16.03.2017

PRO ASYL: Ein wei­te­rer Pro­blem­bär in der Dresd­ner Justiz

In Dres­den ticken die Uhren ein wenig anders. Wäh­rend andern­orts PRO ASYL-Ver­öf­fent­li­chun­gen häu­fig in den Quel­len­lis­ten zu fin­den sind, die Ver­wal­tungs­ge­rich­te nut­zen und in ihren Ent­schei­dun­gen zitie­ren, meint ein Rich­ter der 2. Kam­mer des Ver­wal­tungs­ge­richts Dres­den in einem Urteil vom 6.12.2016: »Die Ver­laut­ba­run­gen von PRO ASYL sind ohne Wert.« Dabei setzt er sich in kei­ner Wei­se mit den Inhal­ten einer PRO ASYL-Bro­schü­re zu den Auf­nah­me- und Lebens­be­din­gun­gen für Asyl­su­chen­de in Bul­ga­ri­en aus­ein­an­der, um die es im zu ent­schei­den­den Fall ging. Nein, der Rich­ter am Ver­wal­tungs­ge­richt Leo­nard ver­steht offen­bar unter frei­er Beweis­wür­di­gung, die Orga­ni­sa­ti­on auf ziem­lich dreis­te Wei­se dis­kre­di­tie­ren zu müs­sen. Der­sel­be Rich­ter ist sozu­sa­gen eine Art von »Wie­der­ho­lungs­tä­ter«, denn die kri­ti­sier­te For­mu­lie­rung fin­det sich in einer Rei­he sei­ner Urtei­le. Bei so viel deut­li­cher und wie­der­hol­ter Befan­gen­heit wer­den Befan­gen­heits­an­trä­ge in Dres­den wohl kaum auf sich war­ten lassen.

Die voll­stän­di­ge Pas­sa­ge im oben genann­ten Urteil lau­tet: »Die Ver­laut­ba­run­gen von PRO ASYL sind ohne Wert. Es han­delt sich um eine Orga­ni­sa­ti­on, die aus finan­zi­el­len Grün­den ein mas­si­ves Eigen­in­ter­es­se dar­an besitzt, dass in das Bun­des­ge­biet mög­lichst vie­le Asyl­be­wer­ber gelan­gen und ver­blei­ben. Sie ver­kennt, dass es zuvör­derst Sache des ein­zel­nen Asyl­be­wer­bers ist, sich um sei­ne Ange­le­gen­hei­ten zu küm­mern. Der Staat hat nur eine Auf­fang­funk­ti­on, wenn es dem Ein­zel­nen trotz gro­ßer Anstren­gung nicht gelingt, sich das Exis­tenz­mi­ni­mum zu beschaf­fen.« Nun haben ver­mut­lich alle Par­tei­en, die ihren Streit vor dem Rich­ter­stuhl die­ses Rich­ters aus­tra­gen, ihre Inter­es­sen. Das gilt auch für jede Orga­ni­sa­ti­on, die Stel­lung­nah­men, Gut­ach­ten und sons­ti­ge Doku­men­te Ver­wal­tungs­ge­rich­ten zur Ver­fü­gung stellt. Die mögen einem Rich­ter genehm sein oder nicht – er hat das Vor­ge­tra­ge­ne zur Kennt­nis zu neh­men und sich rechts­kon­form mit dem aus­ein­an­der­zu­set­zen, was an Fak­ten gelie­fert wird.

Der besag­te Rich­ter bezieht sich auf die Doku­men­ta­ti­on von PRO ASYL zu Bul­ga­ri­en (April 2015). Sie belegt, dass in Bul­ga­ri­en Flücht­lin­ge nach der Ein­rei­se oft wochen- und mona­te­lang inhaf­tiert wer­den. Wird ihnen dort der Schutz­sta­tus – oft ohne Anhö­rung – zuer­kannt, müs­sen sie aus den Flücht­lings­la­gern aus­zie­hen. Die feh­len­den sozia­len Siche­rungs­sys­te­me in Bul­ga­ri­en füh­ren dazu, dass aner­kann­te Flücht­lin­ge dann mit­tel­los auf der Stra­ße lan­den und ras­sis­ti­schen Angrif­fen schutz­los aus­ge­lie­fert sind. Vie­le von ihnen suchen des­halb Schutz in Deutschland.

Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) hat im Janu­ar 2017 im Fal­le eines Flücht­lings Abschie­bungs­ver­bot nach Bul­ga­ri­en gewährt und sich auf den PRO ASYL-Bericht zu Bul­ga­ri­en bezo­gen. Das BAMF hat auf Abschie­bungs­ver­bot für eine Fami­lie aus Syri­en ent­schie­den, wegen beson­de­rer Schutz­wür­dig­keit des Fami­li­en­ver­bands auf­grund der psy­chi­schen Krank­heit der Mut­ter. Der Zugang zur Gesund­heits­ver­sor­gung sei für die Betrof­fe­nen nicht gewähr­leis­tet und ihnen droht Obdach­lo­sig­keit, Arbeits­lo­sig­keit und Armut.

Was der Rich­ter hier tut, ist nicht weni­ger, als PRO ASYL von vorn­her­ein als Quel­le wich­ti­ger Infor­ma­tio­nen aus dem recht­li­chen Dis­kurs aus­zu­schlie­ßen. Die absur­de Beschrei­bung des angeb­li­chen Eigen­in­ter­es­ses der Orga­ni­sa­ti­on ist ein deut­li­cher Hin­weis auf eine mas­si­ve rich­ter­li­che Befan­gen­heit. PRO ASYL setzt sich dafür ein, dass Asyl­su­chen­de zu ihrem Recht kom­men. Mög­lich wird das durch Mit­glieds­bei­trä­ge und Spen­den – und auch man­cher Straf­rich­ter lässt PRO ASYL Buß­gel­der zugu­te­kom­men. Selbst­ver­ständ­lich bekommt PRO ASYL von Sei­ten der Betrof­fe­nen und Schutz­su­chen­den kein Ent­gelt. Es ist zu befürch­ten, dass vor die­sem Rich­ter, der sol­ches Gedan­ken­gut ohne nähe­re Prü­fung ver­tritt, Rechtsanwält*innen, die sich auf PRO ASYL-Stu­di­en bezie­hen, fürch­ten müs­sen, dass sie Opfer die­ser radi­ka­len Inter­pre­ta­ti­on des Rich­ters wer­den und ihre Mandant*innen damit ihr Recht nicht erlangen.

Mit dem Satz, es sei zuvör­derst Sache des ein­zel­nen Asyl­be­wer­bers, sich um sei­ne Ange­le­gen­hei­ten zu küm­mern, ver­kennt der Rich­ter grund­le­gen­de Ele­men­te des Rechts­staa­tes. Selbst Behör­den haben hier­zu­lan­de eine Bera­tungs­funk­ti­on. Dies ist Aus­fluss der sog. Für­sor­ge­pflicht des Staa­tes und gehört zu den Grund­prin­zi­pi­en des deut­schen Ver­wal­tungs­rechts. Doch so man­cher Asyl­su­chen­de wäre in Deutsch­land tat­säch­lich ohne Chan­ce, wenn er nicht Unter­stüt­zung auch von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen hät­te. Allen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern ist gemein­sam die Auf­ga­be anheim gege­ben, zur Rechts­ver­wirk­li­chung in die­sem Lan­de bei­zu­tra­gen. Das tut PRO ASYL etwa durch sei­nen Rechts­hil­fe­fonds, aus dem Schutz­su­chen­de zur Finan­zie­rung ihres Ver­fah­rens eine Unter­stüt­zung erhal­ten kön­nen – weil Flücht­lin­ge eben häu­fig nicht zu ihrem Recht kom­men, wenn sie sich nur sel­ber um ihre Ange­le­gen­hei­ten küm­mern müssen.

Die Dres­de­ner Jus­tiz hat nun einen wei­te­ren Pro­blem­bä­ren mehr. Auf einer Ver­an­stal­tung der AfD im Dresd­ner Ball­haus Watz­ke hat bereits vor eini­gen Wochen im Wind­schat­ten von Björn Höcke ein wei­te­rer Rich­ter des Land­ge­richts Dres­den gespro­chen. Die­ser hat sich, so die Bericht­erstat­tung, mitt­ler­wei­le in einem Ver­fah­ren um eine Bro­schü­re über Rechts­po­pu­lis­mus des Kul­tur­bü­ros Sach­sen wegen Besorg­nis der Befan­gen­heit aus dem Ver­fah­ren zurück­ge­zo­gen. Es besteht aller Grund zur Besorg­nis in Dresden.

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