15.06.2016

PRO ASYL: Ein Kom­pro­miss, der kei­ner ist

Die in der Frank­fur­ter Rund­schau ges­tern bekannt gewor­de­nen Kom­pro­miss-vor­schlä­ge des Kanz­ler­amts vor der anste­hen­den Bun­des­rats­ent­schei­dung zur Ein­stu­fung von Maghreb­staa­ten als siche­ren Her­kunfts­staa­ten las­sen nichts Gutes ahnen. Staa­ten, in denen gefol­tert wird, demo­kra­ti­sche Grund­rech­te miss­ach­tet und die Men­schen­rech­te ver­letzt wer­den, sind kei­ne siche­ren Herkunftsstaaten.

Details der Ideen aus dem Bun­des­kanz­ler­amt sind nicht bekannt. Zu den kur­sie­ren­den Vor­schlä­gen kann jedoch bereits jetzt eine Ein­schät­zung getrof­fen werden:

  1. Vor­schlag: Altfallregelung

Eine ver­nünf­ti­ge Alt­fall­re­ge­lung wür­de grund­sätz­lich der Ent­las­tung des Bun­des­amts für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) die­nen. Es wür­de von einem Teil der anhän­gi­gen Ver­fah­ren ent­las­tet, was den Druck auf Per­so­nal und Erle­di­gungs­zah­len min­dern wür­de. Was über­wie­gend im öffent­li­chen Inter­es­se wäre, kann aber nicht Gegen­stand eines Kom­pro­mis­ses im Rah­men eines Gesetz­ge­bungs­pro­zes­ses sein, der Ver­schär­fun­gen zu Las­ten von Flücht­lin­gen an ande­rer Stel­le beinhaltet.

  1. Vor­schlag: Rechts­schutz für ver­folg­te Homo­se­xu­el­le und Oppo­si­tio­nel­le aus den angeb­lich siche­ren Staaten

Wenn ein­zel­ne Grup­pen wie Homo­se­xu­el­le oder poli­ti­sche Oppo­si­tio­nel­le in den Maghreb­staa­ten sys­te­ma­ti­scher Ver­fol­gung aus­ge­setzt sind, kön­nen die Ver­fol­ger­staa­ten aus Sicht von PRO ASYL grund­sätz­lich nicht als sicher ein­ge­stuft wer­den. Staa­ten zu siche­ren Her­kunfts­staa­ten zu erklä­ren und gleich­zei­tig Aus­nah­men für ein­zel­ne, von die­sen Staa­ten sys­te­ma­tisch ver­folg­te Grup­pen zu schaf­fen, ist absurd. Wie soll­te eine Kom­pro­miss­for­mu­lie­rung mit dem Tenor „grund­sätz­lich sicher, jedoch nicht für…“ in der gesetz­ge­be­ri­schen Pra­xis aussehen?

Die Idee wider­spricht der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts: „Das Kon­zept siche­rer Her­kunfts­staa­ten gerät indes schon ins Wan­ken, wenn ein Staat bei gene­rel­ler Betrach­tung über­haupt zu poli­ti­scher Ver­fol­gung greift, sei die­se auch (zur Zeit) auf eine oder eini­ge Per­so­nen- oder Bevöl­ke­rungs­grup­pen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übri­ge Bevöl­ke­rung nicht mehr gene­rell gewähr­leis­tet, dass sie nicht auch Opfer asyl­recht­lich erheb­li­cher Maß­nah­men wird.“ Ein sol­cher Vor­schlag aus dem Kanz­ler­amt wäre also ein bewuss­ter Ver­such, Karls­ru­he weit­räu­mig zu umfahren.

Zu dem außer­dem kur­sie­ren­den Vor­schlag, ver­kürz­te Ver­fah­ren regel­mä­ßig für Asyl­su­chen­de vor­zu­se­hen, die aus Staa­ten kom­men, bei denen die Aner­ken­nungs­quo­ten des BAMF nied­rig sind – und dafür von der Lis­tung wei­te­rer siche­rer Her­kunfts­staa­ten abzu­se­hen – teilt PRO ASYL die Kri­tik, die Simo­ne Peters und Vol­ker Beck am 13. Juni geäu­ßert  haben.

Zusam­men mit Amnes­ty Inter­na­tio­nal appel­liert PRO ASYL in einem offe­nen Brief an die Bun­des­län­der, den Gesetz­ent­wurf zu stop­pen. Die Ein­stu­fung der Maghreb­staa­ten als „siche­re“ Her­kunfts­staa­ten wür­de alle Schleu­sen öff­nen, wei­te­re angeb­lich siche­re Her­kunfts­staa­ten nach poli­ti­scher Oppor­tu­ni­tät zu generieren.

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