29.07.2021

Drei Jah­re nach Öff­nung der ers­ten AnkER-Zen­tren fällt die Bilanz düs­ter aus. Das Kon­zept ist geschei­tert, die Asyl­ver­fah­ren wur­den nicht beschleu­nigt, die Men­schen sind oft iso­liert, ent­rech­tet und aus­ge­grenzt. Ein brei­tes zivil­ge­sell­schaft­li­ches Bünd­nis, dar­un­ter PRO ASYL, Dia­ko­nie Deutsch­land, Deut­scher Cari­tas­ver­band, Pari­tä­ti­scher Gesamt­ver­band, AWO Bun­des­ver­band und Amnes­ty Inter­na­tio­nal, for­dern die Schlie­ßung der Zen­tren und fai­re Asylverfahren.

PRO ASYL for­dert zusam­men mit rund 65 bun­des- und lan­des­wei­ten Wohl­fahrts­ver­bän­den, Men­schen­rechts- und Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen, die AnkER-Zen­tren und ver­gleich­ba­re Ein­rich­tun­gen in Deutsch­land abzu­schaf­fen, die Ver­weil­dau­er der Geflüch­te­ten in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen deut­lich zu begren­zen und eine zukunfts­wei­sen­de Erst­auf­nah­me von Asyl­su­chen­den in Deutsch­land zu orga­ni­sie­ren. In einem am 29. Juli ver­öf­fent­lich­ten Auf­ruf heißt es: „Wir for­dern die Abschaf­fung von AnkER-Zen­tren und ähn­lich kon­zi­pier­ten Ein­rich­tun­gen sowie die gesetz­li­che Begren­zung der Zeit in einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung auf weni­ge Wochen, maxi­mal drei Monate.“

Men­schen in den Mit­tel­punkt stellen

Nötig für ein fai­res Asyl­ver­fah­ren sind  „Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen, die das Ankom­men der Men­schen in den Mit­tel­punkt stel­len und sie best­mög­lich auf das Asyl­ver­fah­ren und den Auf­ent­halt in Deutsch­land vor­be­rei­ten“, heißt es in dem gemein­sa­men Auf­ruf „Iso­la­ti­on been­den – das Ankom­men för­dern – fai­re Asyl­ver­fah­ren sicher­stel­len. Auf­ruf für eine zukunfts­ori­en­tier­te Erst­auf­nah­me von Asyl­su­chen­den in Deutsch­land“ wei­ter, der von Dia­ko­nie Deutsch­land, Deut­schem Cari­tas­ver­band, Pari­tä­ti­schem Gesamt­ver­band, Arbei­ter­wohl­fahrt Bun­des­ver­band und PRO ASYL initi­iert wurde.
Die ers­ten AnkER-Zen­tren (Ankunfts‑, Ent­schei­dungs- und Rück­kehr-Zen­tren) sowie ver­gleich­ba­re Ein­rich­tun­gen sind vor drei Jah­ren, am 1. August 2018, eröff­net worden.

Kon­zept geschei­tert: Ver­fah­ren sind nicht sub­stan­ti­ell schneller

„Das Kon­zept der AnkER-Zen­tren ist geschei­tert“, zie­hen die unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen im Auf­ruf Bilanz. So ist es nicht gelun­gen, die Asyl­ver­fah­ren sub­stan­ti­ell  zu beschleu­ni­gen – was für die Bun­des­re­gie­rung ein Ziel der Zen­tren war. Orga­ni­sa­tio­nen, die in der Flücht­lings­hil­fe tätig sind, hat­ten das Kon­zept von Anfang an kri­ti­siert – und füh­len sich dar­in bestä­tigt, auch von einer Unter­su­chung des BAMF selbst (Eva­lua­ti­ons­be­richt des BAMF vom 24. Febru­ar 2021):  So dau­ert ein Asyl­ver­fah­ren in AnkER-Ein­rich­tun­gen durch­schnitt­lich 77 statt der sonst durch­schnitt­li­chen 82 Tagen, obwohl die Asyl­ver­fah­ren aus AnkER-Ein­rich­tun­gen prio­ri­siert werden.

