Ein breites Bündnis, initiiert von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für die psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF), fordert von der neuen Bundesregierung, im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren schwere Erkrankungen von Schutzsuchenden zu berücksichtigen. Dafür müssen auch Gesetze geändert und die von der GroKo durchgesetzten Gesetzesverschärfungen zurückgenommen werden.
PRO ASYL unterstützt diese Forderung, die unter anderem von der Bundespsychotherapeutenkammer, Ärzteorganisationen, den großen Wohlfahrtsverbänden und Menschenrechtsorganisationen im Appell an die nächste Bundesregierung zum uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung erhoben wird.
Abschiebungen trotz schwerer Krankheit
Derzeit werden schwere Erkrankungen nicht ausreichend im Asyl- und Aufenthaltsverfahren berücksichtigt. Zudem wird den Betroffenen durch überhöhte Anforderungen in unzumutbarer Weise die Beweislast für das Vorliegen ihrer Erkrankung auferlegt. So werden immer wieder Menschen trotz schwerer Krankheit und besonderer Schutzbedürftigkeit abgeschoben.
Seit dem Asylpaket II und dem sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz „sind die Anforderungen an Atteste kaum noch erfüllbar“, heißt es in dem von 15 Organisationen unterzeichneten Appell. Wegen des (Fach-)Arztkriteriums werden Stellungnahmen psychologischer Psychotherapeut*innen nicht mehr berücksichtigt, so wurden circa zwei Drittel der Fachkräfte ausgeschlossen, die bis dahin Stellungnahmen ausstellen konnten. „Für den Ausschluss der Expertise psychologischer Psychotherapeut*innen besteht kein sachlicher Grund: Sie sind aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung zur Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen befähigt und berechtigt“, heißt es in dem Appell an die neue Bundesregierung weiter.
Überlebende von Krieg, Folter und Flucht haben ein Recht auf Schutz
Doch Flüchtlinge und Überlebende von Krieg, Folter und Flucht haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit, heißt es in dem Aufruf. Dazu gehört auch, dass ihre gesundheitliche und psychosoziale Versorgung sichergestellt wird. Dies ergibt sich nicht nur aus völkerrechtlichen und europarechtlichen Verpflichtungen, sondern ist auch ein Gebot der Humanität.
Besondere Schutzbedarfe müssen in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren eine stärkere Berücksichtigung erlangen. Dazu müssen die Paragrafen 60 Absatz 7, Sätze 2 ff. und Paragraf 60a Abs. 2c und d im Aufenthaltsgesetz gestrichen werden.
Überhöhte Anforderungen an Bescheinigungen
Im Paragrafen § 60a Abs. 2c) Aufenthaltsgesetz ist eine gesetzliche Vermutung verankert, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Ferner ist dort das (Fach-)Arztkriterium normiert, durch das Psychologische Psychotherapeut*innen für die Ausstellung von Bescheinigungen über das Vorliegen psychischer Erkrankungen ausgeschlossen werden. Dadurch werden Betroffene gezwungen, sich um psychiatrische Bescheinigungen zu bemühen. Psychiater*innen haben dafür aber in der Praxis in aller Regel keine Kapazitäten. Auch können Betroffene die hohen Kosten für psychiatrische Untersuchungen regelmäßig nicht tragen, während sie in psychosozialen Zentren ohne hohe Hürden Zugang zu Psychotherapeut*innen haben.
Darüber hinaus werden hohe inhaltliche Anforderungen an die Bescheinigung gestellt. Durch die überhöhten Anforderungen wird den Betroffenen die Beweislast für das Vorliegen krankheitsbedingter Abschiebungshindernisse auferlegt. Damit wird der Amtsermittlungsgrundsatz unterlaufen, wonach in der Regel die Behörde entscheidungserhebliche Tatsachen aufzuklären hat. Dies wird der Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit, die aus dem Grundgesetz resultiert (Artikel 2 Ab 2 S. 1), nicht gerecht.
Zentrale Forderungen
„Wir bitten Sie eindringlich, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen die vorgenannten Erfordernisse zu berücksichtigen, um die bestehenden Lücken bei der medizinischen Versorgung und dem Abschiebungsschutz zu schließen“, heißt es in dem Appell, dessen zentrale Forderungen lauten:
· Uneingeschränkten Zugang zu medizinischer und psychosozialer Versorgung ermöglichen
· Finanzierung der Psychosozialen Zentren nachhaltig sicherstellen
· Gesetzlichen Anspruch auf Sprachmittlung einführen
· Schwere Erkrankungen im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren berücksichtigen.