10.11.2021

Ein brei­tes Bünd­nis, initi­iert von der Bun­des­wei­ten Arbeits­ge­mein­schaft für die psy­cho­so­zia­len Zen­tren für Flücht­lin­ge und Fol­ter­op­fer (BAfF), for­dert von der neu­en Bun­des­re­gie­rung, im asyl- und auf­ent­halts­recht­li­chen Ver­fah­ren schwe­re Erkran­kun­gen von Schutz­su­chen­den zu berück­sich­ti­gen. Dafür müs­sen auch Geset­ze geän­dert und die von der Gro­Ko durch­ge­setz­ten Geset­zes­ver­schär­fun­gen zurück­ge­nom­men werden.

PRO ASYL unter­stützt die­se For­de­rung, die unter ande­rem von der Bun­des­psy­cho­the­ra­peu­ten­kam­mer, Ärz­te­or­ga­ni­sa­tio­nen, den gro­ßen Wohl­fahrts­ver­bän­den und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen im Appell an die nächs­te Bun­des­re­gie­rung zum unein­ge­schränk­ten Zugang zur Gesund­heits­ver­sor­gung erho­ben wird.

Abschie­bun­gen trotz schwe­rer Krankheit

Der­zeit wer­den schwe­re Erkran­kun­gen nicht aus­rei­chend im Asyl- und Auf­ent­halts­ver­fah­ren berück­sich­tigt. Zudem wird den Betrof­fe­nen durch über­höh­te Anfor­de­run­gen in unzu­mut­ba­rer Wei­se die Beweis­last für das Vor­lie­gen ihrer Erkran­kung auf­er­legt. So wer­den immer wie­der Men­schen trotz schwe­rer Krank­heit und beson­de­rer Schutz­be­dürf­tig­keit abgeschoben.

Seit dem Asyl­pa­ket II und dem soge­nann­ten Geord­ne­te-Rück­kehr-Gesetz „sind die Anfor­de­run­gen an Attes­te kaum noch erfüll­bar“, heißt es in dem von 15 Orga­ni­sa­tio­nen unter­zeich­ne­ten Appell. Wegen des (Fach-)Arztkriteriums wer­den Stel­lung­nah­men psy­cho­lo­gi­scher Psychotherapeut*innen nicht mehr berück­sich­tigt, so wur­den cir­ca zwei Drit­tel der Fach­kräf­te aus­ge­schlos­sen, die bis dahin Stel­lung­nah­men aus­stel­len konn­ten. „Für den Aus­schluss der Exper­ti­se psy­cho­lo­gi­scher Psychotherapeut*innen besteht kein sach­li­cher Grund: Sie sind auf­grund ihrer Aus- und Wei­ter­bil­dung zur Dia­gnos­tik und Behand­lung psy­chi­scher Stö­run­gen befä­higt und berech­tigt“, heißt es in dem Appell an die neue Bun­des­re­gie­rung weiter.

Über­le­ben­de von Krieg, Fol­ter und Flucht haben ein Recht auf Schutz 

Doch Flücht­lin­ge und Über­le­ben­de von Krieg, Fol­ter und Flucht haben ein Recht auf Schutz und Sicher­heit, heißt es in dem Auf­ruf. Dazu gehört auch, dass ihre gesund­heit­li­che und psy­cho­so­zia­le Ver­sor­gung sicher­ge­stellt wird. Dies ergibt sich nicht nur aus völ­ker­recht­li­chen und euro­pa­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen, son­dern ist auch ein Gebot der Humanität.

Beson­de­re Schutz­be­dar­fe müs­sen in asyl- und auf­ent­halts­recht­li­chen Ver­fah­ren eine stär­ke­re Berück­sich­ti­gung erlan­gen. Dazu müs­sen die Para­gra­fen 60 Absatz 7, Sät­ze 2 ff. und Para­graf 60a Abs. 2c und d im Auf­ent­halts­ge­setz gestri­chen werden.

Über­höh­te Anfor­de­run­gen an Bescheinigungen

Im Para­gra­fen § 60a Abs. 2c) Auf­ent­halts­ge­setz ist eine gesetz­li­che Ver­mu­tung ver­an­kert, dass der Abschie­bung gesund­heit­li­che Grün­de nicht ent­ge­gen­ste­hen. Fer­ner ist dort das (Fach-)Arztkriterium nor­miert, durch das Psy­cho­lo­gi­sche Psychotherapeut*innen für die Aus­stel­lung von Beschei­ni­gun­gen über das Vor­lie­gen psy­chi­scher Erkran­kun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den. Dadurch wer­den Betrof­fe­ne gezwun­gen, sich um psych­ia­tri­sche Beschei­ni­gun­gen zu bemü­hen. Psychiater*innen haben dafür aber in der Pra­xis in aller Regel kei­ne Kapa­zi­tä­ten. Auch kön­nen Betrof­fe­ne die hohen Kos­ten für psych­ia­tri­sche Unter­su­chun­gen regel­mä­ßig nicht tra­gen, wäh­rend sie in psy­cho­so­zia­len Zen­tren ohne hohe Hür­den Zugang zu Psychotherapeut*innen haben.

Dar­über hin­aus wer­den hohe inhalt­li­che Anfor­de­run­gen an die Beschei­ni­gung gestellt. Durch die über­höh­ten Anfor­de­run­gen wird den Betrof­fe­nen die Beweis­last für das Vor­lie­gen krank­heits­be­ding­ter Abschie­bungs­hin­der­nis­se auf­er­legt. Damit wird der Amts­er­mitt­lungs­grund­satz unter­lau­fen, wonach in der Regel die Behör­de ent­schei­dungs­er­heb­li­che Tat­sa­chen auf­zu­klä­ren hat. Dies wird der Schutz­pflicht für Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit, die aus dem Grund­ge­setz resul­tiert (Arti­kel 2 Ab 2 S. 1), nicht gerecht.

Zen­tra­le Forderungen

„Wir bit­ten Sie ein­dring­lich, im Rah­men der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen die vor­ge­nann­ten Erfor­der­nis­se zu berück­sich­ti­gen, um die bestehen­den Lücken bei der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und dem Abschie­bungs­schutz zu schlie­ßen“, heißt es in dem Appell, des­sen zen­tra­le For­de­run­gen lauten:

· Unein­ge­schränk­ten Zugang zu medi­zi­ni­scher und psy­cho­so­zia­ler Ver­sor­gung ermöglichen
· Finan­zie­rung der Psy­cho­so­zia­len Zen­tren nach­hal­tig sicherstellen
· Gesetz­li­chen Anspruch auf Sprach­mitt­lung einführen
· Schwe­re Erkran­kun­gen im asyl- und auf­ent­halts­recht­li­chen Ver­fah­ren berücksichtigen.

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