20.05.2025

PRO ASYL kri­ti­siert das Vor­ha­ben der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und der deut­schen Bun­des­re­gie­rung, bei Abschie­bun­gen das bis­lang ver­pflich­ten­de Ver­bin­dungs­kri­te­ri­um für „siche­re Dritt­staa­ten“ strei­chen zu wol­len. Das ist nicht weni­ger als der Ver­such, sich aus dem Flücht­lings­schutz zurück­zu­zie­hen.   

Die EU-Kom­mis­si­on hat heu­te ange­kün­digt, das soge­nann­te Ver­bin­dungs­kri­te­ri­um abschaf­fen zu wol­len. Die­ses bestimmt bis­her im EU-Recht, dass es eine per­sön­li­che Ver­bin­dung zwi­schen Flücht­lin­gen und angeb­lich für sie „siche­ren Dritt­staa­ten“ geben muss, damit ihr Asyl­an­trag in der EU als unzu­läs­sig abge­lehnt und sie in das Land abge­scho­ben wer­den kön­nen. Zukünf­tig sol­len die Mit­glied­staa­ten hier­von ganz abse­hen oder den Tran­sit für aus­rei­chend erach­ten kön­nen. Die Mit­glied­staa­ten müss­ten dann nur ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­run­gen mit den Dritt­staa­ten tref­fen, die sicher­stel­len sol­len, dass der Asyl­an­trag der betrof­fe­nen Per­son dort bear­bei­tet wird. Auch die Bun­des­re­gie­rung befür­wor­tet in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag eine Strei­chung des Verbindungselements.

„Wenn das ver­pflich­ten­de Ver­bin­dungs­kri­te­ri­um wie von der Kom­mis­si­on vor­ge­schla­gen und mit Rücken­wind der neu­en deut­schen Bun­des­re­gie­rung aus den euro­päi­schen Rechts­tex­ten ent­fernt wür­de, könn­ten Asyl­su­chen­de künf­tig in Län­der gebracht wer­den, in denen sie nie zuvor waren und zu denen sie kei­ne Ver­bin­dung haben. Das ist pure Will­kür!“, so Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL. Die­se Ände­rung wür­de es EU-Mit­glied­staa­ten ermög­li­chen, Model­le wie den berühmt-berüch­tig­ten UK-Ruan­da-Deal, bei dem Asyl­ver­fah­ren in Län­der außer­halb Euro­pas aus­ge­la­gert wer­den sol­len, anzu­wen­den. „Sol­che Ansät­ze sind nicht nur recht­lich höchst frag­wür­dig, rea­lis­tisch kaum umsetz­bar und poli­tisch unver­ant­wort­lich, son­dern auch zutiefst unmensch­lich. Das Euro­päi­sche Par­la­ment soll­te die Strei­chung des ver­pflich­ten­den Ver­bin­dungs­kri­te­ri­ums ablehnen!“

Die Kom­mis­si­on schlägt zudem vor, die auf­schie­ben­de Wir­kung von Kla­gen gegen die Ableh­nung des Asyl­an­trags auf­grund der Anwen­dung des „siche­ren Drittstaaten“-Konzepts zu strei­chen. Eine auf­schie­ben­de Wir­kung der Kla­ge ver­hin­dert eine Abschie­bung, wäh­rend das Kla­ge­ver­fah­ren noch läuft. „Das wür­de de fac­to eine wei­te­re Ent­rech­tung von Schutz­su­chen­den bedeu­ten, die sich dann noch schwe­rer gegen die Ableh­nung ihres Asyl­an­trags weh­ren könnten.“

Die stan­dard­mä­ßi­ge Anwen­dung des Kon­zepts der „siche­ren Dritt­staa­ten“ wäre ein fron­ta­ler Angriff auf den Flücht­lings­schutz in Euro­pa. PRO ASYL lehnt das Kon­zept von „siche­ren Dritt­staa­ten“ grund­sätz­lich ab und kri­ti­siert die Aus­wei­tung des Kon­zep­tes durch die GEAS-Reform. Schon jetzt wer­den rund drei Vier­tel der welt­wei­ten Flücht­lin­ge von armen oder ein­kom­mens­schwa­chen Län­dern – vor allem im glo­ba­len Süden – aufgenommen.

Hin­ter­grund

Die neue Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung sieht vor, dass die Rege­lung zu den soge­nann­ten siche­ren Dritt­staa­ten bis zum Juni 2025 eva­lu­iert und even­tu­ell ange­passt wird. Meh­re­re Mit­glied­staa­ten – und mit dem neu­en Koali­ti­ons­ver­trag nun auch die Bun­des­re­gie­rung – for­dern, das soge­nann­te Ver­bin­dungs­kri­te­ri­um zu strei­chen, um Asyl­su­chen­de auch in Län­der abschie­ben zu kön­nen, in denen sie noch nie waren. Als aus­rei­chend wird bis­lang eine Ver­bin­dung mit der asyl­su­chen­den Per­son und dem Dritt­staat gese­hen, wenn sie sich eini­ge Zeit in dem Land auf­ge­hal­ten hat. Das Euro­päi­sche Par­la­ment muss der Ände­rung der Rechts­tex­te eben­so zustim­men wie die Mit­glied­staa­ten im Rat der EU.

Das Vor­ha­ben, die Ver­ant­wor­tung für Asyl­ver­fah­ren an angeb­lich siche­re Dritt­staa­ten aus­zu­la­gern, ist recht­lich höchst frag­wür­dig, rea­lis­tisch kaum umsetz­bar und poli­tisch unver­ant­wort­lich. Sol­che Ver­su­che füh­ren zu viel Leid, sind extrem teu­er, schaf­fen Abhän­gig­kei­ten von Dritt­staa­ten und sind meis­tens zum Schei­tern ver­ur­teilt. Das hat PRO ASYL bereits im ver­gan­ge­nen Jahr in einer Stel­lung­nah­me im Rah­men der Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­run­gen des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums (BMI) dar­ge­legt. Eine deut­li­che Mehr­heit der gela­de­nen Expert*innen zeig­te sich damals kri­tisch und lehn­te die dis­ku­tier­ten Model­le zur Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren ab. Dies zeigt auch der Abschluss­be­richt des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums.

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