Seehofer: Verantwortung erfolgreich ausgelagert
Bundesinnenminister (BMI) Seehofer hat bei der gestrigen Pressekonferenz zur Vorstellung der Asylzahlen 2018 den Rückgang der Asylerstanträge um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hervorgehoben und meinte, »politische Maßnahmen hätten die gewünschte politische Wirkung gezeigt«. Das ist eine rein nationale Sicht der Dinge, die zudem völlig ignorant ist gegenüber der Tatsache, dass Millionen Menschen weltweit auf der Suche nach Schutz sind, der ihnen häufig verwehrt bleibt. Angesichts der tödlichen Behinderung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer, illegalen Push-Backs auf der Balkanroute und der Unwilligkeit einiger EU-Partnerstaaten Systeme des Flüchtlingsschutzes aufzubauen, ist Seehofers Aussage ein schlichtes Bekenntnis zur Strategie, Flüchtlingsschutz auszulagern oder zu verhindern.
Auch die Zahlen beim Thema Familiennachzug zu subsidiär Geschützten gleichen eher einem Trauerspiel. Die bereits unglaublich restriktive Quote von 1000 Visa pro Monat wurde bei weitem nicht ausgeschöpft. Es wurden gerade einmal 2.600 Visa tatsächlich erteilt. Bei der Frage, ob die restlichen 2.400 auf das neue Jahr übertragen würden, antwortete BMI Seehofer süffisant, da sei er »nicht ganz verschlossen«, es gehe aber um eine Frage des »Interessensausgleiches«. Wird da der nächste unsittliche Deal mit dem Koalitionspartner angekündigt? PRO ASYL fordert als absolutes Minimum die Übertragung des Visakontingents auf das laufende Jahr, lehnt aber die Beschränkung des Familiennachzugs für Menschen, die den sog. subsidiären Schutz erhalten haben, grundsätzlich ab.
Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Dr. Sommer, legte den Fokus derweil auf Qualitätssicherung. Es gebe »keine Behörde in Deutschland, die eine derartig intensive Qualitätskontrolle betreibt.« Nach Ansicht von PRO ASYL werden hier Absichtserklärungen zu Ergebnissen umgemünzt. Das von PRO ASYL seit vielen Jahren geforderte Vier-Augen-Prinzip soll umgesetzt sein. Doch nach wie vor landen dürftig begründete Asylablehnungen, die auf schlechten Anhörungen basieren, auf den Tischen von Anwälten wie auch von PRO ASYL. Die Selbsteinschätzung der Behörde in Sachen Qualitätskontrolle ist schlichtweg nicht gerechtfertigt. Es gibt wohl keine Behörde, die so viele fehlerhafte Bescheide versendet, von denen viele dann von Gerichten wieder korrigiert werden. Bei einer sachgerechten Betrachtung werden die formellen Verfahrensausgänge nicht mitgerechnet. Das bedeutet: Tatsächlich wird jeder dritte Asylbescheid des BAMF durch Gerichte korrigiert, bei Afghaninnen und Afghanen sogar jeder zweite. Dass sich Bundesamt und BMI mit diesen Zahlen nicht auseinandersetzen möchten, ist fatal – belastet werden die Verwaltungsgerichte, viel mehr allerdings noch die Asylsuchenden, die weitere Monate und mitunter Jahre auf den Schutz warten müssen, der ihnen zusteht.
Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens in andere EU-Staaten haben im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen. Was BMI und Bundesamtspräsident positiv darstellen, heißt im Klartext, dass der Druck auf die EU-Randstaaten weiter erhöht wird, in denen ohnehin der größte Teil der Flüchtlinge ankommt. Griechenland, Bulgarien, Italien sollen mehr Schutzsuchende aufnehmen, ungeachtet dessen, dass in diesen Staaten ein menschenwürdiges Unterbringungs- und Asylprüfungssystem kaum existiert. Damit wird deren Kurs in Richtung verschärfter Abschottung nach Außen weiter angetrieben.