro­fi­liert, der trägt Mit­ver­ant­wor­tung dafür, wenn ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments und Gewalt­ta­ten zuneh­men. Ein Rück­fall in die 1990er Jah­re, in denen Flücht­lings­hei­me brann­ten und Men­schen durch ras­sis­ti­sche Gewalt zu Tode kamen, muss mit allen Mit­teln ver­hin­dert wer­den. PRO ASYL appel­liert an alle Ver­ant­wort­li­chen, mit allen Kräf­ten für eine offe­ne Will­kom­mens­kul­tur zu sor­gen, in der sich Flücht­lin­ge sicher füh­len können.

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