Pseudo-Debatte über Abschiebungen nach Syrien versetzt Zehntausende Schutzbedürftige in Unsicherheit
PRO ASYL wirft der Innenministerkonferenz vor, bei Fragen zur Flüchtlingspolitik absurde Debatten zu führen. »Die Debatte über eine Neubewertung der Lage im kriegszerrütteten Syrien ist eine überflüssige Pseudo-Diskussion«, kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Damit würden Zehntausende von SyrerInnen, die einen Aufenthaltsstatus haben, verunsichert und Integrationschancen aufs Spiel gesetzt.
Gegenwärtig gibt es nur 3.684 SyrerInnen, die lediglich über eine Duldung verfügen (siehe BT-Drucksache 19/136, S. 38), mit der die Abschiebung lediglich vorübergehend ausgesetzt wird. PRO ASYL fordert, die Verunsicherungsstrategie zu beenden. Geflohene SyrerInnen brauchen einen sicheren Aufenthaltsstatus und das Recht, ihre Angehörigen zu sich zu holen. PRO ASYL hält syrische Flüchtlinge unverändert für schutzbedürftig. Das Assad-Regime ist seit Jahren bekannt für gravierende Menschenrechtsverletzungen, Folter, systematische Inhaftierung und brutalstes Vorgehen gegen Oppositionelle und ist kein Partner in Menschenrechtsfragen oder gar in Sachen Rückführungen.
Obwohl der IS an Einfluss verloren hat, gibt es neben der Regierungsarmee eine Vielzahl bewaffneter Gruppierungen und umkämpfter Gebiete im Land. Niemand weiß, wie eine Friedensregelung aussehen könnte. Jede denkbare Neubewertung der Lage müsste die aktuelle Lageeinschätzung des UNHCR aus November 2017 zur Kenntnis nehmen, in der der UNHCR ein Moratorium für Abschiebungen nach Syrien fordert: »As all parts of Syria are reported to have been affected, directly or indirectly, by one or multiple conflicts, UNHCR calls on states not to forcibly return Syrian nationals and former habitual residents of Syria, including Palestinians previously residing in Syria. UNHCR also considers that it would generally not be appropriate to return nationals or former habitual residents of Syria to neighbouring countries and non-neighbouring countries in the region, unless specific arrangements are in place that guarantee that the individual concerned will be readmitted to the country and can re-avail him/herself of international protection. (…) Depending on the country, the individual concerned may not be readmitted, or such return may not be safe for the individuals concerned, and it may be impossible for their (specific) needs to be met.«
Nicht auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz ist unverständlicherweise das Thema Afghanistan – trotz dringenden Handlungsbedarfes. Dem Bundesamt und den Innenministern liegt eine dringende Neubewertung der Lage in Afghanistan nicht vor. Das Bundesamt entscheidet seit langem mit Hilfe von Textbausteinen, die die sich immer weiter verschlechternde Sicherheitslage nicht widerspiegeln.
Laut Global Peace Index 2017 ist Afghanistan nach Syrien das zweitgefährlichste Land der Erde. Die bewaffneten Auseinandersetzungen finden nicht nur zwischen den Taliban und den Regierungskräften statt, brutale Akteure sind auch der IS, bewaffnete Milizen, regionale Warlords. Die Zahl der umkämpften Provinzen nimmt von Monat zu Monat zu. Für die in vielen Afghanistan-Entscheidungen enthaltene Behauptung, Afghanen könnten in angeblich sichere Gebiete zurückkehren, liegen bislang keine Belege vor. Angesichts dieser Situation wäre ein Abschiebestopp geboten.