26.01.2022

Anläss­lich des am Frei­tag statt­fin­den­den Kamin­ge­sprächs von Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser mit ihren Kolleg*innen aus den Län­dern appel­liert PRO ASYL an Bund und Län­der, das The­ma Blei­be­recht auf die Agen­da zu set­zen und dafür zu sor­gen, dass die Blei­be­rechts­re­geln aus dem Koali­ti­ons­ver­trag zügig umge­setzt wer­den. Eine Vor­griffs­re­ge­lung ist nötig, damit bis dahin nicht die­je­ni­gen abge­scho­ben wer­den, die künf­tig blei­ben dürften.

Die Bun­des­re­gie­rung hat sich im Koali­ti­ons­ver­trag dar­auf geei­nigt, bestimm­ten Grup­pen wie etwa gut inte­grier­ten Jugend­li­chen bes­se­re Chan­cen auf ein dau­er­haf­tes Blei­be­recht ein­zu­räu­men. Zudem soll es für Men­schen, die seit dem 1. Janu­ar 2022 seit fünf Jah­ren in Deutsch­land leben, unter nied­rig­schwel­li­gen Vor­aus­set­zun­gen ein Auf­ent­halts­recht auf Pro­be geben. PRO ASYL begrüßt dies, for­dert aber die zügi­ge Umset­zung und eine soge­nann­te Vor­griffs­re­ge­lung. „Es kann nicht ange­hen, dass Geflüch­te­te zum jet­zi­gen Zeit­punkt noch abge­scho­ben wer­den oder ihnen die Abschie­bung droht, obwohl sie nach dem Wil­len des Bun­des  vom neu­en Chan­cen-Auf­ent­halts­recht oder ande­ren Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen pro­fi­tie­ren wür­den“, sagt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Aus­län­der­be­hör­den soll­ten Ermes­sens­dul­dun­gen erteilen

Denn eine vor­zei­ti­ge Abschie­bung nimmt Betrof­fe­nen die ihnen zuge­dach­te Chan­ce auf einen lega­li­sier­ten Auf­ent­halt. Dies kann bis zur tat­säch­li­chen Geset­zes­än­de­rung durch Vor­griffs­re­ge­lun­gen ver­hin­dert wer­den. Nötig ist hier­für, dass die Innen­mi­nis­te­ri­en der Bun­des­län­der die Aus­län­der­be­hör­den anwei­sen, all jenen, die poten­ti­ell von den ange­kün­dig­ten Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen pro­fi­tie­ren, Ermes­sens­dul­dun­gen nach § 60a Abs. 2 Satz 3 Auf­enthG zu ertei­len und sie so vor Abschie­bung zu schüt­zen. Neu ist das nicht: Hes­sen hat bei­spiels­wei­se im Febru­ar 2014 sol­che Vor­griffs­re­ge­lun­gen ein­ge­führt, in Schles­wig-Hol­stein und Nie­der­sach­sen gab es 2019 eine ent­spre­chen­de Rege­lung im Vor­feld der Ein­füh­rung der Beschäftigungsduldung.

„Die von einer posi­ti­ven Blei­be­rechts­re­ge­lung Betrof­fe­nen dür­fen nicht die Leid­tra­gen­den sein, wenn der Bun­des­tag die im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bar­ten Ver­bes­se­run­gen nicht schnell genug beschließt“, sagt Burkhardt.

In Bezug auf das ange­kün­dig­te Auf­ent­halts­recht auf Pro­be hat das Innen­mi­nis­te­ri­um Rhein­land-Pfalz mit einem Schrei­ben vom 23.12.2022 reagiert und den Aus­län­der­be­hör­den dar­in zumin­dest nahe­ge­legt, Abschie­bun­gen des begüns­tig­ten Per­so­nen­krei­ses im Hin­blick auf das anste­hen­de Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren auszusetzen.

Paki­sta­ni abge­scho­ben, obwohl er die Vor­aus­set­zun­gen für Chan­cen-Auf­ent­halts­recht erfüllte

Dass Vor­griffs­er­las­se drin­gend not­wen­dig sind, zeigt der Fall eines paki­sta­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen, der im Janu­ar 2022 von einer Aus­län­der­be­hör­de in Nie­der­sach­sen abge­scho­ben wur­de, obwohl er sich bereits seit 2015 – also län­ger als die erfor­der­li­chen fünf Jah­re – in Deutsch­land auf­hielt und auch die sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen für das zu erwar­ten­de Chan­cen-Auf­ent­halts­recht erfüllte.

„Es muss ver­hin­dert wer­den, dass noch wei­te­re Men­schen, die offen­kun­dig die Vor­aus­set­zun­gen für die kom­men­den Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen erfül­len, abge­scho­ben wer­den“, erklärt Burk­hardt. PRO ASYL for­dert die Innen­mi­nis­te­ri­en der Bun­des­län­der daher auf, eine Vor­griffs­re­ge­lung zum Schutz die­ses Per­so­nen­krei­ses zu erlas­sen. „Das Tref­fen von Nan­cy Fae­ser mit den Innen­mi­nis­te­ri­en der Län­der ist eine gute Gele­gen­heit dazu. Die Zukunft vie­ler Men­schen, die hof­fen, sich dau­er­haft ein Leben in Deutsch­land auf­bau­en zu dür­fen, hängt von sol­chen Rege­lun­gen ab“, sagt Burkhardt.

Ins­ge­samt leben etwa 240.000 Men­schen mit Dul­dung in Deutsch­land. Rund 4500 von ihnen haben eine Beschäf­ti­gungs­dul­dung  und knapp 9000 Geflüch­te­te eine Ausbildungsduldung.

Hin­ter­grund zu den im Koali­ti­ons­ver­trag beschlos­se­nen Neue­run­gen zum Bleiberecht

Gut inte­grier­te Jugend­li­che sol­len nach § 25a Auf­enthG künf­tig bereits nach drei anstatt wie bis­lang erst nach vier Jah­ren gedul­de­ten Auf­ent­halts in Deutsch­land ein Blei­be­recht erhal­ten kön­nen und den dies­be­züg­li­chen Antrag bis zum Abschluss des 27. anstatt wie bis­her nur bis zum Abschluss des 21. Lebens­jah­res stel­len können.

Beson­de­re Inte­gra­ti­ons­leis­tun­gen Gedul­de­ter sol­len im Rah­men des § 25b Auf­enthG dadurch gewür­digt wer­den, dass die­sen in Zukunft bereits nach sechs anstatt wie aktu­ell noch nach acht Jah­ren ein Blei­be­recht zu Teil wer­den soll. Per­so­nen mit min­der­jäh­ri­gen ledi­gen Kin­dern sol­len das Blei­be­recht nach die­ser Vor­schrift künf­tig schon nach vier statt wie bis­her erst nach sechs Jah­ren erwer­ben können.

Das neu zu schaf­fen­de Chan­cen-Auf­ent­halts­recht auf Pro­be soll für die Dau­er eines Jah­res gel­ten und Men­schen, die nicht straf­fäl­lig gewor­den sind und sich zur frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung beken­nen, die Mög­lich­keit ver­schaf­fen, wäh­rend die­ser Zeit die Vor­aus­set­zun­gen für eine der oben genann­ten Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen zu erfül­len wie bei­spiels­wei­se die Iden­ti­täts­klä­rung oder Lebensunterhaltssicherung.

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