10.06.2014

In der JVA Frank­furt-Pre­un­ges­heim sit­zen zur­zeit etwa 20 Per­so­nen in Abschie­bungs­haft, obwohl der Voll­zug von Abschie­bungs­haft in einer nor­ma­len Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt nach Auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­ho­fes recht­lich auf so gro­ße Zwei­fel stößt, dass nach dem Rechts­grund­satz „in dubio pro liber­ta­te“ (im Zwei­fel für die Frei­heit) der Voll­zug dort aus­zu­set­zen und die Betrof­fe­nen zu ent­las­sen sind. Dies for­dern Dia­ko­nie Hes­sen und PRO ASYL gemeinsam.

„Wir for­dern, dass sich die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung der Pra­xis ande­rer Län­der anschließt, die die gemein­sa­me Unter­brin­gung von Abschie­bungs- und Straf­ge­fan­ge­nen been­det haben“, sag­te der Vor­stands­vor­sit­zen­de der Dia­ko­nie Hes­sen mit Blick auf die hes­si­sche Praxis.

Die Lan­des­re­gie­rung hält jedoch wei­ter dar­an fest, Abschie­bungs­haft in der hier­für nicht geeig­ne­ten JVA durch­zu­füh­ren, wo die Betrof­fe­nen den Haft­be­din­gun­gen für Unter­su­chungs- und Straf­häft­lin­ge unter­lie­gen. Ende Mai hat der Bun­des­ge­richts­hof in einem anhän­gi­gen Ver­fah­ren dem zustän­di­gen Regie­rungs­prä­si­di­um Darm­stadt den recht­li­chen Hin­weis gege­ben, die Inhaf­tie­rung in Pre­un­ges­heim sei unzu­läs­sig. Dar­auf­hin wur­de der Abschie­bungs­häft­ling, des­sen Fall dem Bun­des­ge­richts­hof vor­lag, am 4. Juni von Frank­furt am Main nach Eisen­hüt­ten­stadt (Bran­den­burg) verlegt.

In vol­ler Kennt­nis der Rechts­auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­ho­fes und eines schon seit Mona­ten anhän­gi­gen Grund­satz­ver­fah­rens vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof, bei dem es eben­falls um einen Fall aus Hes­sen geht, scheint die Lan­des­re­gie­rung die­se Pra­xis nicht zu been­den son­dern abzu­war­ten, ob wei­te­re Häft­lin­ge kla­gen. „Jeden Tag stär­ker drängt sich jetzt die Fra­ge auf, in wie­weit das Nicht­han­deln von Sei­ten der Hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung sich als eine Art vor­sätz­li­cher Frei­heits­be­rau­bung unter Ver­stoß gegen die Rechts­auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­hofs und unter Bruch euro­päi­schen Rech­tes dar­stellt“, so der stell­ver­tre­ten­de Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL, Bernd Mesovic.

Recht­li­cher Hin­ter­grund ist die sog. EU-Rück­füh­rungs­richt­li­nie. Euro­päi­sches Recht schreibt näm­lich vor, dass Abschie­bungs­häft­lin­ge grund­sätz­lich getrennt von Straf­ge­fan­ge­nen zu inhaf­tie­ren sind (sog. Tren­nungs­ge­bot). Arti­kel 16 der Richt­li­nie lau­tet: „Die Inhaf­tie­rung erfolgt grund­sätz­lich in spe­zi­el­len Haft­ein­rich­tun­gen. Sind in einem Mit­glied­staat sol­che spe­zi­el­len Haft­ein­rich­tun­gen nicht vor­han­den und muss die Unter­brin­gung in gewöhn­li­chen Haft­an­stal­ten erfol­gen, so wer­den in Haft genom­me­ne Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge geson­dert von den gewöhn­li­chen Straf­ge­fan­ge­nen untergebracht.“

Die Pra­xis der spe­zi­el­len Abschie­bungs­haft­an­stal­ten müs­se nicht den­sel­ben Sicher­heits­an­for­de­run­gen genü­gen wie ande­re Voll­zugs­an­stal­ten. Damit sind großzügige

Besuchs­re­ge­lun­gen, Kon­tak­te nach außen, lan­ge Umschluss­zei­ten und vie­les ande­re mög­lich, so Gern wei­ter. Abschie­bungs­häft­lin­ge sind in der Regel kei­ne Straf­tä­ter – Abschie­bungs­haft ist kei­ne Strafe.

In der JVA Pre­un­ges­heim wer­den männ­li­che Abschie­bungs­häft­lin­ge in einem geson­der­ten Trakt inhaf­tiert. Dem Tren­nungs­ge­bot aller­dings ist damit nicht aus­rei­chend Rech­nung getra­gen. Noch weit pro­ble­ma­ti­scher ist die Situa­ti­on von Frau­en, die sich in Abschie­bungs­haft in Pre­un­ges­heim befin­den. Sie wer­den dort nicht von ande­ren Häft­lin­gen getrennt. Dies ist nach Auf­fas­sung von Dia­ko­nie und PRO ASYL umso weni­ger mit der EU-Rück­füh­rungs­richt­li­nie vereinbar.

Die Kri­tik der bei­den Ver­bän­de gilt auch Tei­len der Rich­ter­schaft. Vor dem Hin­ter­grund der bekann­ten Rechts­auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­ho­fes und der Tat­sa­che, dass die Fra­ge des Tren­nungs­ge­bo­tes dem Euro­päi­schen Gerichts­hof zur Ent­schei­dung vor­liegt – damit also star­ke Zwei­fel an der Recht­mä­ßig­keit der Haft bestehen, die in der Abwä­gung zur Haft­aus­set­zung und Ent­las­sung füh­ren müs­sen – erge­hen immer wie­der rich­ter­li­che Abschie­bungs­haft­be­schlüs­se, die zu wei­te­ren Inhaf­tie­run­gen in der JVA Pre­un­ges­heim führen.

„Die eigent­li­che Alter­na­ti­ve zu alle­dem ist aller­dings die Abschaf­fung der Abschie­bungs­haft. Flücht­lin­ge gehö­ren nicht ins Gefäng­nis“, beton­te Dia­ko­nie-Chef Gern. Das Insti­tut der Abschie­bungs­haft soll­te durch ande­re Instru­men­te ersetzt wer­den. Dies wäre ein wich­ti­ger Bei­trag für eine huma­ne Flüchtlingspolitik.

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