18.04.2023

Gemein­sa­me Pres­se­er­klä­rung des Cent­re for Peace Stu­dies, Euro­pean Cen­ter for Con­sti­tu­tio­nal and Human Rights, Dutch Coun­cil for Refu­gees und PRO ASYL 

Heu­te, am 18. April 2023, erhob eine Grup­pe Geflüch­te­ter, die im Okto­ber 2020 Opfer eines beson­ders bru­ta­len Push­backs von Kroa­ti­en nach Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na wur­den, beim kroa­ti­schen Ver­fas­sungs­ge­richt Beschwer­de wegen unzu­rei­chen­der und man­geln­der Ermitt­lun­gen durch die kroa­ti­schen Behörden. 

Bis heu­te, mehr als zwei Jah­re nach Ein­rei­chung einer Straf­an­zei­ge, hat die kroa­ti­sche Staats­an­walt­schaft kei­ne offi­zi­el­len Ermitt­lun­gen eröff­net. Die eng­li­sche Zei­tung The Guar­di­an berich­te­te sei­ner­zeit detail­liert über den Fall.

Nach den Anga­ben der Betrof­fe­nen, die das Danish Refu­gee Coun­cil in Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na unmit­tel­bar nach dem Push­back auf­ge­nom­men hat­te, über­quer­te eine Grup­pe von fünf Geflüch­te­ten auf der Suche nach Schutz im Okto­ber 2020 die  Gren­ze von Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na nach Kroa­ti­en. Im kroa­ti­schen Hoheits­ge­biet wur­de die Grup­pe von der Poli­zei auf­ge­grif­fen, vier von ihnen wur­den zunächst in einer Poli­zei­sta­ti­on für etwa zwei Tage inhaf­tiert. In die­ser Zeit erhiel­ten sie kei­ne Ver­pfle­gung, ihr Zugang zur Toi­let­te war ein­ge­schränkt. Im Anschluss wur­den sie einem Rich­ter vor­ge­führt und als Zeu­gen gegen die fünf­te Per­son ver­nom­men. Ihr warf die Poli­zei vor, der „Schlep­per“ der Grup­pe gewe­sen zu sein. Sie wie­sen die­sen Vor­wurf zurück und ent­las­te­ten ihren Begleiter.

Bru­ta­ler Push­back: Fol­ter und sexu­el­le Misshandlung

Sowohl ihre Namen als auch das Datum und der Ort ihres Auf­griffs sind in der Ent­schei­dung des Rich­ters, dem sie vor­ge­führt wur­den, doku­men­tiert. Die gericht­li­che Ent­schei­dung bestä­tigt außer­dem, dass sich die vier auch noch unter der direk­ten Kon­trol­le kroa­ti­scher Beamt*innen befun­den haben, als sie am sel­ben Tag an einen unbe­kann­ten Ort ver­bracht und an mas­kier­te und bewaff­ne­te Per­so­nen in schwar­zen Uni­for­men über­ge­ben wur­den. Von die­sen Per­so­nen wur­den sie gefol­tert und sexu­ell miss­han­delt, berich­te­ten die Geflüch­te­ten. Danach wur­den sie fast kom­plett nackt nach Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na gebracht. Bis heu­te lei­den die Betrof­fe­nen unter den Fol­gen der Gewalt, die sie in Kroa­ti­en erfah­ren haben.

Nach der Samm­lung aller rele­van­ten Infor­ma­tio­nen erstat­te­te das Cent­re for Peace Stu­dies im Dezem­ber 2020 eine Straf­an­zei­ge zu den Delik­ten, wegen denen die Staats­an­walt­schaft von Amts wegen ermit­teln muss, dar­un­ter Macht­miss­brauch, die Bege­hung einer Straf­tat im Rah­men einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung, Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen wie Ver­ge­wal­ti­gung, rechts­wid­ri­ge Frei­heits­be­rau­bung und Raub. Obwohl das Gesetz eine Frist von sechs Mona­ten vor­schreibt, in der eine Ent­schei­dung über die Straf­an­zei­ge erge­hen muss, ist die­se ers­te Pha­se der Vor­un­ter­su­chung nach fast zwei­ein­halb Jah­ren noch immer nicht abgeschlossen.

Trotz schwers­ter Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen unzu­rei­chen­de Ermitt­lun­gen: Betrof­fe­ne rei­chen Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein 

Das bedeu­tet, dass bis­lang nicht ein­mal eine Ent­schei­dung über die offi­zi­el­le Eröff­nung einer Unter­su­chung getrof­fen wur­de. Des­halb haben die Betrof­fe­nen nun eine Ver­fas­sungs­be­schwer­de erho­ben, mit der geprüft wird, ob die Län­ge der Vor­un­ter­su­chungs­pha­se gerecht­fer­tigt ist und ob die Staats­an­walt­schaft inner­halb eines akzep­ta­blen Zeit­rah­mens ange­mes­se­ne Maß­nah­men ergrif­fen hat, ob die Ermitt­lun­gen also wirk­sam und ange­mes­sen waren. Ver­tre­ten wer­den die Betrof­fe­nen in die­sem Fall, bei dem es um schwers­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen geht, von der Rechts­an­wäl­tin Lidi­ja Hor­vat, die die recht­li­chen Schrit­te wegen der Unwirk­sam­keit der Ermitt­lun­gen unter­stützt hat.

Die Betrof­fe­nen leben inzwi­schen in Deutsch­land. Mit Hil­fe von PRO ASYL haben sie das Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen und ein natio­na­les Abschie­bungs­ver­bot erhal­ten. Neben dem Cent­re for Peace Stu­dies (CPS) und PRO ASYL wer­den sie vom Dutch Coun­cil for Refu­gees (DCR) und dem Euro­pean Cen­ter for Con­sti­tu­tio­nal and Human Rights (ECCHR) unterstützt.

Euro­päi­scher Gerichts­hof für Men­schen­rech­te ver­ur­teil­te Kroa­ti­en bereits zwei Mal in frü­he­ren Fällen

Nach meh­re­ren Men­schen­rechts­be­schwer­den des Cent­re for Peace Stu­dies und kroa­ti­schen Anwält*innen hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te Kroa­ti­en bereits in zwei Urtei­len wegen des Feh­lens effek­ti­ver straf­recht­li­cher Ermitt­lun­gen bei Straf­ta­ten gegen Schutz­su­chen­de ver­ur­teilt (M.H. und ande­re gegen Kroa­ti­en und Darai­bou gegen Kroa­ti­en).

Für Inter­view­an­fra­gen wen­den Sie sich bit­te für das Cent­re for Peace Stu­dies an Kar­la Kosta­di­nov­ski (karla.kostadinovski@cms.hr, +385 99 746 0673) und für das ECCHR an Abby d’Ar­cy (darcy@ecchr.eu).

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