12.01.2022

Das heu­te ver­kün­de­te Unwort des Jah­res muss dazu füh­ren, dass gewalt­sa­me Zurück­wei­sun­gen von Schutz­su­chen­den an Euro­pas Gren­zen ein Ende haben. Die neue Bun­des­re­gie­rung muss sich auch auf EU-Ebe­ne vehe­ment dafür ein­set­zen, die­se ille­ga­le Pra­xis zu sank­tio­nie­ren und zu beenden. 

Mit dem heu­te bekannt gege­be­nen Unwort des Jah­res wirft die gleich­na­mi­ge Orga­ni­sa­ti­on neben der Sprach­kri­tik auch ein Schlag­licht auf die unmensch­li­che Pra­xis des gewalt­sa­men Zurück­drän­gens von Schutz­su­chen­den an den EU-Außen­gren­zen. „Das Unwort des Jah­res – „Push­back“ – darf nicht zum Unwort des Jahr­zehnts wer­den“, sagt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. „Aber wir dür­fen jetzt nicht bei der Sprach­kri­tik ste­hen­blei­ben“, for­dert er. Die EU-Staa­ten Grie­chen­land, Kroa­ti­en, Polen, Ungarn und ande­re bre­chen in ekla­tan­ter Wei­se sys­te­ma­tisch und fort­dau­ernd euro­päi­sches Recht. „Die­se Pra­xis muss auf­hö­ren!“, sagt Burk­hardt. Ein Flücht­ling darf an der EU-Gren­ze nicht ohne Prü­fung der Schutz­be­dürf­tig­keit zurück­ge­wie­sen wer­den. Doch gewalt­sa­me Zurück­wei­sun­gen voll­zie­hen sich in der EU tau­send­fach, ohne dass die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on und Staa­ten wie Deutsch­land die­sem ille­ga­len Trei­ben wir­kungs­voll Ein­halt gebie­ten. PRO ASYL appel­liert an die Bun­des­re­gie­rung und die EU-Kom­mis­si­on, die­se Pra­xis zu sank­tio­nie­ren. „Wer so han­delt, darf kei­ne EU-Mit­tel mehr erhal­ten“, for­dert Gün­ter Burkhardt.

Spra­che muss wie­der das abbil­den, was tag­täg­lich geschieht. Anstatt abs­trakt von „Push­backs“ zu reden, soll­te geschil­dert wer­den, was pas­siert: Dass hil­fe­su­chen­de Frau­en, Män­ner und Kin­der gewalt­sam dar­an gehin­dert wer­den, ein EU-Land zu betre­ten und hier um Schutz zu bit­ten. Das geschieht durch meter­ho­he Stahl­tei­le, Wach­tür­me, Nato-Draht und Wär­me­bild­ka­me­ras an der Gren­ze zwi­schen Grie­chen­land und der Tür­kei oder durch Grenz­sol­da­ten, die an der kroa­tisch-bos­ni­schen Gren­ze Men­schen miss­han­deln und an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze Män­ner und Frau­en zurückprügeln.

Grie­chi­sche Küs­ten­wa­che zer­stört Moto­ren von Flüchtlingsbooten

PRO ASYL macht seit vie­len Jah­ren dar­auf auf­merk­sam, wel­che For­men das annimmt: So zer­stört etwa die grie­chi­sche Küs­ten­wa­che die Moto­ren von Flücht­lings­boo­ten oder treibt die­se Boo­te in tür­ki­sche Gewäs­ser zurück. Auch Schutz­su­chen­de, die bereits eine grie­chi­sche Insel erreicht haben, kön­nen häu­fig kei­nen Asyl­an­trag stel­len, son­dern müs­sen fürch­ten, auf auf­blas­ba­ren, manö­vrier­un­fä­hi­gen Ret­tungs­in­seln wie­der in der Ägä­is aus­ge­setzt zu werden.

Gewalt­sa­me Zurück­wei­sun­gen in Grie­chen­land sind nichts Neu­es , doch seit März 2020, nach­dem das Erdo­gan-Regime den EU-Tür­kei-Deal ein­sei­tig auf­ge­kün­digt hat­te, führt die grie­chi­sche Küs­ten­wa­che die­se in einer bis­her unge­kann­ten Sys­te­ma­tik durch – unter den Augen und mit Hil­fe der EU-Grenz­schutz­agen­tur Fron­tex. Inwie­fern die in die ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen ver­wi­ckelt ist, hat im ver­gan­ge­nen Jahr der Bericht eines Unter­su­chungs­aus­schus­ses im EU-Par­la­ment offen­bart. Doch die Täter wer­den kaum zur Ver­ant­wor­tung gezogen.

Erst vor weni­gen Wochen urteil­te der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te, dass der Tod eines sechs­jäh­ri­gen Mäd­chens, das mit ihrer Fami­lie auf der Flucht war, die trau­ri­ge Fol­ge einer ille­ga­len Zurück­wei­sung durch Kroa­ti­en ist. Das Gericht bestä­tig­te damit, dass die kroa­ti­sche Grenz­po­li­zei Men­schen­rech­te ver­letzt. „Die EU und Deutsch­land müs­sen Kon­se­quen­zen zie­hen und die Unter­stüt­zung des kroa­ti­schen Grenz­schut­zes been­den“, for­dert Burkhardt.

Ein wei­te­res Unwort ist die Rede von „ille­ga­len Grenz­über­trit­ten“. Dies ver­schlei­ert, dass Schutz­su­chen­de kaum noch die Mög­lich­keit haben, legal ein­zu­rei­sen, weil die EU-Staa­ten sys­te­ma­tisch alle Gren­zen schlie­ßen. „Das Unwort des Jah­res muss auf­rüt­teln, damit die­se Pra­xis auf­hört“, sagt Burkhardt.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum The­ma fin­den Sie hier:

https://www.proasyl.de/news/menschenrechtsgerichtshof-verurteilt-kroatien-wegen-illegaler-pushbacks/
https://www.proasyl.de/news/mit-jedem-pushback-stirbt-ein-stueck-von-europas-glaubwuerdigkeit/
https://www.proasyl.de/news/wie-europa-gegen-schutzsuchende-aufruestet/
https://www.proasyl.de/news/es-gibt-pushbacks-an-jedem-einzelnen-tag-in-griechenland/
https://www.proasyl.de/news/toedliches-versagen-auf-dem-mittelmeer/

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