„AnkER-Zen­tren füh­ren viel­fach zu Iso­la­ti­on, Ent­rech­tung und Aus­gren­zung“, kri­ti­sie­ren die Orga­ni­sa­tio­nen. Die Men­schen ver­lie­ren dort wert­vol­le Zeit für die Inte­gra­ti­on, kön­nen kaum Kon­tak­te nach außen haben, dür­fen neun Mona­te lang nicht arbei­ten, haben nur beschränk­te Mög­lich­kei­ten, um sich zu bil­den und wer­den durch die frü­he Kon­fron­ta­ti­on mit der mög­li­chen Rück­kehr ver­un­si­chert. „Das Auf­nah­me­ver­fah­ren und die Bedin­gun­gen in den AnkER-Zen­tren ver­letz­ten damit die Wür­de und die Rech­te der Men­schen, ins­be­son­de­re von Kin­dern und Jugend­li­chen und ande­ren beson­ders Schutz­be­dürf­ti­gen“, heißt es im Auf­ruf weiter.

Flücht­lin­ge kön­nen ihre Rech­te nur ein­ge­schränkt wahrnehmen

Ein wei­te­rer Kri­tik­punkt: Die Men­schen, deren Asyl­ge­such abge­lehnt wird, kön­nen „ihre Rech­te zum Teil nur ein­ge­schränkt wahr­neh­men“: Die Iso­la­ti­on erschwert den Kon­takt zu Ehren­amt­li­chen, Bera­tungs­stel­len und Rechtsanwält*innen. Das zeigt auch die Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen dem Münch­ner Flücht­lings­rat und der Regie­rung von Ober­bay­ern vor Gericht dar­über, ob der Info­bus des Flücht­lings­rats auf das Gelän­de der AnkER-Zen­tren fah­ren und dort Bera­tung anbie­ten darf. Die Fra­ge, ob es ein Zugangs­recht zu AnkER-Zen­tren und ande­ren Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen gibt, wur­de am 28. Juli 2021 vor dem Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ver­han­delt und hat bun­des­wei­te Bedeutung.

Die zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen for­dern statt­des­sen Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen, die das Ankom­men der Men­schen in den Mit­tel­punkt stel­len und sie gut auf das Asyl­ver­fah­ren vor­be­rei­ten. Dazu gehört unter ande­rem eine sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung von beson­ders ver­letz­li­chen Grup­pen wie Trau­ma­ti­sier­ten, Kin­dern, alten Men­schen und von Gewalt betrof­fe­nen Frau­en (dazu auch  der von PRO ASYL mit­her­aus­ge­ge­be­ne Bericht „Zur Umset­zung der Istan­bul-Kon­ven­ti­on in Bezug auf geflüch­te­te Frau­en und Mäd­chen in Deutschland“).

Für fai­re Asyl­ver­fah­ren und mehr Eigenständigkeit 

Eben­so sind gefor­dert: ein fai­res Asyl­ver­fah­ren inklu­si­ve behör­den­un­ab­hän­gi­ger Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung und Kran­ken­be­hand­lung für die not­wen­di­gen medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen. Nötig sind auch  kos­ten­lo­se Dol­met­scher­leis­tun­gen und „mög­lichst woh­nungs­ähn­li­che Unter­brin­gung unter Wah­rung der Pri­vat­sphä­re; effek­ti­ver Schutz vor Gewalt; Mög­lich­kei­ten zur eigen­stän­di­gen Orga­ni­sa­ti­on des All­tags und Abschaf­fung des Arbeits­ver­bo­tes“, heißt es in dem Auf­ruf wei­ter. Auch „Sozi­al­leis­tun­gen, die das gesetz­lich fest­ge­leg­te Exis­tenz­mi­ni­mum zur Füh­rung eines men­schen­wür­di­gen Lebens nicht unter­schrei­ten“ gehö­ren dazu. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Auf­ruf und zu AnkER-Zen­tren mit Zita­ten von Bewoh­nern hier.

Laut BAMF wur­den die ers­ten sie­ben AnkER-Ein­rich­tun­gen in Bay­ern (Augsburg/Donauwörth, Bam­berg, Deg­gen­dorf, Man­ching, Regens­burg, Schwein­furt und Zirn­dorf) am 1. August 2018 in Betrieb genom­men, eben­so die säch­si­sche AnkER-Ein­rich­tung in Dres­den. Am 1. Okto­ber 2018 öff­ne­te die AnkER-Ein­rich­tung in Lebach im Saarland.
Inzwi­schen gibt es AnkER-Zen­tren in Bay­ern, Sach­sen und im Saar­land. Funk­ti­ons­glei­che Ein­rich­tun­gen exis­tie­ren in Baden-Würt­tem­berg, Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen, Ham­burg und Schleswig-Holstein.

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