Organisationen fordern sofortige Rückholung des nach Afghanistan abgeschobenen Jamil Amadi*
Im April 2017 wurde der damals 26-jährige Jamil Amadi auf einem Berliner S‑Bahnhof Opfer eines brutalen und vermutlich rassistisch motivierten Überfalls. Einer der Täter soll der Berliner Polizist Stefan K. gewesen sein, der in seiner Freizeit unterwegs war. Noch bevor das Strafverfahren gegen Stefan K. und die anderen Angeklagten abgeschlossen war, ließ das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi im März 2020 nach Afghanistan abschieben, obwohl die Staatsanwaltschaft der Ausländerbehörde deutlich signalisiert hatte, dass er als Zeuge zur Durchführung der Hauptverhandlung gegen Stefan K. zwingend benötigt wird. Nach fast einjähriger coronabedingter Pause wird nun das Verfahren beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten neu aufgenommen. Verhandlungstermine sind für den 20. Januar und 3. Februar 2021 anberaumt.
Nichtregierungsorganisationen fordern: Jamil Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden, um als Hauptzeuge und Nebenkläger im Verfahren auszusagen und Schmerzensgeldforderungen geltend zu machen. Herr Amadi muss überdies ein sicheres Aufenthaltsrecht als Opfer einer rassistisch motivierten Gewalttat erhalten. Die Rechtsanwältin von Herrn Amadi hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet, um eine Wiedereinreise zu ermöglichen.
Wie die ZEIT am 18.11.2020 berichtete wurde Herr Amadi durch den Überfall schwer traumatisiert und aus der Bahn geworfen. Er wurde obdachlos, nahm Drogen und landete in Haft. Weil ihm eine Reihe von Straftaten zur Last gelegt wurde, schob das Landesamt für Einwanderung Herrn Amadi ab, obwohl es nie zu einer Verurteilung kam und ein Gutachter ihn für schuldunfähig erklärt hatte. Wenig später wurde bekannt, dass der Polizist Stefan K. Mitglied der Ermittlungsgruppe „Rex“ war, die für die Aufklärung der rechtsterroristischen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln zuständig war.
Wegen der langen coronabedingten Unterbrechung des Strafprozesses gegen Stefan K. müssen nun alle Zeug:innen noch einmal geladen werden.
„Herr Amadi muss sofort nach Berlin zurückgeholt werden. Er ist Hauptzeuge in dem Verfahren und es ist unabdingbar, dass auch er noch einmal gehört wird. Zudem hat er als Nebenkläger das Recht, in dem Verfahren Schadensersatzansprüche geltend zu machen und dafür vor Gericht gehört zu werden“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin.
„Die Abschiebung war aus unserer Sicht unrechtmäßig, nicht nur wegen des noch laufenden Strafverfahrens gegen den hauptverdächtigen Polizisten und seine mutmaßlichen Mittäter. Herr Amadi ist seit dem Überfall gesundheitlich stark beeinträchtigt, körperlich und psychisch. Eine adäquate medizinische Behandlung gibt es in Afghanistan nicht. Als Opfer einer vermutlich rassistisch motivierten schweren Gewalttat muss Herr Amadi einen gesicherten Aufenthalt und eine Entschädigung bekommen. Berlin steht hier in der Verantwortung, nicht zuletzt, weil an der brutalen Tat ein Polizeibeamter des Landes Berlins beteiligt gewesen sein soll“, ergänzt Helga Seyb von der Opferberatungsstelle Reach Out.
Immer noch werden Menschen, die in Deutschland rassistisch motivierte Gewalt erfahren haben, unzureichend geschützt. Die Berliner Regelung, wonach Opfer von Hasskriminalität eine Duldung bzw. ein Bleiberecht erhalten sollen, kommt in der Praxis nicht zur Anwendung. Auch in dem am 30. Oktober 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus fehlt eine entsprechende Regelung.
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL fordert: „Rassistische Gewalttaten müssen vor Gericht gebracht und ihre Opfer angehört werden. Betroffene dürfen nicht außer Landes geschaffen werden. Das ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.“
Viele Geflüchtete, die Opfer von Übergriffen geworden sind, zeigen aus Angst vor Abschiebung die Täter:innen gar nicht erst an und sind angesichts rassistischer Gewalt praktisch schutzlos gestellt. PRO ASYL, Reach Out, der RAV, der Flüchtlingsrat und Yaar fordern generell ein Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt.
* Jamil Ahmadi ist ein Aliasname.
Pressekontakte
Flüchtlingsrat Berlin, Tel. 030 / 224 76 311 (ggf. länger klingeln lassen wg. Homeoffice), E‑Mail buero@fluechtlingsrat-berlin.de
PRO ASYL, Tel. 069 / 24231430, E‑Mail presse@proasyl.de
Reach Out, Tel. 030 / 695 68339, E‑Mail helga_seyb@reachoutberlin.de
Yaar e.V., Tel. 030 / 23 40 72 17, E‑Mail info@yaarberlin.de
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Tel. 030 / 417 235 55, E‑Mail kontakt@rav.de
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