19.06.2015

Anläss­lich des Welt­flücht­lings­ta­ges am 20. Juni for­dert ein brei­tes gesell­schaft­li­ches Bünd­nis aus Ver­bän­den, Flücht­lings- und Juris­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen die Bun­des­re­gie­rung auf, sich für eine grund­le­gen­de Neu­aus­rich­tung der Ver­ant­wor­tungs­tei­lung für Flücht­lin­ge in der EU ein­zu­set­zen. In einem gemein­sa­men Posi­ti­ons­pa­pier plä­die­ren sie für die freie Wahl des Zufluchts­lan­des für Asyl­su­chen­de. Sie soll­ten selbst ent­schei­den kön­nen, wo in der EU sie ihr Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen. Den bereits als schutz­be­dürf­tig aner­kann­ten Flücht­lin­gen sol­le das Recht auf Frei­zü­gig­keit in der EU gewährt wer­den. Ergän­zend soll­ten die Mit­glieds­staa­ten mit­hil­fe eines Euro­päi­schen Aus­gleichs­fonds finan­zi­ell unter­stützt wer­den, in die pri­mär die huma­ni­tä­re Zuwan­de­rung stattfindet.

Aktu­ell zei­ge sich auf EU-Ebe­ne eine besorg­nis­er­re­gen­de Zunah­me von natio­na­len Ego­is­men in der Flücht­lings­po­li­tik. Dabei wäre ein soli­da­ri­sches Han­deln in der aktu­el­len Situa­ti­on drin­gend erfor­der­lich. Die Situa­ti­on für Flücht­lin­ge in meh­re­ren Län­dern der EU sei uner­träg­lich. Asyl­su­chen­de wür­den in Län­dern wie Grie­chen­land, Ita­li­en, Ungarn und Bul­ga­ri­en zu Obdach­lo­sen gemacht oder miss­han­delt. Viel­fach wür­den sie völ­ker­rechts­wid­rig inhaftiert.

Für einen Sys­tem­wech­sel spre­chen aus Sicht der Orga­ni­sa­tio­nen meh­re­re Gesichts­punk­te: Das Prin­zip der frei­en Wahl bewir­ke, dass Asyl­su­chen­de dort hin­ge­hen könn­ten, wo sie die Unter­stüt­zung ihrer Fami­li­en oder Com­mu­ni­ties erhiell­ten. Damit wür­den erst­mals die Inter­es­sen der Asyl­su­chen­den berück­sich­tigt. Dies füh­re dazu, dass sie sich von Beginn an bes­ser inte­grie­ren und zurecht­fin­den kön­nen. Dies sei im bis­he­ri­gen Dub­lin-Sys­tem nicht vor­ge­se­hen. Außer­dem könn­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Flücht­lin­gen ver­mie­den wer­den, wenn die­se nicht län­ger zum Auf­ent­halt in Län­dern gezwun­gen wer­den, die weder ein ordent­li­ches Asyl­sys­tem noch ein Min­dest­maß an men­schen­wür­di­ger Behand­lung für sie bereithalten.

Aber auch prag­ma­ti­sche Aspek­te sprä­chen für eine sol­ches Kon­zept: Wenn Asyl­su­chen­de nicht zwangs­wei­se in EU-Staa­ten abge­scho­ben wer­den könn­ten, wer­de ver­hin­dert, dass sie von einem EU-Land ins nächs­te wan­dern. Die soge­nann­te Sekun­där­wan­de­rung inner­halb der EU wür­de ver­mie­den. Die unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen spre­chen sich damit deut­lich gegen die der­zeit dis­ku­tier­ten Quo­ten und Ver­tei­lungs­schlüs­sel aus. Die­se lie­ßen wei­ter­hin die Inter­es­sen der Flücht­lin­ge außer Acht  und hät­ten Zwangs­ver­tei­lun­gen zur Fol­ge. Zudem könn­ten Kos­ten für die erheb­lich büro­kra­ti­schen Ver­fah­ren zur Über­stel­lung in ande­re EU-Staa­ten redu­ziert werden.

Den Grund für die Kri­se des gel­ten­den Dub­lin-Sys­tems sehen die Orga­ni­sa­tio­nen im Ver­ur­sa­cher­prin­zip, das die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz ins­be­son­de­re den EU-Staa­ten an den Außen­gren­zen auf­bür­det. Nach der Dub­lin-Ver­ord­nung ist der­je­ni­ge EU-Staat für die Durch­füh­rung des Asyl­ver­fah­rens zustän­dig, der den Grenz­über­tritt nicht ver­hin­dert hat. Die­ser ist man­gels lega­ler Ein­rei­se­mög­lich­kei­ten in die EU in den meis­ten Fäl­len irre­gu­lär und bewirkt die Zustän­dig­keit durch Auf­grei­fen an der Grenze.

Die Orga­ni­sa­tio­nen kri­ti­sie­ren die­se Ver­mi­schung von Grenz- und Flücht­lings­po­li­tik: Wer die Ver­ant­wor­tung für Flücht­lin­ge als „Stra­fe“ kon­stru­ie­re, der schaf­fe zugleich Vor­aus­set­zun­gen für ein gesell­schaft­li­ches Kli­ma, das sich gegen Flücht­lin­ge rich­tet. Die Unter­zeich­ner-Orga­ni­sa­tio­nen for­dern dage­gen, dass die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen als men­schen­recht­lich ver­bürg­te Errun­gen­schaft und huma­ni­tä­res Gebot ver­stan­den wird, die sich bei guten Rah­men­be­din­gun­gen posi­tiv für die Auf­nah­me­län­der auswirkt.

Zum Bünd­nis gehö­ren PRO ASYL, Dia­ko­nie Deutsch­land, Pari­tä­ti­scher Wohl­fahrts­ver­band, Arbei­ter­wohl­fahrt, Jesui­ten-Flücht­lings­dienst, Deut­scher Anwalts­ver­ein, Repu­bli­ka­ni­sche Anwäl­tin­nen- und Anwalts­ver­ein, Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung und der Rechtsberaterkonferenz.

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